
Aargauer Volksinitiative fordert mehr Geld für Häusersanierungen
Dass es Sinn macht, Wohn- und Geschäftshäuser so zu sanieren, dass sie weniger Energie verbrauchen, ist unumstritten. Dies nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch, weil es das Portemonnaie schont, wenn nicht die ganze Umgebung im Winter mitbeheizt wird, nur damit es in der Stube warm ist. In den vergangenen Jahren wurden aber immer mehr kantonale Gebäudeprogramme, welche diese Sanierungen eigentlich fördern sollten, zusammengestrichen — auch im Aargau.
Der Bund unterstützt die Kantone bei den energetischen Förderprogrammen. Im Rahmen des Sanierungspakets 2018 hat der Regierungsrat aber beschlossen, das Fördervolumen zu reduzieren und die Fördertätigkeiten des Kantons einzuschränken. Konkrete Projekte werden derzeit praktisch nicht mehr unterstützt. Lediglich der Sockelbeitrag vom Bund von 7 bis 9 Millionen Franken pro Jahr wird noch weitergegeben.
Zehnmal weniger Energie
Ein Komitee, bestehend aus Politikerinnen und Politikern von Grünen und SP sowie Vorstandsmitgliedern von Verbänden der Baubranche, will dem entgegenwirken. Gestern hat es eine Initiative lanciert, die verlangt, dass mit Förderprogrammen an jährlich mindestens 3 Prozent der bestehenden Bauten und Anlagen energetische Sanierungen unterstützt werden. Und zwar so, dass bis 2050 alle bezweckten Sanierungen durchgeführt sind. Vorab soll dies Gebäude betreffen, die vor dem Jahr 2000 gebaut worden sind.
Das Komitee hat als Ort für die Lancierung der Initiative ein konkretes Beispiel gewählt: An der Steinfeldstrasse in Buchs wurde ein Einfamilienhaus so saniert, dass es deutlich weniger Energie verbraucht als zuvor. Vorgenommen hat die Sanierung am 1961 erbauten Flachdachhaus der Aarauer Architekt und Grünen-Grossrat Hansjörg Wittwer im Jahr 2015, als den Hausbesitzern dafür noch Fördergelder vom Kanton zur Verfügung gestanden sind. «Jetzt verliert das Haus zehnmal weniger Energie als zuvor», erklärte Wittwer. Fassaden, Fenster, Türen und das Dach seien so optimiert worden, dass die Bewohner deutlich weniger heizen müssten.
André Fedeli, der Besitzer des Hauses, bestätigte, dass die Fördergelder einen Anreiz für die umfassende Sanierung gewesen sind. «Der Umbau hätte zwar irgendwann gemacht werden müssen. Aber vielleicht hätten wir ihn nicht in diesem Ausmass vorgenommen.»
Mittel aus CO2-Abgaben
Die Initiative verlangt, dass der Kanton für die Fördermassnahmen eigene Mittel einsetzt. Inklusive des Sockelbeitrags des Bundes und Ergänzungsleistungen soll damit gleich viel Geld eingesetzt werden, wie aus dem Kanton Aargau in Form von CO2-Abgaben abfliesst — also jenes Geld, das jede und jeder bezahlt, der fossile Energien nutzt, sei es in Form von Heizöl oder Benzin. Robert Obrist, Fraktionspräsident der Grünen im Grossen Rat, erklärte, dass für die Initianten die Lancierung der Initiative das letzte Mittel gewesen sei. Eine entsprechende Motion ist vor zwei Jahren gescheitert und die kantonale Energiegesetzgebung lässt auf sich warten. Er ist denn auch zuversichtlich, dass die benötigten 3000 Unterschriften schnell beisammen sein werden, zumal die Initiative weder wirtschafts- noch gewinnfeindlich sei.
So sehen das auch Martin Kummer, der Präsident des Baumeisterverbands Aargau, und David Kläusler, der Präsident der Aargauer Sektion des Verbands der Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM). Beide haben es zwar nicht geschafft, ihre jeweiligen Verbände an Bord zu holen und sind deswegen als Privatpersonen Mitglieder des Komitees, aber sie sind vom Anliegen überzeugt. «Die Initiative sieht keine zusätzlichen Abgaben oder Steuern vor, schafft aber klar Anreize für Sanierungen», sagte Martin Kummer. Das hohe Sparpotenzial für Hausbesitzer mache für ihn Sinn, meinte Kläusler.
Mieter nicht benachteiligt
Dass die Initiative aber nicht nur den Hausbesitzern etwas bringe, betonte SP-Aargau-Präsidentin Gabriela Suter. Schliesslich seien 60 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Mieter. «Das gemeinsame Ziel ist, den CO2-Verbrauch zu verringern», sagte sie. Die Vorteile der Initiative seien aber auch abseits des Umweltschutzes ebenfalls für Mieterinnen evident, so die Grossrätin, schliesslich brächten Sanierungen auch mehr Wohnkomfort und tiefere Energiekosten.
«Wichtig ist uns, dass die Umsetzung sozialverträglich ist», so Suter. In der vorliegenden Initiative sehe sie das richtige Mittel, denn die Fördergelder kämen am Schluss allen gleichermassen zu gute.
Der Gebäudebestand ist laut Initianten für rund einen Drittel des inländischen CO2-Ausstosses und die Hälfte des Energieverbrauchs verantwortlich. Die 2,3 Millionen Gebäude in der Schweiz bestehen zu knapp drei Vierteln aus Wohnbauten und zu einem Viertel aus Dienstleistungs- und öffentlichen Bauten. 10 Prozent des Energieverbrauchs entfallen auf Bauprozesse und Baumaterialien, 40 Prozent auf den Betrieb mit Heizung, Warmwasser, Lüftung, Klimaanlage, Geräten und Beleuchtung. Der grösste Teil der Wärmeproduktion für Gebäude erfolgt heute durch Öl- und Gaskessel.
Die Steigerung der Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien sind zentrale Bestandteile der Energiestrategie des Kantons Aargau.