Corona zum Trotz: Die Aargauer Kantorei singt wieder
Für die Chöre war die lange Coronapause besonders schwer, Singen war und ist mit erhöhtem Ansteckungsrisiko verbunden. Nun wagt die Aargauer Kantorei mit Dirigent Daniel Schmid erstmals wieder ein Adventskonzert im grossen Stil: Georg Friedrich Händels «Messiah» in einer deutschen Fassung, die einst Mozart für das Wiener Publikum eingerichtet hat.
Ansonsten sind die Chöre in der Region noch sehr vorsichtig mit neuen Projekten. Im September gab der Kammerchor Aarau zwar sein erstes Nach-Corona-Konzert zum Thema «Fantasie», doch mussten dabei sogar die Sängerinnen und Sänger Masken tragen. Und der bekannte Chorleiter Michael Schraner (Kammerchor C21 / Chor der Alten Kantonsschule) will mit seinen Ensembles erst aufs Frühjahr hin wieder an Konzerte denken.
Die Aargauer Kantorei ist jedoch optimistisch, sie wagt mit dem «Messias» in der Mozart-Fassung das grosse Adventskonzert. Wie aber kam Mozart dazu, Händels Werk zu bearbeiten? Damals war es durchaus üblich, die Werke für eine Aufführung den lokalen Begebenheiten anzupassen: Man transponierte eine Solopartie für die Stimmlage des Starsängers, oder man richtete die Partitur nach den vorhandenen Musikern und Instrumenten ein.
So machte es auch Mozart als Leiter der Wiener Konzertgesellschaft der Associerten. Er schätzte die Musik Händels (1685–1759) sehr, der in London gewirkt hatte, und richtete 1789 nicht nur die Partitur des «Messiah» neu ein, sondern liess auch das englischsprachige Libretto ins Deutsche übertragen. Damit wollte er es dem Geschmack des Wiener Publikums anpassen. Dafür bestückte er etwa das Streichorchester mit neuen Bläserstimmen und bei den Arien schrieb er die Verzierungen aus, die Händel nicht notiert hatte.
Diese Mozart-Version fand schnell Verbreitung, ihr ist der Siegeszug von Händels Oratorium erst eigentlich zu verdanken. Heute aber, im historisch authentischen Zeitalter, spielt man jedoch nur noch Händels Original. Daniel Schmid reizt jedoch das Besondere, er ist begeistert von Mozarts genialem Arrangement.
Der «Messias» ist jedoch auch in dieser Form eine grosse Aufgabe für einen Chor, der so lange pausiert hat. Wie haben sich die Choristen fit gehalten? «Ich habe meine Gesangsstunden auf online umgestellt und weiterhin regelmässig Stücke eingeübt», erzählt Dorothée Rauber, Sopranistin und Präsidentin der Kantorei. «Es war überraschend, wie gut und konzentriert ich nur übers Natel an meiner Stimme arbeiten konnte.»
Kantor Daniel Schmid ist zwar erstaunt, wie gut sein Chor stimmlich beieinander ist, hat dafür aber eine plausible Erklärung: «Daniel Térez, der bei uns in der Kantorei Stimmbildung gibt, hat beim sehr erfolgreichen Onlineportal ‹Einsingen um 9› mitgemacht und konnte viele unserer Sängerinnen und Sänger dafür begeistern.»
Schmid ist bekannt dafür, dass er bei barocker Musik die schlanke Besetzung liebt. Dafür zieht er die «Chappelle Ancienne» hinzu, die auf historischen Instrumenten spielt. Diese «alten» Instrumente sind jedoch tiefer gestimmt als unsere heutigen, etwa um einen halben Ton. Was bedeutet das für den Chor? «Die tiefere Stimmung ist für den Chor kein Problem, aber natürlich muss man sie einüben», so Schmid. «Einen halben Ton tiefer zu singen, kommt den Sängerinnen und Sängern eher entgegen, es ist für sie entspannter.»