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«Ich möchte den Diskurs anregen» – darum nahm der baldige Zufiker Vizeammann an der Coronademo teil

Coronaleugner, Impfgegner, Schwurbler – wer an Coronademos teilnimmt, wird so bezeichnet. Boris Sommer, derzeitiger Zufiker Gemeinderat und bald schon Vizeammann, sieht das anders. Er hat am Mittwochabend am Fackelumzug in Bremgarten teilgenommen, den die Freiheitstrychler angeführt haben.

Und zwar mit seiner ganzen Familie: Ehefrau, drei Kinder und Freunde. Ist er Coronaleugner? Impfgegner? «Nein», sagt er gelassen auf Anfrage der AZ. «Ich war aus zwei Gründen da. Einerseits hat mir die Atmosphäre sehr gut gefallen mit den Fackeln und den ganz unterschiedlichen Leuten. Andererseits finde ich aber auch, dass man den Diskurs anregen sollte, gerade beim Thema Corona.»

Boris Sommer (SVP) übernimmt im Januar das Amt des Zufiker Vizeammanns. Und er nahm am Fackelumzug der Freiheitstrychler in Bremgarten teil.

Für ihn sei der Begriff Freiheit ganz wichtig: «Ich bin nicht geimpft, finde aber, dass das jeder selber für sich entscheiden sollte. Denn jeder muss sein eigenes Risikomanagement machen.» Er sei nicht per se gegen das Impfen, «meine Kinder sind beispielsweise auch geimpft». Aber er finde, als 36-jähriger, fitter Mann ohne Vorerkrankungen sei sein eigenes Risiko nicht hoch.

Er will zeigen, dass er keine Berührungsängste hat

Sollte er als baldiger Vizeammann von Zufikon wirklich an so einer Demo mitlaufen? «Auf jeden Fall», findet er. «Als Person in einem öffentlichen Amt sollte ich zeigen, dass mir die Anliegen der Leute wichtig sind und ich keine Berührungsängste habe. Ich sollte dabei sein.» Er sei ganz und gar kein Coronaleugner: «Ich halte mich an alle Vorschriften. Aber ich bin auch Vater und Bürger mit eigener Meinung.»

Das Wichtigste sei für ihn: «Wenn ich an so einer Demo gesehen werde und mich jemand fragt, wieso ich dabei war, dann beginnt bereits ein Diskurs. Und genau das ist für mich zentral. Wir sollten uns nicht gegenseitig verteufeln, sondern miteinander reden.»

Das habe ihm in den vergangenen Monaten oft gefehlt: «Regierung und Medien haben in meinem Empfinden unausgewogen kommuniziert. Qualifizierte Fakten und Meinungen sind dabei untergegangen. Die auf dieser Basis gefällten Entscheidungen haben das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit aus dem Gleichgewicht gebracht. Es ist so weit gekommen, dass sich die Fronten verhärtet haben, Beziehungen jeglicher Art haben darunter gelitten und sind sogar zerbrochen.» In anderen Worten:

«Mit meiner Teilnahme am Fackelumzug möchte ich ein Zeichen setzen, dass man darüber reden sollte.»

Es sei Zeit für eine ehrliche Manöverkritik, findet er. «Irren ist menschlich. Man muss aber auch dazu stehen können, um für die Zukunft besser zu werden.»

Es könne so viel helfen, wenn man einander wieder mehr zuhören würde. Dazu brauche es auch ein gewisses Mass an Kritikfähigkeit, denn man könnte vom anderen vielleicht etwas lernen, wenn man es denn zulässt, findet der SVP-Politiker. Denn: «Ich bin davon überzeugt, wir leiden viel stärker unter den zerbrochenen Beziehungen als unter dem Virus selbst.»

Stadtammann findet, das müsse jeder selber wissen

Wie sieht das der Bremgarter Stadtammann Raymond Tellenbach? Sollte eine Person in einem öffentlichen Amt sich an einer solchen Demonstration zeigen? «Die Demo in Bremgarten war nicht bewilligt, da finde ich es schon nicht unbedingt geschickt, wenn man mitläuft. Aber sie war friedlich und es ist jedem selber überlassen, ob er sich daran beteiligen möchte.» Wie steht er generell dazu, dass sich Politiker an Demos beteiligen – nicht speziell auf Corona bezogen? Er sagt:

«Was oft vergessen wird: Wir sind nicht nur Politiker, sondern auch Privatpersonen, die eigene Standpunkte vertreten.»

So sei es durchaus legitim, für seine Überzeugungen auch einmal eine Demonstration zu besuchen. Er fügt hinzu: «Wenn es allerdings um Themen geht, die spezifisch Bremgarten betreffen, dann wäre das etwas anderes. Wenn damals beim Streit ums Budget meine Stadtratskollegen beispielsweise an einer Kundgebung mitgemacht hätten, dann hätte ich das nicht verstanden.»