Aargauer Unternehmenspreis: Drei strahlende Gewinner und ein Mutmacher

Konjunkturbarometer zeigt nach oben

Die Aargauische Kantonalbank hat einen Indikator für die Wirtschaft im Kanton entwickelt.

Herr Koradi, wofür lancieren Sie den aargauischen Konjunkturbarometer?
Pascal Koradi: Es gibt eine Vielzahl nationaler Konjunkturbarometer, von denen man aber nicht einfach auf den Aargau schliessen kann. Die Entwicklung war jüngst auch sehr unterschiedlich.

Warum?
Unter dem Euroschock von 2015 litt besonders der zweite Sektor, speziell die Exportindustrie. Weil diese im Aargau einen fast doppelt so hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung hat wie national, ging der Indikator im Aargau deutlich mehr hinunter als national. 2017 erholte er sich massiv, erreichte bis im November sogar 107 Punkte, was deutlich über dem langjährigen Schnitt von 100 Punkten liegt.

Jetzt steht er wieder tiefer. Warum?
Im Frühling gab es eine Delle, verursacht durch den zweiten Sektor. Davon erholt sich das Barometer derzeit. Es ist wieder deutlich über dem langjährigen Mittel.

Was kann man daraus ablesen?
Der Barometer, den wir zusammen mit Hans-Peter Arnold aus Rothrist entwickeln konnten, zeigt aufgrund von Einzelindikatoren wie Konsumentenvertrauen, Schweizer Einkaufsmanager Index usw., welche Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP) in den nächsten sechs bis neun Monaten erwartet werden kann. Für 2018 erwarten wir ein BIP-Wachstum von 2 bis 2,5 Prozent.

Der Index zeigt auch, dass wir 30 Prozent mehr freie Stellen haben. Sinkt bald die Arbeitslosigkeit?
Die Arbeitslosigkeit ist saisonal bedingt schon im März gesunken. Dank anziehender Konjunktur und weil weniger Zuwanderer kommen, steigen tatsächlich die Chancen, schneller eine Stelle zu finden.

Welchen Anteil hat der stärkere Euro an dieser Entwicklung?
Der Euro hat einen sehr grossen Einfluss. Die Schweizer Wirtschaft verdient ja jeden zweiten Franken im Export. Der Euroraum ist damit unser wichtigster Exportraum. Diese Entwicklung nach zwei sehr schweren Jahren, die unsere Unternehmer sehr gut gemeistert haben, freut mich sehr.

Aber hält sie auch an?
Ich bin zuversichtlich, dass die Erholung anhält. Ein faires Kursverhältnis gemessen an der Kaufkraftparität läge allerdings über 1.20 Franken. Sollte der Franken aufgrund neuer Krisen erneut als Safe Haven dienen, könnte er aber auch wieder stärker werden.

Rund 600 Zuhörerinnen und Zuhörer fanden gestern auf Einladung des Aargauischen Gewerbeverbandes (AGV) und der Aargauischen Kantonalbank (AKB) zum Aargauer Wirtschaftstag ins Tägerhard nach Wettingen.

AKB-Direktionspräsident Pascal Koradi gab bei dieser Gelegenheit bekannt, dass man zusammen mit der Firma 4 trends.ch in Rothrist sowie mit Aargau Services einen Aargauer Konjunkturbarometer entwickelt habe. Dieser enthalte die klassischen Schlüsselfaktoren. Hier biete aber auch die Digitalisierung eine Chance. Man könne mit ihr einfacher viele Daten erheben. Der erste Konjunkturbarometer zeigt Erfreuliches.

Hofmann über Idee erfreut
Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann kannte den neuen Konjunkturbarometer natürlich bereits, und freut sich, dass die AKB mit dieser Idee zum Kanton gekommen ist. Erst recht freut ihn, dass man ihn mit einer Aargauer Firma realisieren konnte. Bis jetzt habe man nichts spezifisch Aargauisches gehabt und solche Daten teuer ausserkantonal erheben lassen müssen, sagt Hofmann weiter.

Wie stark sich die Prognosen des Barometers bewahrheiten werden, müsse man aber erst noch sehen. Gewerbe und Industrie stünden nach ihren Angaben in den ersten drei Monaten des Jahres tatsächlich erheblich besser da als vor einem Jahr.

AKB-Kommunikationschefin Ursula Diebold stellte anschliessend zusammen mit Kurt Schmid und Pascal Koradi eloquent die Finalisten für den Unternehmenspreis vor. In der Kategorie Industrie- und Produktionsunternehmen obsiegten die Jura-Cement-Fabriken AG Wildegg, in der Kategorie Dienstleistungs- und Handelsunternehmen das Gartencenter Lengnau AG in Lengnau. Den ersten Preis bei den Kleinstunternehmen holte sich die Carbomill AG in Seon.

Baubewilligung mit 40 Auflagen
Als Jahresthema befasse man sich mit der Dorf- und Stadtkernentwicklung, leitete Kurt Schmid zum Hauptreferenten des Tages über, zu Lukas Bühlmann, Direktor der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung (VLP).

Bevor dieser Inputs dazu geben konnte, zeigte Schmid an einem Beispiel auf, mit welchen Schwierigkeiten Bauherren heute zu kämpfen haben. Jemand habe nach vier Jahren die Baubewilligung für ein Sechsfamilienhaus im Dorfzentrum entlang der Dorfstrasse bekommen – mit 40 Auflagen! Es sei schwierig bis fast unmöglich, im Dorf- oder Stadtkern zu bauen, so Schmids Fazit.

Begegnungsorte schaffen
Doch was soll man tun, um Läden trotzdem im Dorfzentrum zu halten? Lukas Bühlmann empfiehlt, von Einkaufsstrassen mit vielen Läden abzukommen. Man solle die Läden im Ort konzentrieren und rechtzeitig schauen, dass bestehende Läden im Dorfzentrum bleiben: «Wenn eine Papeterie weg ist, kommt sie nicht mehr zurück.» Er empfiehlt, die jeweilige Zentrumssituation zu klären und Begegnungsorte schaffen, damit die Leute nicht 200 Meter vom einen zum nächsten Laden gehen müssen.

Man solle auf vielfältige Nutzungen setzen, einen Jugendtreffpunkt eröffnen, eine Galerie, oder auch einen Laden mit regionalen Produkten. All dies könne den Dorfkern beleben und ihn zum Einkaufen attraktiv machen. Gemeindevertretern machte Bühlmann Mut, sie könnten auch heute noch sehr viel gestalten. Eine hoffnungsvolle Botschaft, die von den Zuhörern mit dankbarem Applaus entgegengenommen wurde.