Baby-Handel in Sri Lanka: Umstrittene Vermittlerin hat Kinder im Aargau platziert

Die Schweiz muss ein dunkles Kapitel aufarbeiten. Das eidgenössische Parlament hat vor gut einem Jahr ein Postulat überwiesen, das verlangt, die Vermittlung von Kindern aus Sri Lanka in den 1980er-Jahren zu untersuchen. Das Bundesamt für Justiz hat nun noch ein Jahr Zeit, um die Forderungen des Postulats zu erfüllen. Weil die Kantone in den 1980er-Jahren zuständig für die Aufsicht über die Adoptionsvermittler waren, ist der Bund auf deren Mithilfe angewiesen, um mehr über die damalige Adoptionspraxis in Erfahrung zu bringen.

Kanton ist in Wartestellung

Im Kanton Aargau bestätigt das zuständige Departement Volkswirtschaft und Inneres, dass es vom Bund über das Thema informiert worden sei. «Bis jetzt haben wir noch keinen konkreten Auftrag erhalten», sagt Mediensprecher Samuel Helbling. «Wir sind aber daran, unsere Dossiers zu durchforsten, damit wir bereit sind, wenn der Bund mit konkreten Fragen auf uns zukommt.»

Es seien keine Hinweise gefunden worden, dass es im Kanton Aargau in den Jahren 1979 bis 1987 eine akkreditierte Vermittlungsstelle für die Adoption von Kindern aus Sri Lanka gab, sagt Helbling. In diesem Zeitraum seien aber 48 Kinder aus Sri Lanka von Aargauer Paaren adoptiert worden. Einige dieser Kinder wurden von Alice Honegger vermittelt. Ihr Vorgehen war umstritten und wurde immer wieder beanstandet.

Nur wenige Akten überliefert

Als Alice Honeggers Verein 1985 in der Krise steckte, versuchte sie im Aargau Fuss zu fassen. In einem Schreiben, das sich im Staatsarchiv des Kantons St. Gallen befindet, hielt Honegger gegenüber der Rechtsabteilung des Aargauer Innendepartements fest, dass sie in Sri Lanka mit Rukmani Thavanesan zusammenarbeite. Diese unterhalte ein Heim mit Müttern und Kindern und sei ihr «seit fünf Jahren als zuverlässige Vermittlungsstelle bekannt». Keine einzige Adoptivfamilie sei durch ihre Arbeit enttäuscht worden und es seien «einige Kinder im Kanton Aargau platziert», schrieb Honegger.

Diese Zeitung hat auch beim Staatsarchiv des Kantons Aargau nachgefragt, ob es in den Beständen weiterführende Unterlagen zu Alice Honegger oder der damaligen Adoptionspraxis gebe. Doch die Mitarbeitenden fanden weder ein Dossier zu Honegger, noch zu ihrem Verein. Auch in den Registern des Regierungsrates und des Grossen Rates fanden sie für den Zeitraum von 1984 bis 1986 keine Hinweise auf eine Diskussion über die Adoptionspraxis im Kanton Aargau. Generell sei davon auszugehen, dass – «wenn überhaupt – nur wenige Akten zum Thema überliefert worden sind», schreibt das Aargauer Staatsarchiv.

Adoptierte aus Sri Lanka befinden sich zum Teil in einer schwierigen Situation. Viele haben erst kürzlich herausgefunden, dass Name, Geburtsort und Geburtsdatum in ihren Papieren gefälscht worden sind. Das erschwert die Suche nach den leiblichen Eltern massiv. Letztes Jahr gründeten Adoptierte aus Sri Lanka den Verein «Back to the Roots». Dessen Ziel ist es, sich gemeinsam für die Interessen adoptierter Personen aus Sri Lanka in der Schweiz einzusetzen.

Neutrale Anlaufstelle gefordert

Bis heute sind Bund und Kanton Anlaufstelle für Betroffene, die ihre Wurzeln suchen. Im Kanton Aargau habe es in den Jahren 2011 und 2013 je eine Anfrage um Akteneinsicht gegeben, sagt Samuel Helbling. Akteneinsicht werde auf Anfrage gewährt. Betroffene könnten über den Kanton bei der Zentralen Behörde Adoption des Bundes ein entsprechendes Gesuch einreichen. «Dazu müssten sie vorhandene sri-lankische Dokumente einreichen», sagt Helbling. Die Bundesbehörde leite das Gesuch anschliessend an die zuständige Behörde in Sri Lanka weiter. Diese versuche, entsprechende Informationen über die Herkunft eines Kindes ausfindig zu machen.

«Back to the Roots» kritisiert, dass sich Adoptierte bei der Herkunftssuche an den Bund oder die Kantone wenden müssen. Der Verein fordert eine neutrale Anlaufstelle. «Um Vertrauen zu bilden, ist es wichtig, dass die Beratung durch eine Organisation oder Behördenstelle geschieht, die nicht auch Adoptionen vermittelt oder fördert», heisst es auf der Website des Vereins.

Ausserdem bräuchten die adoptierten Personen für die Herkunftssuche in Sri Lanka Zugang zu erfahrenen und vertrauenswürdigen Kontaktpersonen. Es sei auch hier wichtig, «dass die Auskunftsstellen in Sri Lanka nicht in die illegalen Praktiken der Vergangenheit involviert waren».