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Ältester Kandidat nach verpasster Wiederwahl in den Einwohnerrat: «Alters-Bashing-Kommentare sind bloss die Spitze des Eisbergs»

In der Gesamterneuerungswahl für den 50-köpfigen Einwohnerrat Brugg verpassten mehrere langjährige Mitglieder die Wiederwahl. Unter ihnen ist FDPler Peter Haudenschild, der mit Jahrgang 1947 erneut der Älteste im Rat gewesen wäre. Mit 1017 Stimmen verpasste Haudenschild den Einzug ins Stadtparlament für eine dritte Amtsperiode um 34 Stimmen.

Der Wahlausgang vom 28. November positioniert ihn auf dem ersten Ersatzplatz der FDP, die ab 2022 gegenüber der aktuellen Amtsperiode mit einem Sitz weniger – 12 Ratsmitglieder statt deren 13 – im Gremium vertreten ist.

Die Einwohnerratstätigkeit wird ihm fehlen

«Ich bedaure, dass die Senioren, genauer die alten, weis(s)en Männer von der rot-grünen-jung-feministischen Welle ohne Rücksicht auf Verluste und Kompetenzen fast weggespült worden sind», beschreibt Peter Haudenschild seine Gemütslage einige Tage nach der verpassten Wahl. Gegen eine adäquate Vertretung aller im Parlament habe er nichts. Der Vater zwei erwachsener Söhne fährt fort:

«Persönlich bedaure ich, dass mein Engagement in der Brugger Politik anlässlich der Wahlen auf so bescheidene Resonanz gestossen ist.»

Er nennt seine Rolle als Initiant und Organisator im Komitee «Tempo 30: pauschal (fast) überall? Nein – für bessere Lösungen!» als Beispiel. Das Volk lehnte 2019 die Einführung von Tempo-30-Zonen auf Gemeindestrassen in einer Referendumsabstimmung ab.

Haudenschild verrät: «Ich hatte Freude an meinem Amt als Brugger Einwohnerrat. Das wird mir fehlen.» Das Stimmvolk habe gewählt und das sei zu respektieren.

Im Universitätssport wurde er zwangspensioniert

Als Grund hinter dem Resultat vermutet der 74-jährige Haudenschild klar sein Alter. «Obwohl in der Bundesverfassung gemäss Artikel 8 Altersdiskrimination wie weitere Arten der Diskrimination verboten ist und teilweise erfolgreich eingeklagt werden kann.» Der FDPler betont:

«In meinem Fall ist dieser Grund, der mir unverblümt auf Facebook, in persönlichen Gesprächen und im politischen Umfeld mehrfach genannt wurde, absurd.»

Nach seiner Pensionierung habe er als ehemaliger Triathlet und Ironman noch Sporttrainer gelernt. Auch in dieser Tätigkeit wurde sein Alter zum Hindernis. «Ich wurde als Trainingsleiter im Universitätssport letztes Jahr trotz bester Qualifikationen zwangspensioniert», meint der emeritierte Professor.

Gemeinsam mit SVPler Patrick von Niederhäusern lancierte Peter Haudenschild das Komitee gegen die Tempo-30-Zonen in Brugg.

Haudenschild weiss: «Geholfen hat offensichtlich auch nicht, dass ich mich dezidiert sachlich für die Brugger und Bruggerinnen unabhängig allfälliger Parteipolitik und Trends als konsequent Liberaler exponiert und eingesetzt habe.»

Der FDPler erlebt «Alters-Bashing»

Auf Facebook habe er einige Kommentare erhalten, in denen sich Personen aufgrund seines Alters gegen seine Wiederwahl aussprachen. Solche Kommentare und Bemerkungen, die er als «Alters-Bashing» bezeichnet, seien bloss die Spitze des Eisbergs. «Wer ein Bashing erlebt hat, weiss, warum es problematisch ist», sagt Haudenschild.

Die Senioren würden deswegen demnächst eine Volksinitiative starten, um gegen eine Altersdiskriminierung klagen zu können. Dazu meint er: «Eigentlich sollte das etwas Selbstverständliches sein in einer Demokratie wie der Schweiz, wo die Menschenrechte angeblich – auch jene der wachsenden Grosseltern- und Seniorengeneration – hochgehalten werden.»

Haudenschild politisiert weiterhin für seine Generation

Weiterhin politisch einsetzen wird sich Peter Haudenschild als Delegierter des Schweizerischen Verbands für Seniorenfragen im Schweizerischen Seniorenrat. In diese Position, in der man den Bundesrat berate, sei er für die laufende Amtsperiode gewählt und für eine weitere angefragt worden. «In dem Amt engagiere ich mich schweizweit für meine Seniorengeneration.» Diese mache rund 25 Prozent der Stimmbevölkerung aus und wachse tendenziell weiter.

Die Einwohnerratssitzungen finden zurzeit im Campussaal Brugg-Windisch statt. 

Aufgrund seiner Berufserfahrung als ehemaliger Versicherungsmathematiker und diplomierter Pensionsversicherungsexperte könne er sein Wissen insbesondere in die Lösung um die Stabilisierung der AHV, der Pensionskassen und der Säule 3a einbringen. «So kann ich verhindern, dass die angedrohte Kürzung bereits laufender Altersrenten umgesetzt wird», erklärt Haudenschild.

Bald könnte er wieder im Einwohnerrat sitzen

Während der nächsten Amtsperiode könnte Peter Haudenschild durch das Ausscheiden einer Parteikollegin oder eines -kollegen erneut zum Einwohnerratsmitglied werden. Basierend auf der Stimmenanzahl wurde er in den ersten Ersatzplatz der FDP gewählt. «Ich respektiere dieses Resultat und stehe für ein ‹Nachrücken› ganz normal wie jedermann zur Verfügung», so Haudenschild.