Die Aargauer Bauern atmen auf – doch die nächsten Agrar-Initiativen sind schon in der Pipeline

Am Mittag trudeln die Gäste in der Bäsewirtschaft Roos in Seengen ein. Der Bauernverband Aargau (BVA) hat zum gemeinsamen Verfolgen der Abstimmungsresultate eingeladen. Ob es ein Fest sein wird, ist noch nicht klar, aber es gehe ihm gut, sagt BVA-Präsident Christoph Hagenbuch. «Ich bin unter guten Leuten, das Wetter stimmt und ich habe ein Glas in der Hand. Was sonst noch kommt, sehen wir dann.» Zu diesem Zeitpunkt sind im Aargau erst die Resultate aus der Gemeinde Bettwil bekannt – es sind zwei Nein zu den Agrarinitiativen.

Den Bauern geht es bei diesen um viel, der Abstimmungskampf war heftig. Doch in Seengen ist von Nervosität nichts zu spüren. Nach dem Apéro gibt es Mittagessen. Das Abstimmungsstudio des Fernsehens SRF läuft auf der Leinwand. Wie beim EM-Public-Viewing.

Vertrauensbeweis für die Landwirte

Anders als bei einem Fussballspiel bleibt die Stimmung aber ruhig. Zu Grillade und Salatbuffet gibt es die Resultate. Die rund 30 Anwesenden hören den Einschätzungen des obersten Schweizer Bauern, Markus Ritter, im Fernsehen zu, sie kommentieren die Resultate aber kaum. Es ist bald klar, in welche Richtung diese gehen. Am Schluss werden 61,76 Prozent der Aargauer Stimmenden Nein zur Trinkwasser-Initiative sagen. Etwas mehr, 62,77 Prozent, lehnen die Pestizid-Initiative ab.

Ralf Bucher, der BVA-Geschäftsführer, animiert die Bauern zu einem kurzen Jubel für die Kameras, als der Aargau ausgezählt ist. Obwohl sie es nicht speziell zeigen, erleichtert sind die Aargauer Landwirte ob der klaren Resultate allemal. «Ich bin dankbar für das Ergebnis», sagt Christoph Hagenbuch. Er wertet die deutliche Ablehnung als Vertrauensbeweis in die Landwirtschaft und schiebt gleich nach: «Das verstehe ich als Auftrag.» Die Landwirtschaft müsse jetzt das Bewusstsein für die Arbeit der Bauern und für die nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Bevölkerung stärken. «Es sind die Konsumenten, die mit ihren Kaufentscheiden bestimmen, was produziert wird. Ihr Verhalten kann die Landwirtschaft verändern», sagt Hagenbuch.

«Der Druck auf die Landwirtschaft bleibt hoch», meint auch Colette Basler, BVA-Vizepräsidentin und SP-Co-Fraktionspräsidentin im Grossen Rat. Bereits sind die nächsten Agrarvorlagen – die Massentierhaltung- und die Biodiversität-Initiative – in der Pipeline. «Wir müssen gemeinsam die Zukunft gestalten, auch mit den Umweltverbänden zusammen», so Basler. Bei den jetzigen Vorlagen seien die Gräben tief gewesen, «das verunmöglicht den Dialog». Insgesamt sind sich die Bauern einig: Es wird Veränderungen in der Landwirtschaft geben. Dass sie nicht mit den Agrarinitiativen erzwungen werden, darüber sind sie froh.

Abteilung Landwirtschaft in der Pflicht

Gertrud Häseli, Biobäuerin aus Wittnau und Grünen-Grossrätin, hat sich für die Initiativen ausgesprochen. Am Fest in Seengen ist sie nicht dabei, sie kommentiert das Ergebnis auf Anfrage: «Das ist eine Klatsche.» Ein wichtiger Hebel für die klaren Nein sei die Angst vor höheren Lebensmittelpreisen gewesen, mutmasst Häseli, «alle vernünftigen Argumente gingen dabei unter». Die Gegenkampagne sei massiv gewesen, das Vertrauen in die Bauern offenbar tatsächlich da. Die Vorlagen hätten aber auch stellenweise ein Umdenken bewirkt. «Bäuerinnen und Bauern haben sich Gedanken gemacht. Ich weiss von mindestens einem, der jetzt auf Bioproduktion umstellt», sagt Häseli. Für eine ökologischere Produktion im Aargau sieht sie aber auch die Verwaltung in der Verantwortung, konkret die Abteilung Landwirtschaft: «Landwirtschaft Aargau steht jetzt in der Pflicht», sagt die Bäuerin. Schliesslich wolle der Aargau auch seine Klimastrategie weiterverfolgen und die Ziele erreichen.

Die nur knapp 40 Prozent Zustimmung enttäuschen auch das liberale Komitee für die Trinkwasser-Initiative. «Ich hätte es mir knapper erhofft», sagt GLP-Grossrat Gian von Planta. Es sei nicht gelungen, die liberalen Stimmen zu holen. Angesichts der Riesenmobilisierung der Gegenseite keine Überraschung, so von Planta: «Das war beeindruckend.»