
«Blackhawk» als neuer Star? Der Ferrari unter den Schlitten im grossen Schnee-Test
Der «Blackhawk» erwischt mich auf dem falschen Fuss. Ich war auf vieles gefasst, aber nicht darauf, dass dieser Schlitten genau das Gegenteil dessen macht, was ich will. Gut, es war ein Sprung ins kalte Wasser. Verführt vom Versprechen nach Spass und Tempo. Als ich Alex Maienfisch kontaktierte und wissen wollte, was denn so neu sei an diesem Schlitten, den er als Skihersteller da im Sortiment führe, lachte er und meinte: «Vieles, aber eigentlich ist es ein neues Fahren. Dieser Schlitten gleitet auf gehärteten Skibelägen, da hat ein Davoser nicht den Hauch einer Chance in einer flachen Passage. Das ist Fahrspass auf einem neuen Niveau.»
Wer würde da nicht schwach? Also treffen wir uns an einem Montagmorgen um 9.30 Uhr auf dem Männlichen. Stahlblauer Himmel, gigantische Kulisse. Doch noch versteckt sich die Sonne hinter dem Eiger. Wir fahren die Schlittelstrecke auf Ski hinunter. Rekognoszierung für den grossen Schlittentest. Wie sieht die Strecke aus? Wo gibt es tückische Kurven? Maienfisch sagt: «Gerade in engen Kurven werden Sie sehen, dass sich der ‚Blackhawk’ auch besser lenken lässt als ein Davoser.»
Warum ein Schlitten? Weil während Jahren kaum Innovationen
Das Lachen von Yves Aeschbacher schallt durchs Telefon, als ich ihm von meinen anfänglichen Mühen mit «seinem» Schlitten erzähle. Aeschbacher ist der Erfinder des «Blackhawk». Die Anfänge des Rodel-Schlittens, so die korrekte Bezeichnung, reichen zurück in Aeschbachers Studium. Industrie-Design an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Knapp sechs Jahre ist es her, da setzte er sich mit zwei Studienkollegen das Ziel, ein Sportgerät zu revolutionieren. Sie entschieden sich für den Davoser Schlitten. Ein Klassiker in den Bergen, kaum wegzudenken aus den Schweizer Winterlandschaften. Zugleich seit Jahrzehnten ohne nennenswerte Innovationen – das reizte Aeschbacher und seine Studienkollegen. Also begannen sie zu recherchieren und tüfteln.
Inputs von den Bergbahnen, dem BfU und aus eigenen Erfahrungen
Sie investierten Stunden, Wochen, Monate, Studienzeit, freie Wochenenden, Ferien – und entwickelten ein Vehikel namens «Aroc», einen Carving-Schlitten, gesteuert durch Gewichtsverlagerung. «Ein mega cooles Gerät», erinnert sich Aeschbacher, aber auch viel zu schwer und zu teuer für den Markt. «Aroc» scheiterte, aber die Kontakte hatte Aeschbacher geknüpft, sein Wissen aufgebaut. Die Idee, einen neuen Schlitten zu entwickeln, schlummerte in ihm. Vor drei Jahren nimmt er einen zweiten Anlauf.
Das Bedürfnis nach einem Update des Schlittens war ungebrochen vorhanden und ich hatte von den Bergbahnen, der Beratungsstelle für Unfallverhütung und aus unseren eigenen Erfahrungen so viele Inputs, dass ich nicht einfach aufgeben wollte», sagt der «Blackhawk»-Erfinder. Stapelbar müsste das Gerät sein, möglichst leicht, einfach in der Handhabung. Denn in Adelboden zum Beispiel vermieten sie an einem guten Tag 150 bis 200 Schlitten, die meisten werden mehrmals an die Sessel gehängt. Aeschbacher: «Da ist jedes gesparte Kilo Gold wert.» Für Aeschbacher selbst war klar, dass er ein qualitativ hochstehendes Gefährt bauen wollte, nachhaltig und sozial verantwortlich obendrein. Und natürlich müsste es Spass machen, darauf zu fahren.
Jede ist einzeln ersetzbar. Zusammengebaut wird alles in der Stiftung Wendepunkt in Oftringen AG, wo Leute arbeiten, die im primären Arbeitsmarkt – aus unterschiedlichsten Gründen – keine Stelle finden, und rund 30 Prozent der Herstellungskosten anfallen. Das war Aeschbacher ein Anliegen. Denn dort hat er einen Teil seines Zivildienstes absolviert, die Leute und ihre Mission schätzen gelernt.
Wie es zur Kooperation mit dem Mach-Skiproduzenten kam
Irgendwie stimmt an diesem Schlitten alles. Bloss mit der Steuerung kämpfe ich anfänglich. Zu stark die Macht der Gewohnheit, zu fest verankert sind all die Jahrzehnte auf dem Davoser. So erginge es vielen Schweizern zu Beginn, beruhigt mich Alex Maienfisch. Er wurde vor knapp einem Jahr Geschäftspartner von Aeschbacher. Er, der Ski-Produzent (Mach-Ski), und Aeschbacher, der Industriedesigner, haben sich im Attisholz SO kennen gelernt. Dort, in einem ehemaligen Verwaltungsgebäuden der Zellulosefabrik, haben sie ihre Büros. Aeschbacher platzte irgendwann Anfang 2019 bei Maienfisch herein, weil er sich dachte: «Der kann mir sicher einiges über den Schweizer Wintersport-Markt erzählen.» Sie reden, sie diskutieren und finden sich. Aeschbacher nutzt seine Kontakte zu den Bergbahnen, Maienfisch übernimmt den Sporthandel in der Schweiz, die internationale Vermarktung.
In wenigen Tagen wird der «Blackhawk» an der ISPO, der wichtigsten Messe für Wintersport, in München präsentiert. Die beiden Solothurner, Aeschbacher und Maienfisch, hoffen auf den internationalen Durchbruch. Die Chancen stehen gut. Denn der «Blackhawk» ist zwar ein teurer Spass – der Schlitten kostet 399 Franken –, aber er macht definitiv Spass. Hat man sich an die Steuerung gewöhnt, ist er deutlich besser zu steuern als ein Davoser. Und in der Fläche spielt Maienfisch, der mindestens zehn Kilo weniger auf die Waage bringt, mit mir, überholt mich nach Belieben. Also bitte wieder Schlitten wechseln. Den Spass will man auskosten, solange man kann.