AAA-HELI/REGA: Rettungsheli hob im Aargau so oft ab wie noch nie – das löst Kritik aus

Die Alpine Air Ambulance (AAA) mit dem im Birrfeld stationierten Rettungshelikopter «Lions 1» leistete 2017 im Aargau insgesamt 181 Primär-, also Rettungseinsätze. Was ist mit der Rettungsflugwacht (Rega), die vor dem Auftreten der AAA allein im Aargau Einsätze flog?

Sie kam laut Departement Gesundheit und Soziales (DGS) letztes Jahr auf 41 Primäreinsätze. Zusammen rückten die beiden Organisationen im Aargau 222 mal aus. Ein neuer Rekord. Es sind mehr als viermal so viele Luftrettungen wie 2005, als die Rega im Aargau 53 mal aufgeboten wurde (siehe Tabelle).

Wie ist das zu erklären? Wird der Heli heute einfach aufgeboten, weil einer im Birrfeld steht, und rasch vor Ort ist? Kantonsarzt Martin Roth verneint: «Gemäss unserer Beurteilung wird der Helikopter nicht zu häufig oder bei Bagatellen angefordert. Wir haben die Einsatzindikationen vor einiger Zeit auch konkret überprüft und festgestellt, dass die Aufgebote nach Notarzt-Indikationsliste erfolgten.»

Da der Aargau über kein bodengebundenes Notarztsystem verfügt, werde natürlich bei Bedarf nach einem Notarzt der Helikopter aufgeboten. Kantonsarzt Roth betrachtet die jetzige Einsatzhäufigkeit teilweise auch als «Angleichung an die Verhältnisse in anderen Kantonen, «denn die Zahlen der Heli-Einsätze vor 2014 waren vergleichsweise sehr gering». Dass dem so ist, zeigt unsere Tabelle.

Kanton: System bewährt sich
«Aus meiner Sicht müssen die Heli-Einsätze immer in Bezug zu bodengebundenen Einsätzen betrachtet werden. Dann zeigt sich, dass Heli-Rettungen einen verschwindend kleinen Anteil am Gesamtvolumen ausmachen, wobei der Fokus gerade auch in der Politik immer wieder auf die Luftrettung gerichtet ist,» sagt Roth weiter. Er erklärt sich dies damit, dass der Heli eben immer noch Emotionen wecke und offensichtlich ausreichend Anlass für Gesprächsstoff gebe. Roths Fazit: «Aus unserer Sicht hat sich das heutige System mit AAA und Rega gut eingespielt, und es bewährt sich.»

Der Brugger SP-Grossrat Martin Brügger hat gemeinsam mit Grossräten anderer Parteien in den vergangenen Jahren zum Thema Helikopterrettung schon zwei Vorstösse eingereicht. Brügger sieht mehrere Gründe, die zu dieser massiven Zunahme geführt haben könnten:

Wie andere medizinische Angebote auch, wird die relativ neue Option des Rettungs-Helikopters genutzt, wenn sie verfügbar ist. Einsätze von Heli-Rettungen würden auf verschiedene Weise «propagiert», so durch Stories am Fernsehen oder Werbeaktivitäten von Versicherern. Die Anbieter seien interessiert, entsprechende Einsätze auch fliegen zu können. Das Investitionsgut Helikopter müsse «bewegt» werden.

Die Hemmschwelle, eine Helirettung anzufordern, sinke wohl stetig. Brügger: «Das Handy ist immer dabei und das Ordern einer Helirettung wird zur Normalität.» In den Bergen werde bei einer Tour vielfach auf Kosten von Umsicht und Vorsicht eine mögliche Helirettung einkalkuliert, glaubt Brügger. Und weiter: «Auch im Aargau mit seinem dichten Strassennetz kommt der Helikopter vermehrt zum Einsatz, obwohl die Ambulanz fast überall schnell am Unfallort sein kann.»

Ein weiterer Grund sei, dass der Aargau kein Notarztsystem hat. In diesem Zusammenhang werde der Notarzt, der im Heli mitfliegt, laut der ehemaligen Regierungsrätin Susanne Hochuli im Zweifelsfall gerne aufgeboten.

Bei Einsätzen, die der AAA-Heli nicht fliegen kann, weil er bereits andernorts disponiert wurde, führe die dann angeforderte Rega in ihrer Einsatzzentrale wohl keine zusätzliche Triage mehr durch, sondern führe den Auftrag aus.

Vergleich Heli – Rettungswagen
Die damalige Gesundheitsdirektorin Hochuli habe schon 2013 gesagt, es sei wichtig, neue Entwicklungen zu analysieren und Schlüsse zu ziehen, so Brügger. Es sei interessant herauszufinden, ob mehr Luftrettungen stattfinden, weil ein Notarzt an Bord ist. Ebenso habe Hochuli damals festgestellt, dass Verlegungen zwischen Spitälern vermehrt in der Luft stattfänden. Diese Entwicklung werde nun wachsam beobachtet.

Brügger fordert jetzt: «Es wäre Zeit, dass das Gesundheitsdepartement, wie damals versprochen, die Entwicklung kritisch anschauen würde. Auch die Versicherungen müssten an einer Analyse interessiert sein, warum Frequenzen und Kosten so dramatisch zugenommen haben.» Man müsste zudem einen Vergleich zwischen Helirettung und bodengebundenem Notarztsystem machen. Dies, um aufzeigen zu können, so Brügger, «bei welchen Einsätzen aus notfall-medizinischer Sicht eine Helirettung angezeigt und wo das HeliAufgebot eher nicht angezeigt war».

Kantonsarzt Roth verweist dazu auf seine einleitenden Ausführungen. Man habe die Indikationen überprüft: «Sie waren korrekt.» Zusätzlich werde der Anteil der Helirettungen an den gesamten Primärrettungen als Indikator im Aufgaben- und Finanzplan ausgewiesen: «Der Wert ist unterhalb der vom Grossen Rat definierten Obergrenze.»

Heftige Debatten im Jahr 2013
Seit 2013 fliegt im Aargau ein im Birrfeld stationierter Heli der AAA Rettungseinsätze. Zuvor operierte hier praktisch ausschliesslich die Rega. Der Entscheid des Kantons, den AAA-Heli ins Rettungsdispositiv einzubeziehen, warf damals in der Bevölkerung und in der Politik hohe Wellen. Auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage von Martin Brügger und anderen Grossräten antwortete die Regierung damals, Alpine Air Ambulance erfülle die vom Gesetz vorgegebenen Rahmenbedingungen. Für eine staatliche Planung der Luftrettung gebe es keine Rechtsgrundlage. Es wäre unverständlich, schrieb die Regierung damals, bei medizinischen Notfällen ein solches Angebot nicht zu nutzen, das mitten im Kanton zur Verfügung stehe. AAA sei mit Ausnahme des unteren Fricktals im Aargau schneller vor Ort als der Rega-Heli.