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Mann will gefundene Fahrräder reparieren und verkaufen – dann landet er wegen Hehlerei vor Gericht

«Wer’s findet, darf’s behalten.» – das Sprichwort hat in der realen Welt nur begrenzte Gültigkeit. Das realisierte der 35-jährige Giovanni (alle Namen geändert), als eines Tages die Polizei vor seiner Tür stand und seine Wohnung durchsuchen wollte. Den später erhaltenen Strafbefehl wegen Hehlerei und Nichtanzeigen eines Fundes in mehreren Fällen wollte Giovanni nicht akzeptieren; die Staatsanwaltschaft forderte eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Franken sowie eine Busse von 900 Franken. Auf Giovannis Einspruch hin landete der ganze Fall vor dem Bezirksgericht Aarau.

Doch von vorn: Giovanni ist Informatiker, kennt sich mit Computern aus, aber ist gleichzeitig auch handwerklich begabt. Als Hobby und Nebenerwerb, und weil er im Studium viel über Nachhaltigkeit gelernt hat, kauft er im Internet immer wieder defekte Telefone und sonstige Gegenstände, die andere wegwerfen würden. Die repariert er und verkauft sie dann wieder, insgesamt schon fast 200-mal.

Darunter auch Fahrräder, die er gefunden hat. Vor allem im Raum Zürich, wo Giovanni wohnt, aber auch in Lostorf und einmal in Aarau. Und gerade das Letzte wurde ihm schliesslich zum Verhängnis: In einer Baugrube der Baustelle an der Hinteren Bahnhofstrasse lag ein rotes Sultana-Fahrrad, neu mindestens 885 Franken wert.

Das eigene Fahrrad noch einmal gekauft

Giovanni nahm es mit nach Hause, reparierte es und stellte es schliesslich auf eine bekannte Schweizer Auktionsplattform, wie er es immer tat. Da fand es schliesslich Pascal, der ursprüngliche Besitzer des Fahrrads, dem das Velo einen Monat zuvor gestohlen wurde. Nun wurde es im Netz als «Vintage Citybike ‹Sultana› 28-Zoll» angepriesen, frisch ab Service, mit Abholung in Zürich. Pascal, Verwaltungsangestellter, in der Region wohnhaft und passionierter Velofahrer, rief die Polizei und ersteigerte sein Velo nach Rücksprache mit den Behörden für 142 Franken.

So wurde das Velo auf einer Auktionsplattform angepriesen.

Pascal ist an der Verhandlung in Aarau dabei als Privatkläger. Und auch Giovanni erscheint als Beschuldigter: Er habe den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft angefochten, erklärt er dem Gerichtspräsidenten Reto Leiser, weil er nach Beendigung des Studiums eine Arbeitsstelle suchen will. Dabei sei der drohende Strafregistereintrag eine unverhältnismässig schwere Behinderung. Er sieht aber ein, dass er die Funde hätte melden müssen. Das Velo in Aarau sei so stark verschmutzt und beschädigt gewesen, dass er einen wirtschaftlichen Totalschaden vermutet habe und davon ausgegangen sei, dass der Besitzer des Fahrrads es selber weggeworfen habe.

Geheime Vergleichsverhandlung

Richter Leiser wollte nicht einfach ein Urteil fällen und ordnete eine Vergleichsverhandlung an. In dieser Verhandlung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, erhielten Pascal und Giovanni die Gelegenheit, die ganze Sache unter Anleitung des Richters noch einmal zu besprechen. Mit dem Zweck, dass sich die beiden aussergerichtlich einig werden, was Zeit, Kosten und unangenehme Konsequenzen (etwa ein Strafregistereintrag) sparen kann.

Das taten sie bereits nach rund zehn Minuten – Pascal zog den Strafantrag zurück. Damit war die Hehlerei vom Tisch, und Richter Leiser blieb nichts anders übrig, als Giovanni freizusprechen und die Kosten der Verhandlung auf die Staatskasse zu nehmen: Denn Nichtanzeigen eines Fundes würde bedingen, dass die von Giovanni mitgenommenen Fahrräder im juristischen Sinne als Fund gelten. Das taten sie aber laut Leiser nicht, da sie gestohlen wurden.

Er mahnte Giovanni aber, sich für die Zukunft eine andere Beschäftigung zu suchen, denn Hehlerei sei kein Kavaliersdelikt. Und wenn Giovanni eine gestohlene Sache finde und an sich nehme, verhindere er damit, dass diese gefunden werde – und wenn er sie verkauft, sei das nun mal Hehlerei. Giovanni könne sich bei Pascal bedanken, denn ohne Rückzug des Strafantrags wäre er glasklar verurteilt worden. Das tat dieser nach der Verhandlung auch und versprach, sich die Fahrräder für die Reparatur auf eine ordentliche Art und Weise zu beschaffen.

Fund ab 10 Franken unbedingt melden

Nach der Urteilsbegründung erläuterte Richter Leiser auch, wie man sich im Falle eines Fundes verhalten soll: Findet man einen Gegenstand, soll man das grundsätzlich der Polizei melden. Dazu ist man auch verpflichtet, sofern der Wert des Gegenstands 10 Franken übersteigt.

Könne während fünf Jahren ab Anzeige der Eigentümer nicht festgestellt werden, dürfe man den Gegenstand behalten. Ausser bei verderblichen Sachen wie Lebensmitteln, da gelte eine andere Frist, aber in diese Kategorie gehört ein Velo laut Leiser nun wirklich nicht.