Bauboom bei Mietwohnungen: Sinken die Mieten im Aargau tatsächlich – oder steigen sie im Gegenteil?

Gemäss neustem Immo-Monitoring von Wüest Partner sind die Angebotsmieten letztes Jahr in der Schweiz und damit auch im Aargau leicht gesunken. Die Grafik (unten) zeigt, dass dieser Index seit Jahren rückläufig ist. Viele Menschen erleben es in der Realität aber anders, vor allem, wenn sie in einem städtischen Gebiet eine Wohnung suchen. Stimmt also dieser Index nicht? Doch, er stimmt. Aber er sagt nicht alles über die gesamthafte Mietsituation aus.

Aufgrund des boomenden Mietwohnungsbaus ist das Angebot an verfügbaren Wohnungen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das sollte aufs Mietpreisniveau drücken. Tut es das wirklich? Wüest Partner hat jetzt eine vertiefte Auswertung vorgenommen. Diese zeigt ganz unterschiedliche Tendenzen.

Angebotsmieten: Rückgang um 8 Prozent seit 2015

Im Angebotsmietpreisindex werden die mittleren Mietpreise der inserierten Wohnungen ausgewertet. Dieser zeigt in der Schweiz seit Mitte 2015 einen Rückgang im Schnitt um acht Prozent (vgl. Grafik). Unterschiedliche Entwicklungen gibt es auch bezüglich Wohnungsgrösse. Während die Mietpreise für grosse Wohnungen innert fünf Jahren um gut 12 Prozent nachgaben (da hier der Anteil an Altbauwohnungen gestiegen ist), haben jene für kleinere Wohnungen leicht zugenommen.

Dass sie bei kleineren Wohnungen leicht zugelegt haben, ist auf den grösseren Anteil an Neubauobjekten zurückzuführen. Aus Sicht der Mieterinnen und Mieter, die sich am Markt orientieren, bedeutet dies zweierlei, so Weinert: «Sie haben zurzeit eine grössere Auswahl, es sind aber auch mehr Neuwohnungen darunter.» Der steigende Anteil an kleineren Wohnungen im Angebot ist ein wesentlicher Grund für den sinkenden Angebotsmietpreisindex bei allen inserierten Wohnungen.

Abschlussmietindex, der Qualitätsunterschiede einbezieht, zeigt ein Plus an

Es gibt aber weitere Indices, etwa den Abschlussmietpreisindex. Er berücksichtigt Qualitätsunterschiede bei den Wohnungen in hohem Mass und weist die Mietpreisveränderungen qualitätsneutral aus, so Robert Weinert, Leiter des Immo-Monitoring von Wüest Partner. Dieser zeigt ein anderes Bild. Demnach sind die Mieten seit 2011 um gut sieben Prozent gestiegen. Da habe man gleichwohl auch heute noch die Chance, eine tiefere Miete als vor fünf Jahren zu bekommen, sagt Weinert: «Allerdings muss man da bezüglich Lage flexibel sein.» Wenn man ein Objekt an zentraler Lage, ruhig, mit guter Aussicht, guten öV-Verbindungen, naher Schule und Einkaufsmöglichkeiten sucht, «dann ist es möglich, dass man sogar einen höheren Preis bezahlen muss als bisher».

Bundesamt für Statistik sagt: plus 7 Prozent seit 2011

Ähnlich sieht der Verlauf bei einem weiteren Index aus, nämlich dem Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik. Dieser vereinigt die durchschnittlichen Nettomieten bei Bestandes-, Wieder- und Neuvermietungen. Auch hier zeigt sich ein Anstieg, und zwar um knapp sieben Prozent seit 2011. Die Mieten entwickelten sich praktisch im Gleichschritt zu den Löhnen, die im Durchschnitt real um sechs Prozent gestiegen sind. Konstant blieb somit auch das Gewicht der Wohnkosten im Landesindex der Konsumentenpreise.

