
Verjüngungskur: SVP Aargau verliert vier Zugpferde aufs Mal
SVP Aargau von links nach rechts
Thomas Burgherr (55) Wiliberg, Nationalrat Der Kantonalparteipräsident wird im Herbst 2019 nochmals antreten – als Bisheriger dürfte er seinen Sitz im Nationalrat verteidigen können.
Pascal Furer (46) Staufen, Grossrat Der SVP-Kantonalsekretär gilt als versierter Finanzpolitiker – es ist wahrscheinlich, dass Furer auf der Liste für die Nationalratswahlen 2019 steht.
Maximilian Reimann (75) Gipf-Oberfrick, Nationalrat Der Seniorenpolitiker vertritt die SVP seit 1987 in Bern – mit dem höheren Alter für ärztliche Tests bei Autofahrern hat er ein wichtiges Ziel erreicht.
Hansjörg Knecht (58) Leibstadt, Nationalrat Der Energiepolitiker, der seit 2012 in Bundesbern sitzt, wird als Ständeratskandidat gehandelt – er dürfte die Wiederwahl problemlos schaffen.
Andreas Glarner (55) Oberwil-Lieli, Nationalrat Der Hardliner ist schon in seiner ersten Legislatur zum Asylchef der SVP aufgestiegen – Glarner hat seinen Platz auf sicher, wenn er kandidiert.
Nicole Müller-Boder (39) Buttwil, Grossrätin Die linientreue SVP-Frau kritisiert die Kesb, stellt sich gegen den Islam, hat ein Gespür für aktuelle Themen – und damit Chancen auf einen Listenplatz.
Stefanie Heimgartner (30) Baden, Grossrätin Die Präsidentin der SVP Frauen Aargau hat ihren Anspruch auf den Sitz von Sylvia Flückiger offensiv angemeldet – ob das bei der Partei gut ankommt?
Martin Keller (53) Nussbaumen, Grossrat Der Verkehrspolitiker hat sich zuletzt mit seinem Einsatz gegen einen fixen Blitzer in Baden profiliert – er könnte auf den Sitz von Luzi Stamm schielen.
Sylvia Flückiger (65) Schöftland, Nationalrätin Die Gewerbevertreterin verzichtet auf eine erneute Kandidatur – sie glaubt, dass 2019 eine oder zwei SVP-Frauen in den Nationalrat gewählt werden.
Michelle Rütti (33) Meisterschwanden Die Vizepräsidentin der SVP Aargau zog aus Reinach weg, weil es dort zu viele Ausländer gebe – und sagte, sie überlege sich eine Kandidatur 2019.
Ueli Giezendanner (64) Rothrist, Nationalrat Der Fuhrhalter der Nation hat schon früh bekannt gegeben, dass er 2019 nicht mehr kandidiert – sein Nachfolger könnte Sohn Benjamin werden.
Vor einem Jahr hat die SVP Aargau eine Hürde für Nationalräte aufgestellt: Wer 63 Jahre alt oder 16 Jahre im Amt ist, braucht für eine Nomination eine Zweidrittelmehrheit im Kantonalvorstand und am Parteitag. Betroffen von der Regelung sind mit Maximilian Reimann (75), Sylvia Flückiger (65), Luzi Stamm (65) und Ulrich Giezendanner (64) für die Wahlen 2019 vier bisherige SVP-Nationalräte. Nun zeigen AZ-Recherchen: Diese altgedienten Volkspartei-Vertreter stehen nächstes Jahr nicht auf der SVPKandidatenliste. Giezendanner hat vor geraumer Zeit schon angekündigt, auf eine Kandidatur zu verzichten. Flückiger gab am Dienstag gegenüber Tele M1 bekannt, dass sie nicht mehr kandidiert. Reimann und Stamm haben sich bisher nicht offiziell geäussert.
