«Abschaffung würde Lage verschärfen»: Wie die Schulpflege für den Erhalt der Behörde wirbt

Am 27. September stimmt die Aargauer Bevölkerung über die Abschaffung der Schulpflege ab. Eigentlich hätte der Entscheid schon am 17. Mai fallen sollen, wegen Corona wurde der Termin verschoben. Dies hat dazu geführt, dass in der Zwischenzeit zwei Fälle publik wurden, bei denen die Schulpflege in der Kritik stand.

Zuerst teilte die Schulpflege Brugg mit, dass sie den ehemaligen Badener Stadtammann und früheren Grünen- Nationalrat Geri Müller in einem Teilpensum als Schulleiter anstellt. Dagegen gab es Widerstand von rechtsbürgerlichen Lokalpolitikern, eine Online-Petition wurde lanciert, die Müller zum Verzicht auf das Amt aufforderte, zudem gab es diverse kritische Fragen an die Schulpflege Brugg.

Für viel Aufsehen sorgte vor zwei Wochen die Besetzung einer Schulleiterstelle in Ehrendingen: Die Schulpflege wollte einen 58-jährigen Mann anstellen, der nach einem Vorfall am 20. Juli als «Autobahn-Prügler» bekannt geworden war. Der Mann bremste auf der A1 einen anderen Lenker aus, stürmte aus seinem Auto und traktierte seinen Gegner und dessen Fahrzeug am helllichten Tag mit Tritten und Schlägen. Schliesslich kam es nicht zur Anstellung, der «Autobahn-Prügler» meldete sich bei der Schulpflege Ehrendingen und verzichtete auf die Stelle.

Schulpflege sieht Mangel an qualifizierten Schulleitern

In einer Mitteilung zum Schulstart äussert sich die Vereinigung aargauischer Schulpflegepräsidentinnen und -präsidenten erstmals dazu. Die beiden Fälle in Ehrendingen oder Brugg zeigen laut Präsident Franco Corsiglia, «wie gross der Mangel an gut qualifizierten Schulleitungen ist». Von der Schulpflege als Anstellungsbehörde werde erwartet, dass sie bestens ausgebildete Schulleitungen mit grosser Führungsqualität und möglichst ohne jeden Makel einstelle. «Dies würden die Schulpflegen gern tun, zur Verfügung steht aber nur, was der Markt hergibt», schreibt er. Das dünne Angebot begünstige Anstellungen wie jene in Ehrendingen.

Die Schulpflege habe dort «vorbildlich und schnell reagiert und umgehend eine Korrektur vorgenommen». Ähnliche Fehlentscheide habe es auf anderen Ebenen auch gegeben, so bei der Anstellung von Gemeindeschreibern oder Verwaltungspersonal durch Gemeinderäte. Schlammschlachten in den Medien oder das Vorpreschen einer nicht betroffenen Behörde – in Ehrendingen hatte sich der Gemeinderat kritisch zur geplanten Anstellung des «Autobahn- Prüglers» geäussert – seien hingegen nicht zielführend.

Corsiglia hält grundsätzlich fest, dass die Abschaffung der Schulpflege, die vom Regierungsrat und von einer Mehrheit des Grossen Rats unterstützt wird, solche Probleme nicht lösen würde. «Im Gegenteil, die Lage wird sich zusätzlich verschärfen», befürchtet er. Die Arbeitslast von Einzelpersonen werde ohne Schulpflege erhöht, die Sorgfalt und die schnelle Handlungsbereitschaft gegenüber Lehrpersonen verschlechtert. Eine künftige Machtkonzentration bei einer Person, «sei es die Schulleitung oder auch ein Gemeinderat, ist mit Sicherheit ein Risiko», argumentieren die Schulpflegepräsidenten.

Ein Mehrwert für Lehrpersonen und Schulleitungen sei mit der Abschaffung der Schulpflege nicht ersichtlich und Mehrkosten seien sehr wahrscheinlich. Durch einen Wechsel von Milizbehörde zu Milizbehörde – die Schulpflege könnte nach einer Abschaffung durch eine Schulkommission ersetzt werden – bleibe zudem die erhoffte Professionalisierung aus.

Engere Zusammenarbeit statt Abschaffung als Rezept

«Die vom Volk gewählte Schulpflege ist einzig und allein der Schule und deren Mitarbeitenden verpflichtet», hält Corsiglia fest. Sie sorge für die Balance zwischen Lehrpersonen und Schulleitungen und vertrete deren Bedürfnisse, ohne politischen Druck einer Partei gegenüber der Stimmbevölkerung.

Die aktuellen Herausforderungen der Schulen – Lehrermangel, neuer Lehrplan, Unterricht unter Coronabedingungen, neue Verteilung der finanziellen Ressourcen – würden mit der Abschaffung der Schulpflege nicht gelöst. Nötig sei vielmehr die Stärkung der bestehenden Strukturen auf Gesetzesebene und eine noch engere Zusammenarbeit der Schulleitungen und Schulpflegen.