Auf den Spuren der Hugenotten im Aargau: Themenpfad feierlich eröffnet

Seit Menschengedenken ist unsere Geschichte geprägt durch die Flucht. Während heute vor allem Kriege, Armut, Hunger und fehlende Lebensperspektiven begründen, warum Menschen ihre Heimat ins Ungewisse verlassen, war es in der Vergangenheit vermehrt die Unterdrückung religiöser Minderheiten.

Im 16. Jahrhundert prägte insbesondere die Fluchtbewegung der Hugenotten die Geschichte Europas. Jahrzehntelang waren die französischen Protestanten den Drangsalen und Verfolgungen durch die Katholiken ausgesetzt. Als König Ludwig XIV. im Jahr 1685 die Ausübung des protestantischen Glaubens gar untersagte, flüchteten rund 250’000 Menschen in andere Länder – gut 20’000 von ihnen in die Schweiz.

19 Infotafeln auf 89 Kilometern in 5 Etappen

So liessen sich zu dieser Zeit auch in Aarau rund 200 Hugenottenfamilien für einige Jahre nieder und prägten die Stadt, etwa mit ihrem Know-How im Handwerk. Zum Gedenken an jene Hugenottengemeinde wurde am Samstagvormittag am Haus zur Zinne bei der Stadtkirche eine Tafel enthüllt. Gleichzeitig durfte die Eröffnung des Aargauer Teils des internationalen Hugenottenwegs von Murgenthal bis Bergdietikon gefeiert werden.

Der insgesamt 89 Kilometer lange Weg kann in fünf Etappen begangen werden und folgt auf 19 Infotafeln den Spuren der Hugenotten und Waldenser, einer ebenfalls vertriebenen protestantischen Kirche. «Der Aargauer Abschnitt hat die europäische Kulturroute einige Kilometer vorwärts gebracht», freute sich Doris Brodbeck, Präsidentin des Vereins Hugenotten- und Waldenserweg Aargau-Zürich-Schaffhausen, bei ihrer Ansprache in der Stadtkirche. Sie meinte aber auch: «Die Arbeit ist damit nicht beendet, eigentlich stehen wir erst am Anfang.» Brodbeck bedankte sich bei den zahlreichen Helfern, die in den vergangenen Monaten etwa Wege und Rastplätze erkundeten und diese dokumentierten.

Auch der Aarauer Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker richtete einige Grussworte an den Verein und die Besucher der Eröffnungsfeier. Er regte dazu an, den neuen Themenweg dazu zu nutzen, über aktuelle Migrationsbewegungen nachzudenken. «Auf dunkle Geschichte kann etwas Positives folgen», erklärte Hilfiker treffend. Doch das dies gelinge, brauche es eine offene Gesellschaft.

Geschichte der Hugenotten ist noch nicht geschrieben

Stadtarchivar Raoul Richner beleuchtete anschliessend in seinem Referat über die Aarauer Hugenottenkolonie, wie die Schweiz angesichts des dazumals gewaltigen Flüchtlingsstroms in den Krisenmodus schaltete und brach die Tragödie ganz auf den Aargau und die Stadt Aarau herunter.

Weil die Berner Exulantenkammer, quasi die «Task Force» in der damaligen Migrationskrise, immer wieder statistische Angaben aus den einzelnen Gebieten anforderte, sei man heute über die Aarauer Hugenotten sehr gut informiert, so Richner. Man wisse etwa, dass über 90 Prozent dieser Leute einen gewerblichen Hintergrund hatte. Darunter Kaufleute, Seidenarbeiter, Hutmacher und Strumpfweber. Dies ganz im Gegensatz zur Aarauer Bevölkerung, die damals ihr Geld hautpsächlich in der Landwirtschaft verdienten.

Ab 1694 verkleinerte sich die Aarauer Kolonie zusehends, wie Richner erklärte. Die Hugenotten zogen – angetrieben von Privilegien wie Steuerfreiheit, wirtschaftlicher Subventionen und dauerhafter Niederlassung – weiter ins heutige Deutschland. Eine dauerhafte Hinterlassenschaft der Hugenotten auszumachen sei schwierig, schloss der Stadtarchivar. Doch die Geschichte der Aarauer Kolonie sei noch nicht geschrieben, viele Quellen lägen im Dunkeln. Richner dazu: «Das hätte meiner Ansicht nach das Potential, wesentlich mehr Licht in diese spannende Epoche der Aarauer Geschichte zu bringen.»