
Atomendlager im Aargau: Kantone pochen auf Gewässerschutz
Seit mehreren Jahren wehrt sich der Verein «Kein Atommüll im Bözberg» (Kaib) gegen das Vorhaben des Bundes, im Aargau ein Atomendlager zu errichten. Das sogenannte Standortgebiet Jura Ost sei ungeeignet, weil der Bözberg reich an Thermal- und Grundwasser sei, argumentiert der Verein, den SP-Grossrat Max Chopard präsidiert.
Nun fühlen sich die Gegner eines Atomendlagers im Aargau in ihrer Ansicht bestätigt: Ein neues Gutachten, das von vier Kantonen in Auftrag gegeben wurde, bezeichnet die geplanten Standorte für die Oberflächenanlagen als unsinnig, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. In diesen Anlagen – jene im Aargau ist in Villigen in der Nähe des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) vorgesehen – werden Atomabfälle angeliefert, umgepackt und durch Tunnel weiter in das Tiefenlager transportiert.
Laut den Plänen der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) liege der Standort in einem sensiblen Gewässerschutzbereich, berichtet die Zeitung. Der Autor der Studie hält demnach fest, der Standort werde sich «mit einiger Wahrscheinlichkeit im Rahmenbewilligungsverfahren oder später bei der Baubewilligung als rechtliches Hindernis erweisen». Gemäss dem noch unveröffentlichten Gutachten drohe also die Gefahr, dass ein Gericht die Pläne stoppen könnte.
Wie gefährlich ist eine Oberflächenanlage?
Entscheidend ist die Frage, wie gross das Risiko für das Grundwasser ist, das von einer Oberflächenanlage ausgeht. Bauten in der Gewässerschutzzone unterliegen strengen Auflagen. Im September 2019 hat der Ausschuss der Kantone seine gemeinsame Haltung zum Gewässerschutz bei Zugangsbauten an Tiefenlagerstandorten verabschiedet.
Darin heisst es unter anderem: «Eine Oberflächenanlage wird grundsätzlich als gefährliche Anlage (Kernanlage) betrachtet.» Die Kantone wollen keine Oberflächenanlagen im Bereich von wichtigen Grundwasserströmen, die heute oder künftig für die Trinkwasserversorgung genutzt werden.
Das Bundesamt für Energie stellt sich auf den Standpunkt, eine Oberflächenanlage stelle keine besondere Gefahr im Sinn des Gewässerschutzrechts dar. «Die vergleichsweise geringe Menge radioaktiver Abfälle liegt in fester und nur schwer löslicher Form vor und ist sicher verpackt und abgeschirmt», heisst es in einem Argumentarium, das allen Mitgliedern der Regionalkonferenzen zugestellt wurde, die sich mit den möglichen Endlagerstandorten befassen.
Die Nagra hält gegenüber dem «Tages-Anzeiger» fest, die Oberflächenanlagen seien aus ihrer Sicht «bautechnisch machbar, sicher, tragen dem Umweltschutzgedanken Rechnung und sind umweltrechtlich bewilligungsfähig». Zudem lägen alle Atomkraftwerke und Kernanlagen der Schweiz im Gewässerschutzbereich oder an dessen Rand. Laut dem Gutachten sei aber unklar, ob die Nagra belegen könne, dass Oberflächen- anlagen keine besondere Gefahr für das Wasser darstellten.
Atomgegner: «Wo bleibt die Glaubwürdigkeit?»
In einer Medienmitteilung kritisiert der Verein «Kaib» nun, der Bund versuche die Wasserproblematik bei der Endlagersuche kleinzureden. «Gegenüber dem Ausschuss der Kantone oder in Vorträgen an lokalen Regionalkonferenzen banalisieren Vertreter des Bundesamts für Energie und der Nagra das Problem», heisst es darin. Risiken würden kleingeredet, eine Atomanlage einem normalen Industriebetrieb gleichgestellt, die Gewässerschutzgesetzgebung solle mit Ausnahmebestimmungen ausgehebelt werden.
Das sei inakzeptabel, kritisiert der Verein und fordert den Bund auf, den Gewässerschutz zu garantieren.
«Wo bleibt die Glaubwürdigkeit, wenn über Jahre verkündet wird, Sicherheit habe oberste Priorität – und wenn es konkret wird beim Gewässerschutz, wird alles relativiert?», fragt Chopard.
Das Atomendlager sei auf Tausende von Jahren ausgelegt, es sei deshalb wichtig, «dass wir mit Blick auf den Grundwasserschutz einen wirklich sicheren Standort finden». Der Verein fordert den Ausschuss der Kantone zudem auf, die Gutachten vollständig zu publizieren und sich für einen griffigen Gewässerschutz einzusetzen.