Bei diesem Reusstaler Hanf bleibt der Flash aus

Es ging schnell: Im Mai hatte der Niederwiler Landwirt Andreas Hufschmid erstmals Kontakt mit Stevens Senn, CEO des Hanf-Produktionsunternehmens Pure Production in Zeiningen, und bereits im Juni/Juli wurden auf einer Fläche von 130 Aren in Nesselnbach rund 1500 Hanfpflanzen gesetzt. Legaler Hanf selbstverständlich, mit einem THC-Wert von deutlich unter 1 %. Davon könnte man die ganze Ernte am Stück rauchen, man würde nicht high.

Die gegen drei Tonnen Hanf, die in den letzten drei Wochen von zwei Dutzend polnischer Erntehelfer in aufwendiger Handarbeit geerntet worden sind, haben jedoch einen hohen CBD-Anteil. CBD-Produkte boomen in der Schweiz. Die Nachfrage ist enorm. Die Rede ist vom «Gras der Stunde» und vom neuen «Goldfieber». CBD ist ein nicht psychoaktives Cannabinoid. Es löst keinen Flash aus, weil es nicht auf das zentrale Nervensystem wirkt und die Wahrnehmung nicht trübt. CBD wirke beruhigend und helfe gegen Krämpfe, Entzündungen, Angstzustände und Übelkeit, sagen Konsumenten.

Die medizinische Wirkung von CBD ist bisher noch nicht absolut belegt. Forscher und Ärzte vermuten jedoch aufgrund der bisherigen Erkenntnisse, das legale Gras könnte als Medikament für viele Krankheiten verwendet werden. Gesprochen wird von möglichen therapeutischen Wirkungen gegen Epilepsie, Angststörungen, Schlafstörungen, Übelkeit, Psychose, Depression und sogar Krebs. Entsprechende spezifische Heilversprechen dürfen in der Schweiz wegen der noch fehlenden wissenschaftlichen Grundlage bisher jedoch nicht abgegeben werden.

Grösste Indoor-Anlage in Europa

Zurück zum Anfang: «Ich weiss, wie man Böden bearbeitet und gute Bedingungen für das Pflanzenwachstum schafft. Aber vom Hanfanbau hatte ich bis im Frühling keine Ahnung», sagt Andreas Hufschmid. «Wir hatten Erfahrung mit dem Indoor-Anbau von Hanf. In einer Halle in Fischbach-Göslikon betreiben wir auf 5000 m2 die grösste Anlage Europas. Die Pflanzen werden von 1000 Lampen à je 1000 Watt beleuchtet. Aber das Outdoor-Know-how hat uns gefehlt. Da konnten wir auf die Erfahrung von Andreas Hufschmid zurückgreifen», sagt Stevens Senn.

Die Zusammenarbeit hat sich bewährt: «Es gibt viele Leute, die sich im boomenden Hanf-Geschäft bewegen. Nicht alle sind so seriös wie Stevens Senn. Es war eine Bauch-Entscheidung im Frühling, aber es war im Nachhinein betrachtet eine gute Entscheidung», sagt Hufschmid. Der gelernte Maschinenmechaniker und Landwirt mit Handelsdiplom ist – wie schon sein Vater Guido – sehr innovativ: «Man muss Neues wagen, wenn man vorwärtskommen will.» Ob Hanf jetzt ein weiteres Standbein der schon bisher vielfältig produzierenden Dorfschür wird (so heisst der Hufschmid-Familienbetrieb in Nesselnbach), lässt der junge Landwirt vorderhand offen: «Die Premiere ist geglückt. Das haben wir sicher auch dem optimalen Wetter in diesem Sommer zu verdanken. Ich möchte mich noch nicht festlegen, wie unsere Hanf-Zukunft aussieht. Doch es war ein vielversprechender Anfang und wir machen im nächsten Jahr sicher weiter.»

Hanfpflanzer als Tüftler

Stevens Senn und Andreas Hufschmid haben das Projekt gemeinsam angepackt und verschiedene Dinge ausgetüftelt, die zum Erfolg beigetragen haben: «Der Hanf kommt erst in die Blütenphase, wenn die Lichtverhältnisse stimmen. Optimal wird es, wenn sich Tageslicht und Dunkelheit im 12-Stunden-Turnus abwechseln. Vorher wachsen die Pflanzen lediglich in die Höhe. Um zu verhindern, dass sie zu gross werden und reihenweise knicken, wenn die Blüten zu schwer werden, haben wir sie erstens später als üblich gepflanzt», erklärt Senn, «und als zweite Massnahme gegen das unerwünschte Abknicken haben wir ca. 0,5 Meter über dem Boden Netze gespannt. Ein Problem beim Hanfanbau ist, dass zu schnell und zu stark wachsende Stämme für die schweren Blüten zu leicht sind», hat Hufschmid gelernt.

Auch bei der Bewässerung liess sich der Landwirt etwas einfallen: «Um Krankheiten vorzubeugen, sollte der Hanf nie von oben bewässert werden. Wir haben deshalb fünf Zentimeter tief im Boden Tropfschläuche gezogen. In Kombination mit den Mulch-Folien, die wir zur Unkrautbekämpfung verlegten, ergab sich ein willkommener Nebeneffekt. So haben wir Feuchtigkeit und Wärme halten können, und auch die Nährstoffe blieben länger im Boden.»

Von Anbau-Premiere begeistert

Senn ist vom Resultat begeistert: «Das Ergebnis ist schlichtweg sensationell. Damit können wir uns im Vergleich schweizweit sehen lassen.» Und was macht er jetzt mit der Ernte? Mit seiner Pure-Holding AG, die er erst 2017 in Zeiningen gegründet und aufgebaut hat und die mittlerweile bereits rund 40 Personen beschäftigt, produziert und vertreibt Senn verschiedene Nahrungsergänzungsprodukte wie Hanfextrakt mit Vitamin B oder geschälten und ungeschälten Hanfsamen, aber auch Tabakersatz wie Swiss Weeds, der aktuell auch von den Kiosken der Valora-Gruppe vertrieben wird. Man kann den in Nesselnbach produzierten Hanf letztlich also doch rauchen? «Sicher», lacht Senn, «aber man wird davon nicht berauscht, und in unserem ‹Tabak› hat es weder Nikotin noch Teer und auch keine anderen Stoffe mit Suchtpotenzial.»