
«Das ist kein Ferienlager»: Auf dieser Ranch finden Gäste ein Cowboy-Erlebnis – und vielleicht die Lösung ihrer Probleme
Am Wallbach 8 herrscht Aufbruchstimmung. Dem grossen Mehrfamilienhaus und dem angrenzenden Schopf sieht man erste Bauarbeiten an. Auch der Zaun, der die Koppel der beiden Pferde – die angesichts der Neuankömmlinge interessiert herüberlinsen – eingrenzt, bekommt gerade ein neues Design.
Oliver Ecknauer, ein Mann mit hagerer Gestalt und tiefen Augenringen, erklärt:
«Die Fassade wird schlussendlich wie eine Westernstadt aussehen.»
Aber nicht nur das: Auf dem 1930 m2 grossen Schinznacher Gelände soll eine ganze Ranch im alten Stil entstehen, auf der Menschen zukünftig «eine Auszeit geniessen können».
Die Idee für das Projekt kam Ecknauer bereits 2017. Nach über 25 Jahren bei der Creabeton Baustoff AG wurde der ausgebildete Konstrukteur arbeitslos. Auch seine Ehe ging auseinander: Das ehemalige Elternhaus von Ecknauer am Wallbach 8, das das Paar mit den beiden Kindern bewohnt hatte, stand nach zwei Jahrzehnten leer.

Am Zaun soll die Fassade einer Westernstadt entstehen.
Als dann eine Kollegin den Schinznacher auf den Reitplatz einlud, schnupperte er erstmals Cowboy-Luft. Er lernte reiten und nahm an Wettbewerben teil. Und: Die Idee für die «O’Gold-Nugget-Ranch» entstand.
Mit Gesprächen am Feuer sollen Lösungen gefunden werden
Für die Ranch rund um das über 100-jährige Haus hat der ehemalige Gemeinderatskandidat klare Vorstellungen. In Eigenregie sollen zwei bis drei Planwagen entstehen, die Einzelpersonen über einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu einer ganzen Saison mieten können. Zusätzlich plant Oliver Ecknauer ein Baumhaus für Gäste, die zu zweit sind und nur ein Wochenende verreisen.
Eine Kochstelle werde als eine Art «Gemeinschaftsküche» fungieren. «Es wird nicht zu viel Luxus geben», fügt Ecknauer an. Denn das eigentliche Ziel des Ranchangebots sei, dass die Leute sich vom Stress zurückziehen und Lösungen für persönliche Probleme finden können. Der 57-Jährige erklärt:
«Menschen in Krisensituationen – wie etwa während einer Scheidung – sollen hier runterfahren können.»
Er wolle den Gästen zur Seite stehen und Beratung anbieten. Gleichzeitig stellt Ecknauer klar: «Es ist kein Ferienlager, man kommt nicht her, um zu konsumieren. Ich will mit den Leuten leben und arbeiten.» Er könne sich darum auch vorstellen, dass Besucherinnen und Besucher ihn bei den Umbauarbeiten auf der Ranch unterstützen.
Neben Gesprächen am Feuer sind auch sogenannte Mensch-Tier-Begegnungen geplant. Dafür sollen – ganz im Cowboystil – Pferde zum Einsatz kommen. «Die Leute lernen mit den Pferden umzugehen und Respekt vor dem Tier zu haben», erklärt Ecknauer. Reiten selbst, sei nur ein kleiner Teil des Angebots.
Sechsmal nahm Ecknauer an der IDO-Weltmeisterschaft im Discofox teil
Ein bisschen Ferienfeeling gibt es auf der «O’Gold-Nugget-Ranch» aber trotzdem. Ecknauer verweist auf die diversen Aktivitätsmöglichkeiten. In Schinznach am Fusse des Schenkenbergertals habe man Wanderwege und Velotouren direkt vor der Tür. «Raum für Bewegung» will Ecknauer auch in anderer Form bieten. Er ist nämlich nicht nur Konstrukteur, sondern ebenso internationaler Turniertänzer.

Schinznach bietet viele Wander- und Velowege.
Der Sport begleitet ihn schon lange. «Ich bin ein Bewegungsmensch», sagt der gebürtige Herznacher. Beim ersten Kurs im Teenageralter funkte es zwar noch nicht. Erst 2000 – als er schon über 28 Jahre Fussball gespielt hatte – stieg Oliver Ecknauer richtig ein. Seine Frau habe damals «gestürmt», dass er mit ihr einen Tanzkurs besucht. In der Tanzfabrik Niederlenz nahmen sie die ersten Stunden.
Dies sei nicht immer so einfach gewesen:
«Im Gegensatz zum Fussballer muss man als Tänzer von der Haarspitze bis zu den Füssen alles geben.»
Währenddem bei seiner Frau die Begeisterung mit der Zeit abflaute, spezialisierte sich Ecknauer immer mehr auf die Stile Discofox und Latein. Mit verschiedenen Partnerinnen nahm er an nationalen und internationalen Meisterschaften teil, sechsmal sogar an der IDO-Weltmeisterschaft im Discofox. Seine letzte Auszeichnung erhielt Ecknauer Anfang Oktober 2021 bei einem Latein-Turnier in Zürich. Nebenbei führte er auf Vereinsbasis den eigenen Tanzclub Moonlight, ebenfalls am Wallbach.
«Ich bin ein Campingkind»
Seit einem Dreivierteljahr lebt Oliver Ecknauer in einem Wohnwagen direkt auf dem Gelände der zukünftigen Ranch. Auf die Frage, wie er den Alltag auf vier Rädern fände, sagt der 57-Jährige mit einem Lachen: «Ich bin ein Campingkind.» Mit den Eltern und den zwei Brüdern reiste er regelmässig mit einem Klappanhänger ins Tessin.

Seit neun Monaten lebt Oliver Ecknauer im Wohnwagen.
Seinen Lebensunterhalt finanziert der Schinznacher momentan durch die Verpachtung von Land und die Vermietung der 6,5-Zimmer-Wohnung im oberen Stock seines Elternhauses. Weil diese bald frei wird, sucht Ecknauer einen Nachmieter. Als grossen Vorteil nennt er:
«Man kann auch seine Pferde mitbringen, eine Koppel und Stallungen sind vorhanden.»
Zwingend seien eigene Tiere aber nicht.
Bis zur Eröffnung der «O’Gold-Nugget-Ranch» wird es noch dauern. Jetzt muss Ecknauer erst einmal den «Winter überleben». Währenddessen will er den alten Schopf in Werkstatt und Büro für sich verwandeln. Zudem hofft er, Sponsoren für sein Projekt zu finden. Im Frühling sollen dann die ersten Planwagen gebaut werden. Sobald die stehen, ist die Ranch auch für Gäste geöffnet.