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Einwohnerrat: Grüne und Grünliberale legen zu auf Kosten der Bürgerlichen

Den Grünliberalen war die Freude gestern Nachmittag in die Gesichter geschrieben: In der «Hobo»-Bar, wo die gemeinsame Wahlfeier mit den Fraktionspartnern von Pro Aarau und EVP/EW stattfand, standen einige Kandidierende draussen bei den Stehtischen, schauten auf ihre Handys, aktualisierten immer wieder die Website der Stadt.

Als kurz vor 16 Uhr die Resultate bekannt gegeben wurden, tat sich bei allen ein grosses Lächeln auf – auch bei Philippe Kühni, der trotz Listenplatz Vier erneut nicht zu den Gewählten gehört, als Präsident der GLP Kanton Aarau aber den gesamten Wahlerfolg seiner Partei mitfeiert. «Wir haben im ganzen Kanton stark zugelegt, ich bin extrem zufrieden», sagt er. In Aarau stellen die Grünliberalen künftig fünf Sitze, drei mehr als bisher.

Die Gewählten der Grünliberalen Aarau (von links): Peter Jann, Fiona Wiedemeier, Alexander Umbricht, Cornelia Tschopp und Lea Naon.

Persönlich wurde Philippe Kühni aber von Cornelia Tschopp Depta (Listenplatz 7) und Lea Naon (5) überholt. Zu Letzterer fehlten ihm fast 300 Stimmen, ein deutlicher Abstand. Ist er nicht doch auch enttäuscht? «Wenn Wahlresultate einen zu sehr belasten, muss man nicht antreten», winkt er ab und freut sich, wie bereits in den letzten vier Jahren, auf dem ersten Ersatzplatz zu stehen.

Grüne haben ihr Wahlziel übertroffen

Ebenfalls drei Sitze dazugewonnen haben die Grünen: Bei der Feier im «Little Sem» herrschte ausgelassene Stimmung, mit dem Resultat waren alle mehr als zufrieden. «Sieben Sitze waren das Ziel, acht haben wir erreicht, wir freuen uns sehr», sagt Parteipräsidentin Monika Suter. Bisher hatten die Grünen fünf Sitze.

«Der Einwohnerrat wird nun linker und grüner, Aarau hat die Klimaagenda gewählt.»

Man könne erwarten, dass grüne Themen nun verstärkt Platz finden werden.

SP: «Schuldenbremse wird keine Chance haben»

Nicht gerade euphorisch, aber trotzdem hochzufrieden, ist die SP. Dass die Partei die beiden vor vier Jahren dazugewonnenen Sitze hat halten können, sei deren grosser Sieg. Ob das Stadtparlament künftig tatsächlich linker politisieren wird, sei jedoch nicht unbedingt klar: Er werde darauf ankommen, wie die GLP agiert, sagte die wiedergewählte SP-Einwohnerrätin Leona Klopfenstein an der Wahlfeier im Zinnensaal bei der Stadtkirche.

8 der 14 Gewählten der SP Aarau (von links): Simone Silbereisen, Alois Debrunner, Andrea Dörig, Leona Klopfenstein, Nicola Müller, Abdul Abdurahman, Nora Riss und Ursula Funk.

Was kann man von der neuen Ratszusammensetzung erwarten? «Themen wie die Schuldenbremse werden keine Chance haben, das KIFF 2.0 dürfte hingegen klarer angenommen werden.» Sie hoffe zudem auf ein Budget «wo mehr Gestaltungsmöglichkeiten möglich sind, anders als in den letzten zwei Jahren».

SVP-Präsident Burger: «Das werden vier schwierige Jahre»

Nichts zu Feiern hatte die SVP: Drei von zehn Sitzen weg, nachdem man schon 2017 einen hatte abgeben müssen, das schmerzt. Dazu noch zwei abgewählte Bisherige in den Reihen, als einzige aller Parteien; von der Schlappe für das gesamte bürgerliche Lager ganz abgesehen.

Er habe überhaupt keine Freude, sagte denn auch SVP-Parteipräsident Simon Burger (er selbst landete von Listenplatz 2 aus auf Platz 5). Und: «Das werden vier ganz schwierige Jahre.» Schon die letzten vier Jahre sei es mit 24 bürgerlichen Stimmen im 50-köpfigen Einwohnerrat nicht einfach gewesen, aber jetzt, mit 18 Stimmen, werde es so richtig hart.

Zwei der sieben Gewählten der SVP Aarau: Max Suter (links) und Urs Winzenried.

Warum es zu diesem massiven Sitzverlust gekommen ist, darüber will Burger nicht spekulieren. «Ich kann es im Moment nicht sagen. Das müssen wir erst intern analysieren.» Die Vermutung, dass der Streit zwischen Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati und Andreas Glarner die Aarauer Wähler beeinflusst hätte, teilt er nicht. «Dieser Streit wird überbewertet», sagt er. Ganz grundsätzlich sei es halt so, dass die SVP in den Städten zusehends Mühe habe. «Diese Entwicklung hat nun auch Aarau erreicht, mit gewisser zeitlicher Verzögerung.»

FDP: «Es ist uns nicht gelungen, zu überzeugen»

«Enttäuscht und besorgt», zeigt sich denn auch die zweite bürgerliche Verliererin, die FDP: «Wir haben kreative Ideen für Aaraus Entwicklung aufgezeigt, aber leider ist es uns nicht gelungen, damit die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen», so Co-Präsidentin Martina Suter. Und wie Simon Burger sagt auch Suter, dass die bürgerlichen Standpunkte nun einen schweren Stand haben werden.

Acht der neun Gewählten der FDP Aarau (von links): Christian Oehler, Stefan Zubler, Pascal Benz, Rainer Lüscher, Matthias Zinniker, Silvano Ammann, Brigitte Vogt, Martin Bahnmüller.

Die FDP werde deshalb besonders aufmerksam eine allfällige Aufblähung der Aufgaben der Verwaltung sowie die Entwicklung der Finanzen betrachten, so Suter weiter. Wer für die FDP im Einwohnerrat sitzen wird, war übrigens beim neunten und letzten Sitz kein Stimmen­entscheid: Pascal Benz (bisher, Listenplatz 4) und ­Gabriela Werder-Grunder (neu, Listenplatz 19) machten beide genau gleich viele Stimmen: 1620. In diesem Fall erhält die auf der Liste zuerstgenannte Person den Sitz: Benz.

Schliesst sich «Die Mitte» der Fraktion der FDP an?

Enttäuscht gab sich auch Lukas Häusermann (Die Mitte): Als Einwohnerrat wurde er nebst dem ebenfalls bisherigen Dieter Wicki zwar wiedergewählt, die Partei verlor aber einen Sitz und wird deshalb im Parlament keine eigene Fraktion mehr stellen können.

«Die Mitte» wird sich nun entweder der Fraktion von GLP/EVP/Pro Aarau oder der FDP anschliessen. «Das sind unsere zwei Optionen», sagt Lukas Häusermann.

Pro Aarau und EVP/EW halten ihre Sitze

Bestandswahrung herrschte derweil bei Pro Aarau und EVP/EW, die ihre drei respektive zwei Sitze behielten. «Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden, dank dem Resultat der GLP hat unsere Fraktion als ganzes wesentlich zugelegt», sagte Fabio Mazzara, Einwohnerrat für Pro Aarau.

Auch Christoph Waldmeier (EVP) freute sich über die nun stärkere Fraktion: «Wir wollen nun etwas bewegen.»

Die Gewählten von Pro Aarau (von links): Patrik Dober, Esther Beiser und Fabio Mazzara.