Nur in drei Kantonen ist der Bioanteil geringer als im Aargau: Die Grünen wollen das ändern – der Bauernverband winkt ab

Schweizweit sind laut der führenden Bio-Organisation Bio Suisse 16,1 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe Bio-Betriebe. Das entspricht 7122 Landwirtschaftsbetrieben, die im Jahr 2020 nach den Richtlinien von Bio Suisse produzierten. Für das Jahr 2021 haben sich 243 neu angemeldet.

Im Aargau verläuft die Entwicklung unterdurchschnittlich. 11,2 Prozent der hiesigen Landwirtschaftsbetriebe produzierten 2020 nach den Bio Suisse-Richtlinien, sechs haben sich per 2021 neu angemeldet. Zum Vergleich: Im Kanton Graubünden sind 58,9 Prozent der Betriebe lizensiert, in Solothurn immerhin noch 13,6. Nur in den Kantonen Freiburg, Schaffhausen und Appenzell Innerrhoden ist der Bioanteil geringer als im Aargau. Und dies, obwohl fast die Hälfte der Aargauer Kantonsfläche landwirtschaftlich genutzt wird und der Aargau insgesamt der viertgrösste Agrarkanton ist.

Das verlaufe nicht nur gegen den Trend in der Landwirtschaft, sondern entspreche auch nicht der Nachfrage, sagt Grossrat Robert Obrist. Die Coronapandemie habe diese sogar noch verstärkt, der Ruf nach biologischen, regional produzierten Lebensmitteln werde lauter. «Der Markt wächst, es sollte dem Kanton ein Anliegen sein, hier schritthalten zu können», so der Grünen-Fraktionspräsident. Doch die Aargauer Landwirtschaft verliere im Biomarkt Anteile, insbesondere beim Getreidebau, aber auch bei weiteren Produkten aus dem Ackerbau.

Migros und Coop setzen auf pestizidfreies Getreide

Druck auf die Produzenten kommt auch vom Detailhandel. Die Migros hat sich verpflichtet, bis 2023 sämtliches Brotgetreide aus «pestizidfreiem Anbau» zu beziehen. Coop wird für sein Brotsortiment bis 2027 ausschliesslich inländische Getreide einsetzen – und zwar solche, die gemäss den Richtlinien von Bio Suisse angebaut worden sind. Auch die Märkte für Obst, Gemüse und Beeren aus biologischer Produktion wachsen stark. «Der Markt sendet Signale aus», so Obrist.

Er hat im Grossen Rat eine Interpellation eingereicht, mit Fragen zu den Anstrengungen des Kantons. Es pressiert ihm: Bereits ab nächstem Jahr soll ein entsprechender Aktionsplan vorliegen und umgesetzt werden. «Der Kanton soll Gas geben, mit dem richtigen Willen, ist es möglich», so Obrist.

Bio-Aktionsplan besteht bereits

Untätig ist der Kanton indes bisher nicht. Mit dem «Bio-Aktionsplan Aargau» des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL) und des Landwirtschaftlichen Zentrums Liebegg des Kantons soll die Biobranche gefördert werden.

«Der Aktionsplan hat viel vorgespurt», sagt denn auch Robert Obrist. Bis im vergangenen Sommer war der ETH-Agronom selber beim FiBL als Leiter für die Beratung, Bildung und Kommunikation tätig. Er vermisse aber, dass Kanton, Bauernverband und die Aargauer Biobetriebe zusammenspannen um den Markt zu beackern. «Die Aargauer Biobauern sind innovativ, von Kanton und Verband kommt aber bisher zu wenig», stellt Obrist klar. Das sei etwa im Kanton Bern anders, «dort ziehen alle an einem Strick».

Bauernverbandspräsident winkt ab

Anders sieht das der Präsident des Aargauer Bauernverbands, Christoph Hagenbuch. Der Kanton mache genug für die Förderung von Biobetrieben, sagte er im Juni gegenüber dieser Zeitung. Die Vorgaben des Bundes würden gut umgesetzt, Spielraum gebe es dabei wenig. Dass der Aargau als Landwirtschaftskanton bei der biologischen Produktion hinterherhinkt, erklärte der oberste Bauer mit den Spezialitäten der hiesigen Landwirtschaft: Während im Bio-Kanton Graubünden topografie-bedingt viel Milchwirtschaft betrieben wird, sind es im Aargau vor allem Ackerbau mit Spezialkulturen bei Obst, Beeren, Wein und Gemüse. Diese nach Biorichtlinien anzubauen sei schwer bis unmöglich.

Es müssten nicht alle Betriebe komplett auf Bio umstellen, meint Robert Obrist. «Auch wenn nur teilweise auf Pestizide verzichtet und etwa nach IP-Suisse-Standards produziert wird, ist schon viel erreicht.»

Kanton soll nicht regulieren, aber Bedingungen verbessern

Es ist erst vier Monate her, dass die beiden Agrarinitiativen, welche eine pestizidfreie Landwirtschaft verlangten, verworfen worden sind. Im Aargau haben sich fast 62 Prozent gegen die Trinkwasserinitiative gestellt, noch deutlicher, mit knapp 63 Prozent, war das Nein aus dem Aargau zur Pestizidinitiative. Für Obrist kein Grund, jetzt nicht doch Druck aufzusetzen. «Ich als Aargauer will weiterhin Aargauer Bioprodukte konsumieren. Dafür müssen sie aber auch hier produziert werden», sagt er. Dass die Initiativen abgelehnt worden sind, ändere nichts daran, dass die Nachfrage nach biologisch produzierten Lebensmittel steigt. Obrist sagt: «Ich verlange nicht, dass der Staat die Landwirtschaft noch mehr reguliert, aber er soll die Rahmenbedingungen setzen, damit sie wettbewerbsfähig bleibt.»

Insbesondere auf die Ausbildung und die Beratung der Landwirtschaftsbetriebe müsse der Fokus des Kantons gelegt werden. Und bedeute die Anpassung an den Markt, dass weniger Pestizide zum Einsatz kommen, sei das sowieso nur gut.