Reimann: nicht auf SVP-Liste
Die AZ weiss aber: Kürzlich hat die interne Findungskommission der SVP ein Mail mit brisantem Inhalt versandt. Demnach verzichtet auch Maximilian Reimann, der seit mehr als 30 Jahren in Bundesbern politisiert, auf eine erneute Kandidatur. Zudem hat sich die Findungskommission offenbar gegen eine Nomination von Luzi Stamm für V die Wahlen 2019 ausgesprochen. Rolf Jäggi, Leiter der Findungskommission, sagt auf Anfrage: «Maximilian Reimann hat uns informiert, dass er das Nominationsverfahren der SVP für die Nationalratswahlen 2019 nicht durchlaufen und seinen Platz auf der Liste zur Verfügung stellen werde.» Reimann habe der Kommission aber auch mitgeteilt, «dass dies nicht zwingend heisse, dass er sich aus der Politik zurückziehe», betont Jäggi.
Als die Einführung der Altersguillotine bei der SVP Aargau bekannt wurde, äusserte sich Reimann kritisch dazu. «Dieser Schuss könnte nach hinten losgehen», sagte der Fricktaler vor einem Jahr. Und kürzlich machte er in einem Interview klar, dass er von der neuen SVP-Regelung gar nichts halte und aus seiner Sicht zu wenige Senioren in Bern politisierten. Kann sich Reimann vorstellen, auf einer Seniorenliste zu kandidieren? Per SMS teilt der Politiker der AZ mit: «Derzeit gibt es meinerseits nichts zu kommentieren.»
Stamm: gesundheitliche Gründe
Derweil verliert Stamm offenbar die Unterstützung der Partei. Zwei unabhängige Quellen bestätigen, dass die Findungskommission den Nationalrat aus Baden nicht mehr zur Nomination empfiehlt. Jäggi sagt: «Wir haben mit Luzi Stamm ein Gespräch geführt und ihm mitgeteilt, dass die Findungskommission zum Schluss gekommen ist, ihn aus Rücksicht auf seine Gesundheit nicht mehr für die Nationalratswahlen zu nominieren.» Die Kommission sei «aufgrund diverser Eindrücke in letzter Zeit zum Schluss gekommen, dass es seiner Gesundheit nicht zuträglich wäre, nächstes Jahr in einen intensiven Wahlkampf zu steigen». Stamm habe den Entscheid der Findungskommission zur Kenntnis genommen.
Luzi Stamm bestätigt, dass die Kommission ihn entsprechend informiert hat. «Ich nehme gelassen zur Kenntnis, dass die Kommission der Meinung ist, meine grosse Belastung durch das Engagement für Initiativen stehe einer weiteren Legislatur im Nationalrat im Weg.» Stamm hatte bisher gesagt, er trete erst zurück, wenn die Personenfreizügigkeit angepasst oder gebodigt sei. Nun will er mit SVP-Kantonalprä- sident Thomas Burgherr und seiner Bezirkspartei das Gespräch suchen. Klar ist aber: Weil die Findungskommission praktisch identisch ist mit der SVP-Parteileitung, wo es zwei Drittel der Stimmen benötigt, dürfte seine politische Karriere beendet sein.
SVP-Spitze bleibt optimistisch
Rolf Jäggi räumt ein: «Vielleicht hätten wir uns einen sanfteren Generationenwechsel gewünscht, nicht gleich mit vier Vakanzen auf einmal, aber die Politik ist kein Wunschkonzert.» Natürlich gebe es immer Gespräche, aber letztlich müssten Amtsträger selber entscheiden, ob sie nochmals antreten oder verzichten wollen. Obwohl gleich vier Bisherige fehlen, hält Jäggi fest: «Wir haben in der SVP Aargau einen grossen Pool von bestens qualifizierten und geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten.» Die Partei werde für die Nationalratswahlen 2019 eine schlagkräftige Liste präsentieren. «Ich bin zuversichtlich, dass die SVP ihre sieben Sitze im Nationalrat verteidigen wird.» Grundsätzlich strebe die Partei eine möglichst ausgeglichene, breit abgestützte Liste an – «mit Alten und Jungen, Frauen und Männern, Vertretern aus verschiedenen Regionen, Bisherigen und Neuen», wie Jäggi sagt.