Eben noch Sozialhilfe-Spitzenreiter – jetzt will Spreitenbach den Steuerfuss schon wieder senken

Wettingen und Baden ziehen wegen wachsenden Schuldenbergen höhere Steuern in Betracht – ganz anders verhält es sich ausgerechnet in Spreitenbach. Ausgerechnet, weil die Gemeinde noch vor wenigen Jahren bei der Sozialhilfequote im Aargau regelmässig einen Spitzenplatz belegte. Erst im Jahr 2017 gab Spreitenbach den Spitzenplatz ab. Und nun will der Gemeinderat des 12’000-Einwohner-Dorfs bereits zum zweiten Mal in Folge den Steuerfuss senken. Liegt er dieses Jahr drei Prozent tiefer als im Vorjahr, soll er ab 2022 um weitere fünf auf 100 Prozent fallen.

 
Roger Mohr (SVP) ist Finanzvorsteher in Spreitenbach.

Roger Mohr (SVP) ist Finanzvorsteher in Spreitenbach.

Zvg

Diesen Schritt könne die Gemeinde aus zwei Gründen wagen, wie der Gemeinderat in der Budgetvorlage 2022 schreibt: Höhere Steuererträge und der Betrag von rund fünf Millionen Franken aus dem kantonalen Finanzausgleich. Finanzvorsteher Roger Mohr (SVP) konkretisiert: «Wir rechnen 2022 wiederum mit weniger Sozialhilfe- und Asylkosten und zehren nach wie vor von einer schlanken Verwaltung.»

Die Gemeinde budgetiert für 2022 nicht mehr so zurückhaltend wie noch in den zwei letzten Voranschlägen. Das hat seinen Grund: Statt den für 2020 erwarteten Überschuss von 139’000 Franken konnte die Gemeinde in der Rechnung 2020 einen stattlichen Betrag von 7,3 Millionen Franken verbuchen. Dies, weil mehr Steuereinnahmen generiert werden konnten und die Einsparung von 2,9 Millionen Franken bei der Sozialhilfe einschenkte.

Für das nächste Jahr rechnet Spreitenbach mit einem Ertragsüberschuss von 1,43 Millionen Franken. Mögliche Auswirkungen der Coronapandemie sind im Budget 2022 nicht explizit miteingerechnet: «Corona ist immer noch ein Fragezeichen, das alle Gemeinden haben», so Mohr. Auch grössere Investitionen wie zum Beispiel der Gemeindehaus-Neubau (13 Millionen Franken) im neuen Jahr seien kein Grund, auf eine Steuerfussreduzierung zu verzichten:

«Die Bevölkerung erwartet bei einem solchen Resultat, dass sich das auf den Steuerfuss auswirkt.»

Ein um fünf Prozent tieferer Steuerfuss mache für die Gemeinde einen Fehlbetrag von 600’000 Franken aus. «Mit dem budgetierten Überschuss können wir das gut in Kauf nehmen», sagt Mohr.

Auch die Schuldenlast sei in Spreitenbach nicht gravierend und in den letzten Jahren stets gesunken: In der Rechnung 2020 wurde die Nettoschuld mit etwas über acht Millionen Franken beziffert, für 2022 sind 7,8 Millionen Franken budgetiert.

Der Betrag aus dem Finanzausgleich hilft

Dabei hilft der Gemeinde auch der jährliche Beitrag aus dem Topf des Finanzausgleichs. Während Baden dieses Jahr mit rund elf Millionen Franken kantonsweit am meisten bezahlt, ist Spreitenbach mit 5,5 Millionen Franken der grösste Profiteur. Nächstes Jahr wird der Betrag mit fünf Millionen etwas tiefer ausfallen. Damit löst 2022 die Gemeinde Reinach Spreitenbach an der Spitze der Finanzausgleich-Bezüger ab.

Dass mehrere gute Rechnungsabschlüsse die Höhe des Betrags, den Spreitenbach kassiert, reduzieren werden, das ist dem Gemeinderat bewusst: «Aber das liegt nicht in unserer Kompetenz», erklärt Mohr.

Für das laufende Jahr rechnete Spreitenbach mit einem Defizit von 101’000 Franken. Zeichnet sich bereits ab, dass die diesjährige Rechnung einiges besser ausfällt als erwartet? Dazu will sich Mohr noch nicht äussern. Über das Budget 2022 mit dem Steuerfuss von 100 Prozent wird die Gemeindeversammlung am 23. November befinden.