
Auch das Heitere Open Air ist auf die grossen Sponsoren angewiesen
Kostete ein Eintagespass am Berner Gurtenfestival bis anhin 95 Franken, werden es im nächsten Jahr 115 Franken sein: ein Aufschlag von 20 Prozent. Das erklärten die Organisatoren am Dienstag vor den Medien – und begründeten es mit zwei Argumenten. Erstens: die «massiv höheren Gagenforderungen der Bands». Und zweitens, was aufhorchen liess: «Wir haben uns entschieden, dass es keine offiziellen Tabak- und Spirituosen-Sponsoren mehr gibt», wie Mediensprecher Simon Haldemann zu «20 Minuten» sagte. Man wolle damit ein Zeichen setzen für den Jugendschutz. Zwar werden Alkohol und Tabak weiterhin auf dem Festivalgelände verkauft, doch die Hersteller dürfen keine eigenen Lounges oder Bühnen mehr betreiben und keine Gadgets mehr verteilen.
Sorge um Bandgagen grösser
Während der Schritt von Präventionsfachleuten als Pioniertat gelobt wird, reagieren die Veranstalter der grossen Aargauer Festivals skeptisch. Für Marco Kugel, OK-Chef des Argovia-Fäschts, das Heineken als Partner hat, ist ein solcher Verzicht undenkbar: «Wir sind schlichtweg angewiesen auf die finanziellen Mittel und die Infrastruktur, die wir so gestellt erhalten.» Erklärtes Ziel sei, dass man den günstigen Eintrittspreis von 29 Franken beibehalten könne. «Wenn wir solche Partner nicht hätten, müssten wir den Preis um einiges hochsetzen», sagt Kugel. Man wolle jedoch das eine tun und das andere nicht lassen und arbeite eng mit der Suchtprävention Aargau zusammen. «Wir haben Testkäufe und schulen unser Barpersonal.»
Gleich sieht es Doris Müller, OK-Präsidentin des Schupfart-Festivals. Das Rock-, Country- und Schlager-Open-Air im Fricktal arbeitet mit der nahegelegenen Brauerei Feldschlösschen zusammen. Müller sagt: «Wir werden weiterfahren wie bisher.» Man versuche, möglichst faire Preise anzubieten, entsprechend sei man auf grosse Sponsoren angewiesen. Von Feldschlösschen beziehe man nicht nur Alkoholisches, sondern auch Mineralwasser. Zum Schritt des Gurtenfestivals, Tabakmultis und Brauereien zu verbannen, sagt sie: «Ich kann mir noch nicht recht vorstellen, wie das funktionieren soll, und bin gespannt, wie sie es umsetzen.»
Gute Zusammenarbeit mit der Suchtprävention
Christoph Bill, Leiter des Heitere-Festivals in Zofingen, ist auch Präsident der Swiss Music Promoters Association, des Branchenverbands der Konzert-, Show- und Festivalveranstalter. Für das «Heitere», das von der Luzerner Brauerei Eichhof unterstützt wird, kommt der Verzicht auf Tabak- und Alkoholsponsoren nicht infrage. Bill sagt: «Ich habe nicht das Gefühl, dass wir die Welt verbessern, wenn wir das Eichhof-Eichhörnchen weglassen.» Auswüchse beim Konsum von Jugendlichen könne man so nicht verhindern. Dafür brauche es eine gute Zusammenarbeit mit der Suchtprävention, die man seit Jahren pflege. «Und wir appellieren an die Eigenverantwortung.»
Die Sorge um die steigenden Bandgagen teilt Bill hingegen: «Diese Tendenz setzt sich seit zehn Jahren fort.» Man wolle das so wenig wie möglich an die Fans weitergeben: «Wir wollen faire Preise für Eintritt und auf dem Gelände. Unser Besucher soll nicht das Gefühl haben, er werde abgezockt.» Die Ticketpreise blieben 2018 gleich. «Wir werden versuchen, die Kosten anderswo zu optimieren, oder bei einer Band halt auch mal Nein sagen, wenn wir finden, sie wäre zwar lässig auf dem Plakat, aber die Kosten sind nicht mehr in unserer Liga.»
Kleine Festivals nicht betroffen
Lukas Renckly ist Koordinator des Festivalforums Aargau, in dem sich nichtkommerziell ausgerichtete kleinere und mittlere Festivals zusammengeschlossen haben. Renckly sagt: «Prävention ist ein Thema, das alle Festivals immer wieder beschäftigt. Der Jugendschutz ist uns allen sehr wichtig.» Bei allen Forumsmitgliedern steckten viel Idealismus und gewisse Wertvorstellungen dahinter. Keines der Festivals habe Sponsoringverträge mit Tabak- oder Spirituosenmultis: «Wir würden nie auf die Idee kommen, Philipp Morris anzufragen.» Man setze auf lokale und regionale Betriebe. So profitiere die ansässige Wirtschaft und man bleibe freier in der Gestaltung des Festivalgeländes. Was das Gurtenfestival mache, sei so gesehen auch nicht sehr innovativ, eher eine Imagefrage, sagt Renckly. «Persönlich finde ich es dennoch ein gutes Zeichen.» (Mario Fuchs/AZ)