Betrugsmasche über Booking: Plötzlich standen Fremde vor Stefanie Grafs Tür, die ihr Haus gebucht haben

Es klingelt an der Türe. Davor stehen Fremde, die der verdutzten Bewohnerin erklären, dass sie das Haus gemietet haben. Was sich anhört wie aus einem Film, wurde für Stefanie Graf aus Seon zur Realität. Und das gleich drei Mal – bis jetzt.

«Zuerst dachten ich und mein Mann, dass es sich nur um ein Missverständnis handelt», erzählt die 27-Jährige. Seit rund drei Jahren wohnt das Ehepaar zur Miete im Parterre eines Hauses mit drei Wohnungen. Unerwarteter Besuch ist dabei nichts Neues: «Es kam schon öfter vor, dass sich jemand verfahren hat und fälschlicherweise bei uns gelandet ist, da die Navigationssysteme in diesem Gebiet teilweise falsche Angaben machen», erzählt sie. Was sie aber nun erlebt, ist aussergewöhnlich.

An einem Nachmittag Ende September, Stefanie Graf ist gerade im Garten, zeigen ihr ihre beiden Hunde Besuch an. Vor der Haustüre stehen zwei Männer aus Polen. «Sie erzählten mir und meinem Mann, dass sie bei uns eine Unterkunft für einige Nächte gebucht haben.» Das Ehepaar glaubt an eine Verwechslung und schickt die Männer einige Häuser weiter, wo sich ein Bed and Breakfast befindet.

Zuerst dachten sie an einen schlechten Scherz

Doch der Vorfall wiederholt sich. Einige Tage später, an einem Mittwochabend um 21 Uhr, klingeln wieder Besucher beim Haus. Das Ehepaar Graf ist dieses Mal nicht zu Hause, die Türe öffnet der Nachbar aus dem zweiten Stock. Er erzählt den anderen Bewohnern des Hauses später von dem Vorfall. «Da dachte ich, dass sich jemand einen schlechten Scherz mit uns erlaubt», erzählt Graf. Dass es sich um einen professionell aufgezogenen Betrug handelt, wusste sie da noch nicht. Und auch nicht, dass es nicht der letzte Besuch dieser Art sein sollte.

Als die Hunde Paavo und Quira das nächste Mal auf unerwarteten Besuch hinweisen, ist es Freitagabend, 23.15 Uhr. Stefanie Graf und ihr Mann liegen da schon im Bett. Vor der Türe stehen drei Italienerinnen. Die Geschichte, die sie erzählen, ist dieselbe wie bei den vorherigen Besuchern: Sie haben eine Unterkunft für mehrere Nächte gebucht und dafür 1200 Franken im Voraus bezahlt. Die Verständigung gestaltet sich als schwierig, da die Frauen nur Italienisch und gebrochen Englisch sprechen. Sie zeigen Grafs Mann die Buchung, die sie über die Plattform «Booking.com» getätigt haben.

Die Fotos der Unterkunft stimmen nicht mit dem Haus überein

In der Anzeige wird ein Haus mit drei grossen Schlafzimmern, einem Wohnzimmer und einer grossen Küche angeboten. Der Text ist teils auf Englisch und teils auf Deutsch verfasst. Die Adresse stimmt mit derjenigen von Grafs überein. Da enden die Gemeinsamkeiten jedoch auch schon. Die Bilder in der Anzeige, welche das Innere der Unterkunft zeigen sollen (Aussenbilder gibt es nicht), haben nichts mit dem tatsächlichen Haus gemein. Auf der Buchungsbestätigung ist ausserdem eine Telefonnummer des Anbieters vermerkt. «Mein Mann probierte anzurufen, die Nummer war jedoch nicht vergeben», erzählt die 27-Jährige. Schweren Herzens schicken sie die drei Italienerinnen weg.

«Wir hätten ihnen sehr gerne geholfen, haben aber höchstens Platz für eine Person, die auf dem Sofa schlafen könnte.»

Am nächsten Tag informiert der Ehemann von Stefanie Graf die Regionalpolizei Lenzburg. Dort wird ihm mitgeteilt, dass man nichts machen könne, da er nur Mieter des Objektes sei. Daraufhin meldet sich auch der Eigentümer des Hauses bei der Regionalpolizei. «Da aber auch er keinen Schaden erlitten hat, konnte in diesem Fall nichts getan werden», erzählt Stefanie Graf. Gemäss Kantonspolizei Aargau dürfte es sich bei dem Fall um einen Betrug und damit um ein Offizialdelikt handeln. Dafür werde strafprozessual kein Strafantrag eines oder einer Geschädigten benötigt. «Die Polizei wird tätig, sobald sie Kenntnis davon hat», sagt Corina Winkler, Mediensprecherin der Kantonspolizei.

Mit diesem Inserat lockten die Betrüger Übernachtungsgäste nach Seon.

Mit diesem Inserat lockten die Betrüger Übernachtungsgäste nach Seon.

Screenshot Booking.com

Das Angebot auf Booking.com war bereits an jenem Abend, als die drei Italienerinnen vor der Türe standen, nicht mehr buchbar. Die Buchungsplattform selbst kontaktierten Grafs nicht. «Wir waren der Meinung, dass es nichts bringt.» Eine andere Hausbewohnerin testete jedoch, wie kompliziert es ist, dort selbst eine Wohnungsanzeige zu stellen. «Es geht definitiv viel zu einfach», sagt Graf. Viel mehr schockiere sie jedoch der Betrug an sich. «Ich finde es unfassbar frech, schlimm ist es aber vor allem für die Menschen, die das Haus gebucht haben und teilweise aus dem Ausland anreisen.»

Kantonspolizei rät zur Recherche vor Buchung

Der Kantonspolizei Aargau sind Fälle wie dieser in Seon bekannt. «Diese bekannte Masche nennt sich Vorschussbetrug», sagt Mediensprecher Bernhard Graser. Es würden jedoch kaum Fälle verzeichnet, die zur Anzeige gebracht werden. «Um nicht auf Betrüger hereinzufallen, raten wir, das Mieten solcher Objekte von A-Z über die Buchungsplattformen abzuwickeln.» Misstrauen sei angezeigt, wenn die vermeintlichen Vermieter plötzlich darauf drängen, die Zahlung direkt zu leisten. «Im Zweifel macht auch Sinn, im Internet das Mietobjekt zu recherchieren. Stellt man Missbrauch fest, sollte dies der Buchungsplattform gemeldet werden», so der Mediensprecher. Booking.com hat auf eine Anfrage der AZ nicht reagiert.

Die Bewohner des Hauses in Seon hoffen, dass keine weiteren Vorfälle dieser Art folgen werden. Trotzdem haben sie einen Notfallplan entwickelt. «Wir haben uns abgesprochen, wer noch Matratzen hat, damit wir, falls es wieder vorkommen sollte, den Betroffenen eine Schlafstelle anbieten können», so Stefanie Graf.