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Wie ein Ladendetektiv Gastronom wurde: «Ich dachte nie, dass ich einmal ein Restaurant kaufe»

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Die zugegebenermassen etwas abgedroschene Phrase passt – Achtung: gleich die nächste – wie die Faust aufs Auge zu der Geschichte von Florim Abazi. Der 45-Jährige ist der neue Besitzer des Restaurants Krone im Aristauer Dorfteil Birri.

Geplant war das nicht. «Eigentlich habe ich nur ein Anlageobjekt gesucht», so der Schlieremer fast schon peinlich berührt. «Auf der Bank kriegt man ja kaum mehr Zinsen für sein Geld.» 2008 hat sich Abazi mit seiner Sicherheitsfirma selbstständig gemacht. Spezialgebiet: Ladendiebstahl. Das Unternehmen mit unterdessen 26 Mitarbeitenden läuft gut. Sehr gut sogar.

«Von einem Bekannten bekam ich den Tipp, dass in Aristau ein Restaurant mit Hotelzimmern zu verkaufen ist», erzählt der gebürtige Kosovare. Ohne viel zu überlegen, packte er gleichen abends seine 9-jährige Tochter Laura ins Auto und fuhr mit ihr los in Richtung Freiamt.

Seit November 2019 lag die «Krone» in Aristau im Dornröschenschlaf. Florim Abazi hauchte ihr nun wieder Leben ein.

«Ich habe mich sofort in die ‹Krone› verliebt», schildert Abazi fast schon emotional. Der heruntergekommene, dringend renovationsbedürftige Dorfspunten hatte es ihm angetan. Er erinnert sich:

«Ich wusste nicht, was ich damit machen soll. Aber mein Bauchgefühl sagte: Es ist eine gute Investition.»

Schnell wurde Abazi sich mit Besitzer Carl Theiler über den Verkaufspreis einig.

«Mama, Mama, Papa hat ein Hotel gekauft!»

«Mama, Mama, Papa hat ein Hotel gekauft!» Den Satz ihrer Tochter wird Ehefrau Daniela wohl nicht mehr so schnell vergessen. «Sie konnte es zuerst gar nicht glauben», erinnert sich Florim Abazi schmunzelnd. «Ich eigentlich auch nicht. Ich dachte nie, dass ich mal ein Restaurant kaufen würde.» Das war im November 2019. Also kurz bevor die Pandemie die Welt und mit ihr die Gastronomie lahmlegte.

Ursprünglich war Abazis Idee, dass er die «Krone» verpachtet. Doch in der Krise jemanden zu finden, der sich an die Neueröffnung eines Restaurants wagte, schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. So blieb die «Krone» geschlossen. Die beiden vermieteten Wohnungen im Gebäude gaben Abazi die Sicherheit, zumindest nicht draufzahlen zu müssen.

Während des Lockdowns fing Abazi an, das Restaurant komplett zu renovieren. Abazi, der bis anhin so gar keine Ahnung von der Gastronomie hatte, schildert:

«Das Restaurant wurde immer schöner und irgendwann dachte ich mir: Hey Florim, mach doch selber etwas!»

Aus der Idee wurde langsam ein Plan. Ehefrau Daniela, die ursprünglich im Service tätig war und jetzt im HR-Bereich arbeitet, unterstützte das Vorhaben ihres Gatten.

Angelo Piccoli soll die beste Pizza machen, die es gibt

Schnell war klar: Die «Krone» sollte «tricolore» werden. «Wir sind jedes Jahr in Italien in den Ferien und lieben die italienische Küche», erzählt Abazi. Stolz fügt er hinzu:

«Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig. Ich wollte nicht nur irgendeine Pizza anbieten, sondern die beste Pizza, die es gibt.»

Schnell war der passende Pizzaiolo dazu gefunden. Angelo Piccoli kennt Abazi aus einem bekannten Edel-Kaufhaus an der Zürcher Bahnhofstrasse. Piccoli war dort Pizzamanager, Abazi Ladendetektiv. «Angelo macht die besten Pizze, die ich kenne», sagt Abazi. Seine Augen strahlen dabei.

