Aargauer Firmen forcieren betriebsinterne Impfungen, doch Kanton bremst: Zuerst kommen die Registrierten

Nach mehreren Gesprächsrunden über drei Wochen konnten die Aargauer Unternehmen den Kanton überzeugen. Die kantonale Impfkampagne werde das Impfen in Betrieben ermöglichen und arbeite zurzeit ein Konzept aus, bestätigt das Departement Gesundheit und Soziales (DGS).

Noch Anfang April zeigte sich der kantonale Impfchef Andreas Obrecht reserviert gegenüber der Initiative aus der Wirtschaft: Es sei derzeit nicht vorgesehen, dass Impfstoff an Unternehmen abgegeben werde, sagte er nur wenige Tage, nachdem die Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK) ihr Impf-Angebot gemacht hatte.

Hans-Jörg Bertschi dagegen ist überzeugt: «Dieses niederschwellige Angebot führt zu einer schnelleren Durchimpfung der Bevölkerung.» Der Transportunternehmer aus Dürrenäsch und Vizepräsident der AIHK ist eine der treibenden Kräfte hinter der Impfoffensive der Wirtschaft. Bertschi hofft nun, dass es schnell vorwärtsgeht. «Wir sind parat und können loslegen. Ab Mitte Mai möchten wir unsere Mitarbeitenden, die das wünschen, impfen können. Wir gehen davon aus, dass spätestens dann auch breite Teile der Aargauer Bevölkerung geimpft werden.»

Konkret werden am Hauptsitz von Bertschi in Dürrenäsch mit 450 Angestellten (weltweit 3100) drei grosse Sitzungszimmer in ein Impfzentrum umfunktioniert: ein Zimmer fürs Impfen, ein Ruheraum und ein Zimmer für die administrative Abwicklung. Auch ein firmenexterner Betriebsarzt steht bereit.

Die Impfung sei selbstverständlich freiwillig, betont Bertschi, aber die Nachfrage bei den Mitarbeitenden gross, wie Rückmeldungen unterstreichen würden. Der weltweit in 38 Ländern tätige Unternehmer verweist auf Erfahrungen in England und den USA, wo die Impfquote dank Impfungen am Arbeitsplatz erhöht werden konnte.

Firmen aus einer Region schliessen sich zusammen

Für interne Impfungen braucht ein Unternehmen eine gewisse Grösse. Mindestens 150 bis 200 Mitarbeiter pro Standort sollten es schon sein, meint Bertschi. Für andere Firmen sei die Impfung bei lokalen Hausärzten, die jetzt auch loslegen können und in den Impfzentren die bessere Alternative. Die nötige Grösse für Betriebsimpfungen haben Konzerne wie ABB und GE in Baden oder Siegfried in Zofingen.

Für den Pharmazulieferer im Westaargau sind interne Impfungen an sich nichts Neues. Die Siegfried AG bietet seinen 650 Angestellten jährlich bereits die klassische Grippe-Impfung an. Dabei wird laut Kommunikationschef Peter Gehler jeweils eine Impfquote bis 50 Prozent erreicht. Wie bei der Grippeimpfung arbeitet Siegfried auch bei der Covid-Impfung mit dem Institut für Arbeitsmedizin in Baden zusammen. Zu den 650 Mitarbeitern von Siegfried können sich weitere rund 200 Personen vor Ort impfen lassen, die in den kleinen Firmen in Siegfrieds Pharmapark arbeiten.

Für mehr Effizienz schliessen sich Firmen aus einer Region zusammen. So sollen sich die Mitarbeiter der Zofinger Firmen Ringier und Swissprinters ebenfalls bei Siegfried impfen lassen können, sagt Gehler. Ähnliches ist im Raum Rothrist/Aarburg mit den Unternehmen Rivella, Franke und Omya in Abklärung.

Manager willen bald wieder ins Ausland reisen können

Die Impfoffensive der Unternehmen ist nicht allein als Dienst an der Gesellschaft gedacht, es geht auch um Eigeninteressen. «So können sie die eigenen Mitarbeitenden vor schweren Verläufen schützen und gleichzeitig den Schaden für die Wirtschaft reduzieren», argumentiert die AIHK.

In Bezug auf Siegfried sagt Gehler: «Wir sind ein Produktionsstandort, an dem die Mehrheit der Mitarbeiter nicht Homeoffice machen kann.» Auch für Kadermitglieder sei eine baldige Impfung wichtig, damit sie wieder zu ihren Standorten ausserhalb der Schweiz reisen könnten.

«Erst wenn Überschuss an Impfstoff vorhanden ist»

Einen Knackpunkt gab es noch. Eigentlich dürften keine Personen aus einem anderen Kanton geimpft werden. Ein Nachteil für Firmen wie Siegfried im Dreikantonseck Zofingen mit rund 40 Prozent Mitarbeitern von ausserhalb des Aargaus. Auf Anfrage der AZ eröffnet das DGS nun: «Vom Impfangebot der Aargauer Firmen werden auch ausserkantonal wohnhafte Mitarbeitende profitieren können.»

Dafür dämpft der Kanton die Erwartungen der Unternehmer, was das Tempo angeht. Das Gesundheitsdepartement macht klar: «Die Impfung in Betrieben wird grundsätzlich erst möglich sein, wenn ein Überschuss an Impfstoff vorhanden ist.» Wann das der Fall sei, hänge von den Lieferungen der Impfstoffe ab und von der Impfbereitschaft der Bevölkerung.

«…dann macht das nicht mehr soviel Sinn»

Wirtschaftsvertreter Gehler ist zwar froh, dass auch ausserkantonale Mitarbeiter geimpft werden dürfen. Aber: «Wenn wir wirklich erst impfen dürfen, wenn der Kanton mit seiner Impfkampagne selber schon praktisch durch ist, macht das nicht mehr so viel Sinn.» Das würde nicht dem «Geist der Gespräche entsprechen, die wir mit dem Kanton geführt haben», so Gehler.

Weiter ist die Siegfried AG an ihrem Standort Hameln in Deutschland, wo die Zofinger Traditionsfirma im Auftrag von Biontech/Pfizer Impfdosen abfüllt. Gemäss Gehler sind dort alle Angestellten, die wollten, firmenintern geimpft. Weil Biontech den Covid-Impfstoff selber herstellt, musste sie dafür nicht den Staat um Erlaubnis fragen.

Impfangebot für 3000 Migros-Angestellte im Aargau

Auch die Migros Aare mit ihren rund 3000 Mitarbeitenden im Kanton Aargau will nun Covid-Impfungen anbieten. «Damit sollen möglichst viele Mitarbeitende einen schnellen und unkomplizierten Zugang zur Impfung erhalten», sagt Geschäftsführer Anton Gäumann. Die Ankündigung überrascht. «Wir betrachten Impfen als Privatsache; das ist für uns kein Thema», sagte Marcel Schlatter vom Genossenschaftsbund Mitte April zur«Schweiz am Wochenende». Schlatter heute: «Nun, da es mit dem Impfen vorwärtsgeht, stellen wir – wenn gewünscht – auch gerne Infrastruktur zur Verfügung.»

Die Migros Aare, die sich über die Kantone Bern, Solothurn und Aargau erstreckt, sei bezüglich Massentest mit den kantonalen Behörden bereits in Kontakt und nutze diesen auch für die Impfthematik, sagte eine Sprecherin der Genossenschaft am Freitag zur AZ. Beim Aargauer Gesundheitsdepartement hiess es allerdings: Die Migros Aare habe sich bisher nicht bei der kantonalen Impfkampagne gemeldet.