«So nicht!»: Die Aargauer Gemeinden wollen künftig sogar alle Steuern selber eintreiben

Die Steuern im Kanton Aargau werden heute schwergewichtig durch das kantonale Steueramt bezogen, teilweise durch die Gemeinden. Der Kanton sieht in dieser Organisation schon länger Optimierungspotenzial für einen wirtschaftlicheren Steuerbezug. In einer Arbeitsgruppe lotete er zusammen mit den Gemeinden schon vor einigen Jahren andere Lösungen aus. Damals blitzte er damit beim Fachgremium aus Gemeindevertretern klar ab. Doch jetzt ist der künftige Steuerbezug eines der 15 Reformvorhaben, mit denen die Regierung die Kantonskasse mittelfristig um 80 bis 120 Millionen Franken entlasten will.

Regierung sieht Sparpotenzial
Beim Steuerbezug sieht die Regierung zwei Möglichkeiten. Eine Zentralisierung beim Kanton brächte nach ihrer Berechnung Einsparungen von 4 bis 5 Millionen Franken, wovon 1 bis 2 Millionen Franken beim Kanton selbst.

Möglich wäre auch eine starke Regionalisierung. Da würden die Steuern bei grösseren Gemeinden in regionalen Zentren – jeweils für mindestens 25’000 Steuerpflichtige – zusammengefasst. Das würde Gemeinden und Kanton entlasten. Das Sparpotenzial sei aber tiefer. Man sei sich bewusst, dass das Vorhaben «nur zusammen mit den Gemeinden umzusetzen» ist, schreibt die Regierung. Da die Gemeindeverbände zurzeit ablehnend eingestellt seien, liefen entsprechende Gespräche. Die dürften allerdings nicht einvernehmlich verlaufen sein.

Nur noch eine Steuerrechnung
Denn jetzt gehen die Gemeinden in die Gegenoffensive. Morgen Dienstag werden Vertreter aus FDP, SVP, CVP, BDP, SP und Grünen im Grossen Rat eine Motion einreichen. Der Vorstoss, welcher der AZ vorliegt, verlangt schlicht, «dass der Steuerbezug im Aargau durch die Gemeinden erfolgt». Die Motionäre sehen den Sachverhalt ganz anders als die Regierung. Die Gemeinden befürchten, bei einer kantonalen Zentralisierung wären deutlich mehr Stellen nötig.

Der Steuerbezug durch die Gemeinden sei deshalb so erfolgreich, heisst es in der Motion, «weil die Gemeinden die Steuerpflichtigen vor Ort kennen und in Ausnahmefällen Ratenzahlungen, Stundungen usw. individuell ausgestalten und wo nötig Druck aufsetzen können». Die tiefen Steuerausstände stünden in direktem Zusammenhang mit der Kundennähe der Gemeinden. Die Stellenpensen, die Infrastruktur (Büros, IT usw.) und das nötige Know-how seien bei den Gemeinden vorhanden, all dies müsste vom Kanton erst noch aufgebaut werden.

Renate Gautschy, FDP-Grossrätin und Präsidentin der Gemeindeammänner-Vereinigung, ist gar nicht erfreut, dass der Regierungsrat den zentralen Steuereinzug trotz des seinerzeitigen klaren Neins von Gemeindeseite wieder bringt. Nur eine statt mehr Rechnungen leuchte aber ein: «Aus Sicht des Steuerzahlers ist eine Rechnung von der Gemeinde eine Optimierung und Vereinfachung, und dies muss hier das Ziel sein. Es ist offensichtlich, dass die Gemeinden besser geeignet sind, den gesamten Steuerbezug zu vollziehen.»

In Gemeinden breit abgestützt
Getragen wird der Vorstoss, der von einer Interpellation zur dringenden Erneuerung der Software für den Steuereinzug flankiert wird, nebst Gautschy vorab von Gemeindeammännern: Bruno Gretener, Franco Mazzi, Gérald Strub, Daniel Suter (alle FDP), Markus Gabriel, Patrick Gosteli, Kathrin Hasler (alle SVP), Daniel Mosimann (SP), Hans-Ruedi Hottiger (parteilos/CVP-Fraktion), Susanne Voser (CVP). Mit dabei sind auch Ruth Müri (Grüne, Stadträtin), René Bodmer (SVP, Gemeinderat) und Michael Notter (BDP).

Departement erarbeitet Bericht
In einer Stellungnahme hält das Departement Finanzen und Ressourcen fest, das Reformvorhaben «Strategie Steuerbezug» solle aufzeigen, ob durch Zentralisierung – wie dies heute beim Bezug der Bundessteuern für natürliche Personen, die Steuern der Quellenbesteuerten und der juristischen Personen der Fall ist – oder durch regionale Bezugsstellen Effizienzgewinne geschaffen werden können. Sprecherin Claudia Penta: «Dies auch vor dem Hintergrund, dass Inkassoaktivitäten ein Massengeschäft und ein Automatisierungspotenzial darstellen.» Das Departement werde den Gemeinden einen Bericht zur Stellungnahme zukommen lassen. «Die Haltung der Gemeinden wird in die Berichterstattung an den Regierungsrat einfliessen, welcher im ersten Quartal 2018 im Rahmen der Gesamtsicht Haushaltsanierung über das weitere Vorgehen entscheiden wird.» Der Regierungsrat werde das Anliegen der Motionäre prüfen und fristgerecht beantworten.