Firmenimpfungen im Aargau: zu spät oder ein Flop?

Der Infektiologe und KSA-Chefarzt Christoph Fux zeigte sich letzte Woche besorgt über die Entwicklung an der Corona-Front – und kritisierte insbesondere Wirtschaftskapitäne, die sich zu wenig für die Impfung einsetzten.

In einem Interview mit der AZ sagte er: «Wir stehen am Beginn der vierten Welle. Wären 85 Prozent geimpft, würde es diese Welle nicht geben. Vor diesem Hintergrund finde ich fahrlässig, wie sich Wirtschaftsverbände und gewisse Parteien vehement für eine Öffnung, aber nicht ebenso vehement für die Impfung einsetzen.» Das eine sei ohne das andere zum Scheitern verurteilt. «Hier erhoffe ich mir mehr Leadership», sagte Fux, der nach dem Rücktritt von Yvonne Hummel interimistisch auch Aufgaben des Kantonsarztes innehat.

Reaktion: «Dieses Bashing ist völlig daneben»

Peter Gehler, Vizepräsident des Unternehmens und Präsident des Regionalverbandes Wirtschaft Region Zofingen. (Oktober 2020)

Peter Gehler, Vizepräsident des Unternehmens und Präsident des Regionalverbandes Wirtschaft Region Zofingen. (Oktober 2020)

Severin Bigler

Der Vorwurf des Mediziners löste in einigen Chefetagen Kopfschütteln aus – unter anderem bei der Siegfried AG in Zofingen. «Dieses Bashing ist völlig daneben», sagt Peter Gehler, Vizepräsident des Unternehmens und Präsident des Regionalverbandes Wirtschaft Region Zofingen (WRZ). Wirtschaftsverbände und Unternehmen seien sehr frühzeitig an das Aargauer Gesundheitsdepartement gelangt und hätten sich für Impfaktionen in Unternehmen stark gemacht. sagt Gehler im «Zofinger Tagblatt».

Der Kanton habe sich dann sehr klar dagegen entschieden. «Es hiess, dass er den Betrieben erst Impfstoff zu Verfügung stelle, wenn Lager aufgebaut werden könnten.» Gerne hätte man bei der Siegfried AG schon im Mai alle Mitarbeitenden zu einer Impfaktion gerufen – möglich wurde dies erst am 6. Juli, zusammen mit der Swissprinters AG und der Ringier AG.

Für Gehler klar zu spät. Das Momentum sei verpufft, zumal für viele der zweite Impftermin in die bereits geplanten Sommerferien gefallen wäre. «Wir führen Impftage durch, wir haben auch Massentests durchgeführt – wir haben alles gemacht, was möglich war», so Gehler. Der Vorwurf, Verbände und Unternehmen unterstützen die Impfkampagne ungenügend, ziele ins Leere.

Chefarzt Christoph Fux: Einstehen für diese Freiheiten

Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am KSA. Aufgenommen am (Oktober 2020)

Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am KSA. Aufgenommen am (Oktober 2020)

Britta Gut

«Dank den Impfungen in Betrieben konnten weitere Personen geimpft werden, aber die Impfquote ist weiterhin zu tief», gibt KSA-Chefarzt Christoph Fux zu bedenken. Es liege nicht an den Möglichkeiten, sich impfen zu lassen, so Fux. Es gebe mittlerweile genug Zugänge. Der Kanton evaluiere laufend die Resultate und passe auf dieser Basis das Angebot weiter an. Auch Impfungen an Schulen werden geprüft.

«Wenn wir bei der Definition des Freiheitsbegriffs vor allem auf die Impfskeptiker hören, dann verpassen wir eine Chance.» Dem möchte der Mediziner entgegentreten. «Wir alle kämpfen für die Bewahrung der endlich wiedererlangten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Freiräume». Ein Einstehen für diese Freiheiten müsse im Moment auch ein Einstehen fürs Impfen sein. Dafür brauche es eine enge Zusammenarbeit zwischen Kanton, Politik, Wirtschaft, Kultur und weiteren Kreisen. Er sei sehr dankbar für das Commitment der Aargauischen Industrie- und Handelskammer, «weitere Initiativen und niederschwellige Angebote zu fördern».