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Feinmechanik, Schlossen, Schmieden, Scannen – und nun auch Messerschleifen: Traditionsreiches Handwerk lebt weiter

René Müller (l.) hat die alten Messerschleifgeräte von Theo Dober übernommen, der 60 Jahre lang an der Aarauer Pelzgasse seine Messerschmiede führte.

Wer mit 94 Jahren mental wie körperlich noch so fit ist wie Theo Dober, der kann sich definitiv freuen. Bis vor sechs Jahren arbeitete der gelernte Messerschmied noch in seiner Werkstatt samt Laden in der Aarauer Pelzgasse. Dort führen seine Enkel Patrik und Andreas heute die Bar, die den Namen ihres Grossvaters trägt: «Theo».

Dieser zog seine Messerschleifmaschinen anfangs noch in den Keller und übernahm auf Anfrage weiter Aufträge von Kunden. Nun schliesst er dieses Kapitel definitiv: Vor wenigen Wochen hat der Erlinsbacher René Müller die Geräte von Theo Dober übernommen. Sie sind neu in seinem Kleinunternehmen Werkzeugbau Mueller im Buchser Wynenfeld gegenüber der Chocolat Frey, heute Delica.

Gut 70 Jahre alt ist Theo Dobers frühere Schleifmaschine, funktionieren tut sie nach wie vor einwandfrei. «Diese Geräte sind unverwüstlich», sagt er. Dabei spricht er aus Erfahrung: In den 1940er-Jahren absolvierte Theo Dober seine Lehre bei Victorinox, im Dezember 1947 trat der gebürtige Mühlauer seine erste Stelle bei der Schmiede Wullschleger an der Aarauer Rathausgasse an. «Ich wollte eigentlich Werkzeugbauer lernen, doch während dem Krieg war das Material knapp, Lehren dafür gab es nicht», erzählt er.

1957 übernahm das frühere Möbelhaus Strebel die Liegenschaft, seit 2018 ist dort das Co-Working-Lokal Byro drin. Theo Dober machte sich selbstständig und eröffnete ein Messergeschäft an der Pelzgasse, wo er schliesslich 60 Jahre lang wirkte. Er gilt als einer der letzten gelernten Messerschmiede im Kanton. Nur der Brugger Romano Chiecchi, der aktuell gesundheitsbedingt sein Geschäft schliessen musste, arbeitete offenbar noch länger.

Nun führt René Müller (r.) die Arbeit von Theo Dober im Buchser Wynenfeld fort.

René Müller entdeckte eine Marktlücke

Messer schmieden und schleifen kann aber auch René Müller. Der 51-Jährige bildete sich zum Metallbauschlosser aus, war dann Kunstschmied, später Kabelmonteur, arbeitete fünf Jahre in Asien, ehe er vor 21 Jahren in die Schweiz zurückkam. In seiner Tätigkeit als Unterhaltsmechaniker entdeckte er dann eine Marktlücke: Waren bei einer Industriemaschine gewisse Einzelteile abgenutzt oder gingen gar kaputt, war es oft schwierig, Ersatzteile dafür zu beschaffen, vor allem hierzulande.

René Müller beschloss deshalb, ein Unternehmen zu gründen und in der Region solche massgeschneiderte Teile anzufertigen: Die Gegenstände werden zum Beispiel mit einem 3D-Scanner in den Computer eingelesen, angepasst und mittels Fräsmaschinen neu hergestellt. Von Prototypen bis Kleinserien stellt er heute solche oft komplexe Ersatzkomponenten her für grosse Industriefirmen wie ABB, GE oder die Brugger Kabelwerke.

Allein der 3D-Scanner ermöglichte, weitere Märkte zu erobern: Seine Firma erhielt zum Beispiel bereits Anfragen zum Scannen von reparaturbedürftigen Kirchenglocken oder zum Digitalisieren von Produkten fürs Onlineshopping.

Nebst komplexer Mechanik auch traditionelles Schweissen und Schleifen

In René Müllers Kleinfirma arbeiten aktuell drei Techniker und zeitweise ein Ingenieur. Die Buchhaltung übernimmt Renés Ehefrau Julia, die von Anfang an bei diesem Abenteuer Eigenunternehmen mitgezogen hat, wie er erzählt.

Nebst komplexer Feinmechanik oder der digitalen Aufbereitung von Gegenständen setzt die Firma absichtlich auch traditionelle Handwerke fort: Als schönen Kontrast zum hochmodernen 3D-Scanner oder den Fräs- und Drehmaschinen im Erdgeschoss ist im Untergeschoss die Schlosserei samt Schmiedeesse und Amboss eingerichtet. Zu denen gesellt sich nun passenderweise die 70-jährige Messerschleifmaschine von Theo Dober.

Bei Werkzeugbau Mueller in Buchs werden noch Werkzeuge mit Ofen und Amboss geschmiedet.

René Müller hofft jetzt auf Aufträge zum Messerschleifen. Hotels und Restaurants hätten bereits angefragt. Doch auch Einzelpersonen dürften durchaus ihre Küchenmesser vorbeibringen. Dies sei nicht zuletzt im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig, sagt er und verspricht: Überrissen seien die Preise nicht.