Bestandesmieten sanken seit 2011 um 5,4 Prozent

Zu guter Letzt zeigen die Berechnungen der Mieten bei bestehenden Mietverträgen (Bestandesmiete) klar rückläufige Tendenzen. Seit 2011 sind sie im Schweizer Schnitt um 5,4 Prozent gesunken. Der Hauptgrund ist der gesunkene Referenzzinssatz, der seit einem Jahr noch 1,25 Prozent beträgt. Die Bestandesmieten könnten noch tiefer sein, doch fordern jeweils längst nicht alle Mieterinnen und Mieter die Senkung der Miete ein, wenn der Bundesrat den Referenzzinssatz senkt.

Wenn man es verpasst hat, die Senkung einzufordern, kann man das auch noch nachträglich (aber nicht rückwirkend) tun. Einen Hinweis darauf, ob man die letzte Senkung eingefordert (oder vom Vermieter von sich aus bekommen) hat, gibt das Datum eines Mietvertragsabschlusses. Auf der Homepage des Bundesamts für Mietwesen kann man nachlesen, wann die Referenzzinssatzsenkungen erfolgt sind. Einfordern kann man eine Senkung natürlich nur für die Zeit, in der man schon in Miete ist, nicht darüber hinaus.

Längste Mietdauer in Regionen Freiamt und Aarau

Die hohe Neubautätigkeit in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass sich das verfügbare Angebot für die Mieterinnen und Mieter vergrössert hat und attraktiver geworden ist. Dennoch, so Robert Weinert, «hat sich bei den Mietvertragsdauern nicht viel verändert, obwohl ein grosser Leerwohnungsbestand lockt. Viele Mieterinnen und Mieter sind mit ihrer Wohnung zufrieden».

Im Mittel bleiben Personen eines Haushalts knapp sieben Jahre in einer Mietwohnung, bevor sie wieder umziehen. Im Aargau ist sie überdurchschnittlich hoch: In den Regionen Baden, Brugg-Zurzach, Fricktal und Mutschellen beträgt sie sechs bis acht, in den Regionen Freiamt und Aarau acht bis zehn Jahre. Am grössten sind die Mietdauern mit über zehn Jahren an besonders gefragten und teuren Standorten wie in Genf oder am Zürichsee. Kein Wunder, wer dort mal eine Wohnung hat, der behält sie.

Veränderte Lagen und Grössen beim Angebot

Bei genauerer Betrachtung der inserierten Wohnungen offenbart sich laut der Spezialuntersuchung, dass nicht nur die grösseren Angebotsmengen, sondern auch Qualitätsveränderungen zum Rückgang der Angebotsmieten beigetragen haben. Denn in den letzten Jahren sind immer mehr Wohnungen ausserhalb der reichen Gemeinden, Grosszentren und deren inneren Agglomerationen sowie immer mehr kleinere Wohnungen entstanden.

Wenn man Qualitätsunterschiede rausrechnet, wird’s teurer

Werden die Qualitätsunterschiede von Wohnungen bei der Indexberechnung «herausgerechnet», ergibt sich ein anderes Bild als bei den Angebotsmieten. Dann zeigt sich basierend auf den effektiven Mietpreisabschlüssen, «dass heute für eine gleich grosse, vergleichbar ausgestattete und gleich gut gelegene Mietwohnung im Schweizer Mittel fünf Prozent mehr bezahlt werden muss als noch vor sieben Jahren. Dieser Anstieg erfolgte auf sehr ähnlichem Niveau wie der Anstieg der nominalen Löhne um 4,4 Prozent im gleichen Zeitraum.

 

Jeder vierte Konsumfranken geht fürs Wohnen drauf

Die Wohnkosten sind für die meisten Schweizer Haushalte der grösste Ausgabenposten im Haushaltsbudget: Rund 28 Prozent der Konsumausgaben (respektive 14 Prozent des Bruttoeinkommens) werden gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) für Wohnen und Energie ausgegeben. Die mittlere Belastung für Einpersonenhaushalte liegt bei 35 Prozent, für Paarhaushalte bei 25 Prozent und für Haushalte mit Kindern nur leicht tiefer bei 24 Prozent.