Rund eine halbe Million Franken investierte Abazi in den Umbau und die Sanierung der in die Jahre gekommenen Wirtschaft. «Unser Ziel war es, zu modernisieren, aber dabei den Charme der altehrwürdigen Dorfbeiz zu behalten», sagt Abazi. Die Böden wurden herausgerissen und ersetzt, die Inneneinrichtung in heimeligen, dunklen Holztönen komplett erneuert. An den Wänden thronen Bilder, die Tochter Laura gemalt hat.

Pizzaiolo Angelo Piccolis Reich: Der ehemalige Schuppen auf der Terrasse wurde zur Pizzaküche umgebaut.

Pizzaiolo Angelo Piccoli erhielt auf der Terrasse sein eigenes Reich. Aus einem baufälligen Schuppen entstand dort die Pizzaküche. Durch die grossen Fensterfronten, die im Sommer geöffnet werden, können die Gäste gleich zuschauen, wie ihre Calzone – die Spezialität des Hauses: mit Banane – zubereitet wird, im Ofen verschwindet und gebräunt wieder herauskommt.

15 Hotelzimmer und ein Küchenchef aus Palermo

Auch die 15 Hotelzimmer renovierte Abazi in viel Eigenleistung komplett. Hier finden Handwerker oder Wandervögel nun moderne und zweckmässige Übernachtungsmöglichkeiten samt Dusche.

Während mit Angelo Piccoli rasch ein Pizzaiolo gefunden werden konnte, liess die Suche nach einem Küchenchef auf sich warten – Fachkräftemangel lässt grüssen. In Palermo wurde Abazi letztlich fündig, und so kam Angelo Nummer zwei, Angelo Sandovalle, mit ins Freiamt. Abazi schwärmt:

«Er ist der Künstler in der Küche.»

Und der zeigt gleich sein Können, verzaubert die selbstgemachten Burgerbrot-Rohlinge für den neuen Krone-Burger gekonnt mit Eigelb und einer Prise Sesam.

Angelo numero due, Angelo Sandovalle, ist der Zauberer in der Küche.

Nicht nur in der Küche stellt der Personalmangel in der Gastronomie Abazi vor Hindernisse. Im Service des Lokals mit insgesamt rund 200 Sitzplätzen ist derzeit nur Benjamin Tunc beschäftigt. Auch aufgrund fehlenden Personals eröffnete die «Krone» erst am 11. November. «Freitag und Samstag darauf waren wir praktisch ausgebucht», sagt Abazi. An den Wochenenden springt deshalb nun jeweils seine Ehefrau im Service ein.

Von den Aristauern wurden sie sehr gut aufgenommen

Die Aristauer haben offenbar Freude daran, dass ihre Dorfbeiz endlich wieder offen ist. Auch beim Besuch der AZ am Freitagvormittag ist der Stammtisch schon gut besucht. Der Limmattaler staunt:

«Wir sind überrascht, wie gut uns die Bevölkerung hier aufgenommen hat.»

Er selbst ist etwa dreimal die Woche in seinem Restaurant in Aristau.

Dass die «Krone» auf den diversen Internetportalen noch immer mit den schlechten Bewertungen des Vorpächters zu kämpfen hat, sieht Abazi angesichts des fehlenden Personals fast als Vorteil. Er sagt: «Sonst wären wir komplett überrannt.» Und auch zur Zertifikatspflicht sagt er: «Wir kennen es gar nicht anders.» Mittlerweile konnten jedoch zwei Serviceangestellte gefunden werden. Sie fangen im Januar an.

Das «Krone»-Team – Angelo Piccoli, Benjamin Tunc, Florim Abazi und Angelo Sandovalle – erhält im Januar weibliche Verstärkung.

Zwei Jahre will sich Abazi nun Zeit geben, in die Gastgeberrolle hineinzuwachsen. Je nachdem will er danach einem Geschäftsführer das operative Geschäft überlassen. Der Ladendetektiv, der unverhofft Gastronom wurde, sagt aber augenzwinkernd: «Vielleicht kommt früher oder später auch noch ein zweites Restaurant dazu.»