
Ex-Mitarbeiter muss privaten «Zeugenaufruf» löschen
Gerichtspräsident Benno Weber in Muri wird es an diesem Oktobernachmittag langsam zu bunt. Vor Bezirksgericht sitzen der Aargauer Unternehmer Peter und dessen ehemaliger Angestellter Urs aus dem Kanton St. Gallen (alle Namen geändert). «Ich gehe davon aus, dass das von Spezialisten schnell abgeklärt werden kann», sagt Richter Weber an die Adresse des Ex-Mitarbeiters: «Also erzählen Sie mir keinen Mist!»
Der Grund für das Treffen der beiden vor dem Zivilgericht ist eine geschäftliche Fehde. Peter wirft Urs vor, seine Persönlichkeitsrechte verletzt zu haben. Es geht um einen Eintrag auf Urs’ privater Website. Dort titelt er: «Zeugenaufruf bezüglich Peter Müller». Darunter fragt er, orthografisch nicht ganz korrekt: «Wer kennt diese Person bitte Kontaktieren sie mich.» Urs setzt einen Link auf die Geschäfts-Website von Peters Unternehmen, bei dem er bis 2009 angestellt war. Und merkt an: «Mir wurde von seinem Anwalt verboten, mehr hier zu schreiben!»
Er sei ein ganz normaler, ehrlicher Angestellter, der nie ein Problem mit dem Gesetz gehabt habe. Sein Anliegen sei nur, zu verhindern, dass jemand anderem «das gleiche wie mir Passiert». Da er hier keine Informationen über den wirklichen Sachverhalt verbreiten dürfe, könne man ihn kontaktieren, um mehr zu erfahren. Er versuche hiermit, möglichst viele Personen zusammenzubringen, «denen es genauso ergangen ist, nur mit der Masse können wir überhaupt erfolg haben».
Spuren im Internet-Archiv
Der Eintrag stand mehrere Jahre auf Urs’ Website. Zwei Verhandlungen vor dem Friedensrichter sind bereits gescheitert. So traf man sich jetzt in Muri vor dem Zivilgericht.
Urs’ Anwalt begründet, warum sein Mandant enttäuscht sei vom ehemaligen Chef: Dieser schulde Urs privat 20’000 Franken. «Er hat viel Geld verloren. Und will verhindern, dass anderen das Gleiche passiert.» Er habe etwa 20 Klicks pro Monat auf der Seite verzeichnet – und manchmal erhalte er von Besuchern die Rückmeldung, Peter schulde ihnen ebenfalls Geld. Zudem habe er nie einen direkten Link auf die Firmen-Website gesetzt.
Das Internet-Archiv «Wayback Machine», dessen Auszüge der «Nordwestschweiz» vorliegen, und Peters Rechtsanwalt erzählen das Gegenteil. Der Anwalt bringt klar zum Ausdruck, wie viel er von den Argumenten der Gegenseite hält: Urs habe es sogar versäumt, alle Spuren seines Verhaltens zu verwischen. «Die Verlinkung ist nachgewiesen. Alle anderen Behauptungen sind absurd.»
Warten nicht gleich Einwilligen
Indem Urs schreibe, er sei selber nie in Konflikt mit dem Gesetz gekommen, suggeriere er, dass dies bei Peter der Fall sei – was aber nachweislich falsch sei und deshalb persönlichkeitsverletzend. Lange Zeit hätten Peter Geld und Energie gefehlt, dagegen vorzugehen. Doch dieses Zuwarten sei «längst keine Einwilligung». In letzer Zeit, sagt Peter, sei der Eintrag «zu mehr geworden als nur einer Lästigkeit»: Immer wieder seien er und seine Partnerin, die das Unternehmen inzwischen führt, von Kunden und Lieferanten auf den «Zeugenaufruf» angesprochen worden. Das wirke sich geschäftsschädigend aus. Urs müsse die Page per sofort löschen.
Urs hingegen bleibt dabei: Peter schulde ihm Geld. Er habe das Recht, andere davor zu warnen, mit Peter Geschäftsbeziehungen einzugehen. Dann ziehen sich die Parteien zurück zur Vergleichsverhandlung, die nicht öffentlich ist. Hinter verschlossener Tür einigen sie sich. Urs muss den Eintrag per sofort löschen. Und über die weiteren Modalitäten wird Stillschweigen vereinbart. (Mario Fuchs/AZ)