
So will der Zofinger FDP-Grossrat Tobias Hottiger mehr Hausärzte aufs Land bringen
Vor zwei Wochen haben vier Grossratsmitglieder einen Vorstoss eingereicht, der es Ärzten künftig erlauben soll, selber Medikamente zu verkaufen. Mit diesem finanziellen Anreiz soll es attraktiver werden, im Aargau eine Hausarztpraxis zu eröffnen – zumal die sogenannte Selbstdispensation, also die Abgabe von Arzneimitteln, in allen Nachbarkantonen erlaubt ist.
Auslöser für die Motion, die GLP-Grossrat Hanspeter Budmiger als Sprecher vertritt, ist der Hausärztemangel in ländlichen Regionen des Kantons. Dasselbe stellt auch Tobias Hottiger, Arzt und FDP-Grossrat aus Zofingen, in seinem neuen Vorstoss fest. Mit den Gesundheitspolitikern Andre Rotzetter (Die Mitte) und Clemens Hochreuter (SVP) stellt Hottiger dem Regierungsrat diverse Fragen zu dieser Problematik.
Die drei Grossräte verweisen auf den Gesundheitsversorgungsbericht 2020 des Kantons und eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit, die beide klar belegen, dass die Ärztedichte in ländlich geprägten Bezirken niedrig ist. Hottiger hat sich die Förderung der Hausarzt-Medizin auf die Fahnen geschrieben und sagt:
«Hausärzte werden heute zum Teil belächelt und unterschätzt, dabei sind sie ein sehr wichtiges Element in unserem Gesundheitssystem. Wenn ein Patient direkt in den Spital-Notfall geht, kostet das viel mehr, als wenn er sich zuerst beim Hausarzt meldet.»
Allerdings gebe es aus seiner Sicht nicht den einzig richtigen Königsweg, man müsse an mehreren Punkten ansetzen, um die Situation zu verbessern. Hottiger sieht in der ärztlichen Grundversorgung ein strukturelles Problem und weist darauf hin, dass es laut Verfassung die Aufgabe des Kantons ist, Voraussetzungen für eine angemessene medizinische Versorgung der Bevölkerung zu schaffen.
Hottiger: Kanton muss mehr tun, um Problem des Ärztemangels zu lösen
«Derzeit ist für mich noch nicht klar, welche Massnahmen den besten Effekt haben, um dem Hausärztemangel zu begegnen», sagt der freisinnige Arzt. Hottiger betont: «Es gibt zwar Ansätze und Absichtserklärungen zur Förderung der Hausarztmedizin, aber der Kanton Aargau muss aus meiner Sicht noch mehr tun als in der Vergangenheit, um dieses Problem zu lösen.»

Tobias Hottiger (FDP) ist selber Arzt, arbeitet heute aber nicht mehr klinisch, sondern als Wissenschaftsjournalist.
Er habe seinen Vorstoss unabhängig von der Motion für die Medikamentabgade durch Ärzte ausgearbeitet und wolle vom Regierungsrat primär mehr Daten, um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu erhalten, sagt Hottiger. «Bisher wurde zum Beispiel nur die Ärztedichte in den Bezirken erfasst, mich würde aber auch interessieren, wie das Verhältnis von Einzel- zu Gruppenpraxen ist, weil sich diese Modelle in Bezug auf die Arbeitspensen der Ärzte unterscheiden», sagt er.
Hottiger sieht Gruppenpraxen als ein Element, um dem Hausärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken. Diese böten im Vergleich zu Einzelpraxen einige Vorteile in Bezug auf das Investitionsrisiko, die Flexibilität der Anstellungsbedingungen und die unternehmerische Verantwortung, heisst es im Vorstoss. «Ich möchte deshalb wissen, ob sich der Regierungsrat eine Förderung von Gruppenpraxen vorstellen kann», sagt der Gesundheitspolitiker.
Höhere Tarife für Hausärzte, tiefere Ansätze für Spezialisten?
Daneben könnte auch eine Anpassung des Ärztetarifs Tarmed den Hausarztberuf attraktiver machen, findet der FPD-Grossrat. Die sogenannten Taxpunktwerte, also der Ansatz für eine medizinische Leistung, werden zwischen Krankenkassen und Ärzteverband auf kantonaler Ebene verhandelt. Der Regierungsrat setzt den Taxpunktwert selber fest, wenn die Verhandlungen dieser Tarifpartner zu keinem Ergebnis geführt haben. Hottiger sagt:
«Es ist eine Tatsache, dass Allgemeinmediziner deutlich weniger verdienen als die meisten Spezialisten. Ich weiss von mehreren Berufskollegen, dass dies bei der Entscheidung, in welchem Fachgebiet ein Arzt tätig wird, natürlich eine Rolle spielt».
Hottiger will in seinem Vorstoss nun wissen, ob es für die Regierung eine rechtliche Grundlage gibt, «um den Taxpunktwert zwischen Grundversorgern und Spezialisten zum Beispiel im Rahmen eines Pilotprojektes differenziert ausgestalten?» Was kompliziert klingt, lässt sich einfach zusammenfassen: Hat die Regierung eine Möglichkeit, den Ansatz für Hausärzte zu erhöhen und jenen für Fachärzte zu senken?
Unabhängig von dieser Frage hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Festlegung des Taxpunktwerts für medizinische Leistungen eine Knacknuss sein kann. So kassierte der Regierungsrat zum Beispiel 2016 einen Rüffel vom Bundesverwaltungsgericht: Er wollte den Wert von 89 auf 91 Rappen erhöhen. Damit wäre der Kanton den Ärzten etwas entgegengekommen, die Krankenversicherung bekämpften die Erhöhung aber und erhielten in letzter Instanz schliesslich recht.
Was verdient ein Hausarzt? Studien gehen von knapp 160’000 Franken aus
Doch was verdient ein Hausarzt eigentlich? Laut einem Artikel der Schweizerischen Ärztezeitung lag das durchschnittliche Betriebsergebnis einer Einzelpraxis im Jahr 2015 bei 155’000 Franken. In den letzten Jahren zeigten zwei umfassende Studien, dass die Lohnunterschiede bei den Ärzten beträchtlich sind.
Gemäss einer Analyse des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie aus dem Jahr 2017 liegt der Stundenlohn für Allgemeinmediziner im Schnitt bei 64 Franken, jener für Spezialisten hingegen bei 79 Franken. Auf das Jahr ergab sich bei der Untersuchung im Auftrag der Ärzteverbindung FMH, dass ein Hausarzt 158’000 Franken verdiente, ein Spezialist hingegen 192’000 Franken,
Eine Untersuchung des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit ergab vor drei Jahren höhere Einkommen, aber auch markantere Unterschiede. Laut der Studie verdienten selbständige Ärzte in der Grundversorgung pro Jahr im Schnitt 237’000 Franken. Fachmediziner ohne chirurgische Tätigkeit kamen gemäss dieser Analyse auf rund 330’000 Franken, Spezialisten mit chirurgischer Tätigkeit gar auf 438’000.