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«FHNW zertifikatsfrei»: Studierende kritisieren Coronaregeln an der Fachhochschule – Beschwerde gegen Zertifikatspflicht noch hängig

Corona-Testcenter im Container beim Campus der FHNW in Brugg-Windisch: Studierende kritisieren, dass Tests nur an drei Vormittagen möglich sind und kein allgemein gültiges Zertifikat ergeben.

Seit einem Monat gilt an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) die Zertifikatspflicht für Dozierende, Studierende und andere Angestellte. Schon vor der Einführung kündigte ein Institutsleiter und kritisierte, mit dem Zertifikat würden einige Studentinnen und Studenten vom Unterricht ausgeschlossen. Später kritisierte die Interessengemeinschaft «FHNW zertifikatsfrei» die Regelung scharf, schliesslich reichten eine Dozentin und eine Studentin eine Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht ein.

Die Rechtsanwältin der beiden Beschwerdeführerinnen stellte sich auf den Standpunkt, durch die Eingabe ergebe sich eine aufschiebende Wirkung und die Zertifikatspflicht sei temporär ausser Kraft gesetzt. Die FHNW-Leitung hielt jedoch an der Regelung fest und teilte mit, das Schutzkonzept mit der Zertifikatspflicht bleibe in Kraft.

Student ohne Zertifikat in Muttenz BL vom Campus weggewiesen

Ein Student, der kein Zertifikat hatte, wurde daraufhin in Muttenz BL vom Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) weggewiesen. Er hat diesen Entscheid mit einer Beschwerde angefochten – verfasst von der gleichen Anwältin, die schon die grundsätzliche Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht verfasste.

Diese einzelne Eingabe des Studenten ist noch hängig, einen Grundsatzentscheid hat die Beschwerdekommission der FHNW aber gefällt. Auf Anfrage der AZ bestätigt Präsidentin Caroline Meyer Honegger, dass die Kommission am 5. November der Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht die aufschiebende Wirkung entzogen hat.

Silja Meyer, die Anwältin der zertifikatskritischen Studierenden, hält auf Anfrage fest: «Die Beschwerdekommission begründet den Entzug der aufschiebenden Wirkung und das Festhalten an der Zertifikatspflicht mit den steigenden Fallzahlen, der angeblich gefährlichen Coronasituation und allgemein mit der Pandemie – aus meiner Sicht ist dies nicht haltbar.» Bis sich die Kommission inhaltlich mit der Beschwerde auseinandergesetzt habe, dürfte es nach ihrer Einschätzung mehrere Wochen oder Monate dauern.

Damit gilt die Zertifikatspflicht weiterhin und auch Sprecher Dominik Lehmann sagt: «Angesichts der aktuellen Pandemie-Lage in der Schweiz hält die FHNW zurzeit an ihrem aktuellen Schutzkonzept mit Zertifikatspflicht fest.»

Wie lange die Kommission braucht, um die Beschwerde dagegen inhaltlich zu behandeln, kann Präsidentin Meyer Honegger nicht abschätzen. Sollte die Kommission die Zertifikatspflicht bestätigen, könnten die Beschwerdeführer dies beim Aargauer Verwaltungsgericht anfechten.

IG «FHNW zertifikatsfrei» übt Kritik und bringt Vorschläge

Vorerst versucht die IG «FHNW zertifikatsfrei» aber, ihr Ziel im Gespräch und mit einem Schreiben an Daniel Halter, Mitglied des Direktionspräsidiums, zu erreichen. Der Brief an Halter liegt der AZ vor, darin führen die Studierenden mehrere Kritikpunkte auf und machen Vorschläge.

Testangebot nur an drei Tagen: Das Angebot sei für Studierende akzeptabel, die lückenlos am Montag-, Mittwoch- und Freitagmorgen an die FHNW reisen, heisst es im Brief. Dies sei bei den wenigsten Vollzeitstudierenden und schon gar nicht bei den Teilzeitstudierenden der Fall. Jedes Mal, wenn dieser Kreislauf verlassen wird, ist dies mit privaten Kosten oder zusätzlicher Reisezeit verbunden.

