Aargauer SP fordert Gesamtarbeitsvertrag für Gesundheitspersonal: «Anerkennung allein genügt nicht»

Im März klatschte im Aargau die Bevölkerung für das Spitalpersonal, die Fans des FC Aarau bezeichneten die Angestellten des Kantonsspitals auf einem grossen Transparent als Heldinnen, Private überreichten dem Spital mehrere hundert Tafeln Schokolade.

Die Anerkennung für die Leistungen des Gesundheitspersonals in der Coronakrise war gross – doch für die SP Aargau reicht das nicht. «Das war eine nette Geste, aber es braucht langfristig bessere Arbeitsbedingungen für das Personal im Gesundheitswesen und gute Löhne», hält Grossrätin Silvia Dell’Aquila in einer Mitteilung fest. Für die Regionalsekretärin der Gewerkschaft VPOD steht fest: Im Gesundheitswesen braucht es einen kantonalen Gesamtarbeitsvertrag (GAV).

In einem Postulat, das am Dienstag im Grossen Rat eingereicht wird, fordert die SP die Regierung auf, Voraussetzungen für einen Gesamtarbeitsvertrag zu schaffen. Denkbar wäre zum Beispiel eine GAV-Pflicht für Institutionen, mit denen der Kanton Leistungsvereinbarungen unterhält. Im Aargau sind derzeit nur die Kantonsspitäler Aarau und Baden sowie die Psychiatrischen Dienste in Königsfelden einem GAV unterstellt.

In allen anderen Institutionen gelten individuelle Arbeitsbedingungen. «Aufgrund der Konkurrenzsituation stehen die Arbeitsbedingungen und die Löhne unter massivem Druck», kritisiert die SP. Mit einem kantonalen GAV liesse sich die Attraktivität der Berufe im Gesundheitswesen erhöhen und dem akuten Mangel an Arbeitskräften in diesem Bereich entgegenwirken.

Spital- und Heimverband sieht die Forderung kritisch

Edith Saner, CVP-Grossrätin und Präsidentin des Aargauer Spital- und Heimverbands Vaka, sieht einen Gesamtarbeitsvertrag für das Gesundheitswesen nicht als Kantonsaufgabe. Sie bezweifelt zudem, dass es juristisch möglich wäre, eine Pflicht für einen GAV zu erlassen.

«Aus Sicht der Vaka und aus meiner persönlichen Optik ist es weder sinnvoll noch notwendig, ganz verschiedene Institutionen wie Kantonsspitäler, Rehakliniken, Pflegeheime, Spitexorganisationen und andere einem gemeinsamen Gesamtarbeitsvertrag zu unterstellen», sagt Saner auf Anfrage.

Dafür seien die Aufgaben und Trägerschaften dieser Player im Gesundheitswesen zu verschieden: «Manche gehören ganz oder teilweise dem Kanton, andere sind vollständig privat organisiert, wieder andere werden von Stiftungen oder Vereinen getragen.» Saner weist darauf hin, dass Leistungsvereinbarungen nicht nur vom Kanton, sondern auch von Gemeinden gemacht würden, so zum Beispiel bei der Spitex.

Die Vaka-Präsidentin hält weiter fest: «Schon heute finden Vergleiche zwischen Gesundheitsinstitutionen statt, auch ein Regionalspital kann es sich zum Beispiel nicht leisten, schlech- tere Arbeitsbedingungen und tiefere Löhne anzubieten als ein Kantonsspital.» Es gebe überall offene Stellen, das Personal vergleiche die Bedingungen sehr genau, gibt Saner zu bedenken.

«Wenn es grössere Ungleichheiten zwischen den Institutionen gäbe, würden Angestellten eines Spitals ob früher oder später den Arbeitsplatz wechseln». Dies sei aber nicht der Fall, was für Saner zeigt: «Die Verantwortlichen im Gesundheitswesen wissen, wie wichtig gutes Personal ist und tun alles, um dieses zu halten.»

FDP-Grossrätin warnt vor höheren Gesundheitskosten

Martina Sigg, FDP-Grossrätin und Mitglied der Gesundheitskommission, lehnt die Forderung der SP klar ab. «Wir Freisinnigen treten im Gesundheitswesen für marktwirtschaftliche Lösungen ein, weil dies zu sachgerechten und wettbewerbsfähigen Verhältnissen führt».

Die Leitungen der kleinen und mittleren Spitäler und Institutionen im Gesundheitswesen und ihre Personalvertretungen seien näher an den konkreten Bedürfnissen als staatliche Administrationen, sagt Sigg. Kantonal verordnete Gesamtarbeitsverträge seien deshalb nicht erforderlich. «Sie komplizieren zudem den Vollzug, führen zu höheren Verwaltungs- und somit höheren Gesundheitskosten», warnt sie.

Die FDP Aargau anerkenne die grossen Leistungen, die das Personal im Gesundheitswesen Tag für Tag bringt. «Wir sind auf motiviertes und gut qualifiziertes Personal angewiesen. Jede verantwortungsvolle Führung einer Gesundheitsinstitution ist sich dessen bewusst und wird die Arbeitsbedingungen attraktiv gestalten», hält Sigg fest.