Wie ein Aargauer Ü50er nach einer zermürbenden Suche doch noch eine Stelle fand

Tandem 50 plus

So funktioniert das Programm: Teilnehmen kann, wer zwischen 50 und 65 Jahre alt ist und beim zuständigen RAV im Kanton Aargau arbeitslos gemeldet ist. Nach der Anmeldung wird die stellensuchende Person zu einem Aufnahmegespräch geladen. Dabei werden die Erwartungen an das Programm besprochen, und es wird überprüft, ob ein Tandem sich positiv auf die Stellensuche auswirken könnte. Nach einem positiven Bescheid suchen die Verantwortlichen von Tandem 50 plus einen passenden Mentor. Die Mentoren arbeiten ehrenamtlich, erhalten eine Einführung in ihre Aufgabe. Bei regelmässigen Treffen mit anderen Mentoren können sie sich austauschen und an Weiterbildungen teilnehmen. Infos: www.tandem-ag.ch.

Zwei Minuten dauerte das Gespräch, dann war der Aarauer Miguel Hernandez seinen Job los. Es war ein Montag im Herbst 2016. Um 8.15 Uhr kam Hernandez ins Büro, um 8.30 Uhr bat ihn die Inhaberin der Firma zum Gespräch. «Als ich dann auch meinen Chef am Tisch sitzen sah, wusste ich, was kommt.» Die Kündigung war für ihn kein Schock. «Ich war sogar fast erleichtert», erinnert er sich. Nach einem Chefwechsel in der Firma, wo er im IT-Support arbeitete, hatte der damals 49-Jährige sich ohnehin nicht mehr wohlgefühlt. Die Chemie zwischen ihm und seinem neuen Chef stimmte einfach nicht.

Nach der Kündigung wurde Hernandez freigestellt – er musst seinen Arbeitsplatz sofort räumen. Um nicht untätig rumzusitzen, machte er zwei Praktika, parallel dazu schrieb er Bewerbungen. Nicht wahllos, wie er versichert. «Ich suchte gezielt nach Stellen, die zu mir passten.» Die Monate vergingen, eine Absage nach der anderen lag in seinem Briefkasten. Am Ende hatte er über 200 Bewerbungen geschrieben, nur viermal wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

«Ich bin eigentlich ein starker Mensch», sagt Hernandez. «Aber am Ende fiel es mir immer schwerer, mich zu motivieren.»

Hilfe für die ältere Generation
Szenenwechsel. Ein Besuch im Büro von Brigitte Basler, der Programmleiterin von «Tandem 50 plus», in Aarau. «Tandem 50 plus» ist ein Programm, das ältere Arbeitslose dabei unterstützt, wieder eine Stelle zu finden. Die Generation über 50 ist nämlich im Schnitt deutlich länger arbeitslos als Jüngere.

Basler sieht dafür zwei Hauptgründe. «Die Babyboomer haben es häufig verpasst, sich nach ihrer Ausbildung noch weiterzubilden», bringt Brigitte Basler das eine Problem dieser Generation auf den Punkt. Aber auch die Arbeitnehmer sind schuld daran, dass über 50-Jährige bei der Stellensuche oft fast verzweifeln. Sie stellen häufig lieber jüngere Personen ein.

Zu Unrecht, findet Basler. «Ältere Arbeitnehmer haben mehr Erfahrung und können einem Unternehmen viel bringen.» Entscheidend sei aber, dass sie ihre eigenen Qualitäten erkennen und entsprechend betonten.

Genau hier setzt das Programm an: Es bringt eine Person auf Stellensuche mit einem freiwilligen Mentor zusammen. Die beiden bilden während vier Monaten ein Tandem und treffen sich in dieser Zeit regelmässig. Der Mentor motiviert und unterstützt bei der Stellensuche, und vor allem: Er gibt dem «Mentee», dem Stellensuchenden, das Selbstbewusstsein zurück.

Die Tandems werden von Brigitte Basler verkuppelt. Sie entscheidet, wer zusammenpasst. «Ich täusche mich selten», so Basler. Sie achtet auf verschiedene Faktoren. Zum Beispiel darauf, dass beide aus der gleichen Branche kommen.

Wenn sie das Gefühl hat, zwei passende Personen gefunden zu haben, dann organisiert sie ein Treffen zu dritt. «Mentor und Mentee merken dann rasch, ob die Chemie stimmt.» So wie bei Miguel Hernandez und Ibrahim Tageldin.

Bewerbungs-Bootcamp
Nach Monaten ohne Stelle begann Hernandez zu recherchieren. «Es muss doch ein Programm geben, das jemandem wie mir hilft», war er überzeugt. Im Internet stiess er auf «Tandem 50 plus» und meldete sich an.

Nach einem Vorgespräch traf er gemeinsam mit Brigitte Basler seinen zukünftigen Mentor, Ibrahim Tageldin. Tageldin selber steht kurz vor der Pensionierung und hat jahrelang in der IT- Branche gearbeitet, unter anderem in Führungspositionen. «Ich merkte sofort, wie motiviert er war», erinnert sich Tageldin heute, wenn er an das erste Treffen mit Hernandez zurückdenkt. «Ich wusste, bei ihm kommt es nur noch auf die Kleinigkeiten an.»

 

Tageldin engagiert sich aus Überzeugung als Mentor. «Es kann einfach nicht sein, dass Menschen über 50 keinen Job mehr finden», ärgert er sich. Hernandez war sein zweiter Mentee.

Die beiden gingen den Lebenslauf von Hernandez durch, diskutierten über ein passendes Bewerbungsbild, schauten sich das Arbeitszeugnis von seinem ehemaligen Arbeitgeber an. Und weil ein Bewerbungsgespräch vor der Tür stand, übten die beiden intensiv die Gesprächssituation. «Er bereitete mich auf alle möglichen Situationen vor. Wies mich auf Details hin, auf die ich nie geachtet hätte», sagt Hernandez.

 

Grosser Erfolg
Und siehe da: Es klappte. Nach zwei Monaten fand er eine Stelle in Langenthal. Er arbeitet jetzt in der IT-Abteilung der Ammann Group Holding AG und betreut einen Lehrling.

So schnell wie bei Miguel Hernandez geht es nicht immer. Aber die Erfolgsquote des Programms «Tandem 50 plus» kann sich sehen lassen: «Tandem 50 plus» wurde vom Kanton Aargau im Jahr 2015 lanciert, im letzten Jahr schlossen es 71 Stellensuchende ab. 51 von ihnen fanden noch während des Tandems eine Stelle, vier weitere kurze Zeit danach. Das bedeutet eine Erfolgsquote von über 70 Prozent. Entsprechend zufrieden ist Urs Schmid vom Departement Volkswirtschaft und Inneres. Laut ihm soll das Angebot im Aargau weitergeführt werden. Im letzten Jahr wurden 200 000 Franken in das Programm investiert.

Wer jetzt denkt, dass die Mentoren den Mentees die Stellensuche abnehmen, der liegt falsch. «Mentoren haben keine Stellenangebote in der Schublade, die sie hervorzaubern können», betont Programmleiterin Basler. Das Programm sei viel mehr harte Arbeit. «Es braucht Motivation von Seite der Stellensuchenden. Für die Zeit im Tandem muss man parat sein. Denn man bekommt einen Spiegel vorgehalten und wird mit den eigenen Schwächen konfrontiert. Das kann wehtun.»