Kein offizielles Zertifikat: Dass getestete Studierende trotz PCR-Methode kein offizielles Zertifikat und damit keinen Zugang zu Mensa, Bibliothek, Exkursionen oder Unisport erhalten, sei nicht tolerierbar und entspreche in keiner Art und Weise einem gleichberechtigten Zugang zu Bildung. «Auch der Test an der FHNW muss zwingend ein BAG-Zertifikat zur Folge haben», fordert die Interessengemeinschaft.

Antigen-Schnelltests statt PCR-Pooltests: Als Alternative zum aktuellen Testangebot schlagen die Studierenden den Einsatz von Antigen-Schnelltests vor. So könnten Studierende und Mitarbeitende mit einem negativen Test die Gebäude der FHNW rasch betreten. Teilzeitstudierende könnten sich an ihren Arbeitstagen zudem effektiv auf ihre Arbeit oder Kinderbetreuungsaufgaben konzentrieren.

Masken nur in vollen Räumen: Wenn die Zertifikatspflicht aufgehoben würde, soll in Räumen, deren Kapazität zu mehr als 50 Prozent ausgeschöpft wird, eine grundsätzliche Maskenpflicht gelten. Mit Einverständnis aller Personen im Raum sollen die Masken jedoch abgelegt werden dürfen. Liegt die Auslastung unter 50 Prozent und werden die Abstände eingehalten, soll Maskentragen freiwillig sein.

FHNW-Sprecher weist Forderungen zurück und spricht von kleiner Minderheit der Kritiker

Die AZ hat Fachhochschulsprecher Dominik Lehmann die Forderungen der Studierenden vorgelegt. Beim Testangebot sagt Lehmann, man setze weiterhin auf personalisierte gepoolte PCR-Speicheltests. Der Zugang zur FHNW mit Antigen-Schnelltests stehe zurzeit nicht zur Diskussion.

Zu den Masken-Vorschlägen der Studierenden sagt Lehmann, das aktuelle Schutzkonzept der FHNW sehe eine Maskenpflicht vor. Die Masken können in Veranstaltungen abgelegt werden, wenn alle Anwesenden ein Zertifikat oder ein negatives Testergebnis vorweisen und mit dem Verzicht auf die Maske einverstanden sind. «Eine Änderung dieser Regelung ist im Moment nicht geplant», hält Lehmann fest.

Zudem betont der Sprecher: «Die grosse Mehrheit der Studierenden unterstützt die von der FHNW getroffenen Massnahmen und damit die Möglichkeit, Präsenzveranstaltungen zu besuchen.» Auch die Studierendenorganisation der FHNW begrüsse das Schutzkonzept. Lehmann hält fest: «Bei den Studierenden, die sich einzeln oder organisiert bei der Hochschulleitung gegen die Massnahmen ausgesprochen haben, handelt es sich um eine kleine Minderheit.»

IG «FHNW zertifikatsfrei» fordert Ausstiegsszenario und Umfrage

Ein Student, der zur Interessengemeinschaft «FHNW zertifikatsfrei» gehört, sagt auf Anfrage, die Petition der IG gegen das Zertifikat hätten rund 380 Personen unterzeichnet. Wie viele Studierende der Zertifikatspflicht kritisch gegenüber stünden, sei aus seiner Sicht unklar. «Wir fordern seit längerem eine Umfrage unter allen Studierenden, aber die Leitung der FHNW ist bisher nicht darauf eingegangen», sagt er.

Zudem vermisst der Student ein Ausstiegsszenario, um den Betrieb mit Zertifikatspflicht wieder zu beenden. Derzeit verstecke sich die Schulleitung hinter den Gratistests, geimpfte Studierende würden die Regeln mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen, aber für Ungeimpfte sei das Regime sehr mühsam. «Weil man sich nur an drei Vormittagen testen lassen kann, muss man bei Vorlesungen am Montagmorgen zum Beispiel privat einen Test organisieren, das kann keine Dauerlösung sein», kritisiert der Vertreter der IG «FHNW zertifikatsfrei».