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Überraschung in Bünzen: Spontan stellt sich doch ein neuer Gemeindeammann zur Wahl

Damit hätte am Dienstag in Bünzen wohl niemand gerechnet: Die Gemeinde hat einen neuen Ammann bekommen. Nach über zwei emotional geladenen Stunden liess der neugewählte Gemeinderat Marcel Riesen die Bombe platzen: «Ich stelle mich als Gemeindeammann zur Verfügung – wenn ihr mich denn wählt», sagte der 48-Jährige am Mikrofon.

Marcel Riesen stellt sich im Februar zur Wahl als Bünzens Gemeindeammann.

Mit dieser Verkündung endet in Bünzen das Bibbern darum, wer in der nächsten Amtsperiode der Gemeinde politisch vorstehen wird. Denn die amtierende Frau Gemeindeammann Marlise Müller präsidierte am Dienstagabend zum letzten Mal eine Gemeindeversammlung. Nach 16 Jahren tritt sie per Ende Dezember zurück, mit ihr ihre Ratskollegen Patrick Rüttimann und Peter Huber. «Dass ich euch einmal verabschieden muss, hätte ich nicht gedacht. Ich habe doch immer gesagt, ich sei die Erste, die geht», sagte Müller zu den beiden.

Doch bevor sie ihre Kollegen, die Schulpflege und langjährige Gemeindemitarbeitende verabschiedete, hatten die drei noch amtierenden Gemeinderäte ihre letzten Geschäfte abzuhandeln – und lösten beim Budget prompt eine Diskussion aus.

Eine zweite Instanz regelt die Diskussion ums Schützenhaus

Dass im Finanzplan 2022 das Budget der Musikgesellschaft um 2000 Franken gekürzt wurde, sorgte bei einigen der 104 anwesenden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für Unmut. Grund für die Kürzung sei einerseits ein Vergleich mit Beträgen anderer Gemeinden an deren Musikgesellschaften. Andererseits laufe ein Rechtsverfahren zwischen dem Gemeinderat und der Bünzer Musig, wie Peter Huber begründete. «Wenn wir dieses verlieren, müssen wir 2000 Franken bezahlen», sagte er.

Es geht um baurechtliche Fragen, die das Schützenhaus betreffen und die nun über eine zweite Instanz geklärt werden müssen. Vor einigen Jahren hat die Musikgesellschaft das Haus übernommen. «Es wurde bewilligt, dass dieses von uns – als Lager – und von der Waldspielgruppe benutzt werden darf», erzählte Präsident Lukas Müller.

Unterdessen werde die Spielgruppe hauptsächlich im Schützenhaus und nur noch einmal monatlich im Wald durchgeführt. Das Umnutzungsgesuch, das einen solchen Wechsel erlauben würde, lehnten Gemeinde und Kanton, in dessen Zuständigkeit das Schützenhaus fällt, ab. Nun sei eine Petition der Musikgesellschaft beim Regierungsrat hängig. «Es kann nicht sein, dass die Gemeinde uns deshalb die Subventionen kürzt. Das verstösst gegen mehrere Prinzipien», so Lukas Müller.

Bünzen sagt Ja zum Antrag zu Gunsten der Musikgesellschaft

Für den Gemeinderat ist die Situation klar: «Die Musikgesellschaft benützt etwas, das so nicht bewilligt wurde. Andere Bürger dürfen das auch nicht», sagte Marlise Müller. Trotzdem stimmten die Bünzerinnen und Bünzer dem Antrag, den Budgetposten wieder auf die bisherigen 5000 Franken zu erhöhen, mit 62 Ja- zu 32 Nein-Stimmen zu und sagten anschliessend Ja zum abgeänderten Budget 2022.

Die Bevölkerung erkannte auch die Dringlichkeit der anderen Traktanden. Grossmehrheitlich stimmten sie einer Schulraumerweiterung in Form eines Containers, einer Anpassung der Bushaltestellen im Dorf ans Behindertengleichstellungsgesetz sowie den Arbeiten am Strassendeckbelag und dem Ersatz der Wasserleitungen zu.

Der letzte und längste Teil der Gmeind wurde den Verabschiedungen gewidmet. Marlise Müller bedankte sich bei Elmar Huwyler, der nach 36 Jahren die Steuerkommission verlässt, und bei Paul Müller, der seit 18 Jahren als Stimmenzähler im Amt war.

«Ich verlasse die politische Bühne mit Wehmut»

Etwas wehmütig wurde sie, als sie den drei Mitgliedern der Schulpflege ihre Abschiedsgeschenke überreichen musste. «Am Anfang war die Zusammenarbeit etwas stürmisch, aber stets konstruktiv und anständig. In den letzten Jahren haben wir unter klarem Himmel zusammengearbeitet», bedankte sie sich bei Simone Müller, Renato Engel und Adrian Rosenberg.

Dann kam das grosse Adieu ihrer Ratskollegen. «Es hat Freude gemacht, mit euch zu arbeiten. Ihr beide habt stets lösungsorientiert politisiert, und zusammen haben wir manches heisse Eisen angefasst», blickt Müller zurück.

Sie selbst ist 1992 als Stimmenzählerin in den Dienst der Gemeinde eingetreten, war später Mitglied der Finanzkommission, «und 2006 bist du als Vizeammann in den Gemeinderat eingetreten, um vier Monate später das Amt des Ammanns zu übernehmen. Das hat viel Mut gebraucht, ich trau mir dieses Amt bis heute nicht zu», sagte Gemeinderat und zukünftiger Vizeammann Stefan Kuhn anerkennend.

Seine Rede und der anschliessende Applaus liessen Marlise Müller strahlen. «Das tut gut. Einige sagten über die Jahre: Die hat Haare auf den Zähnen», sagte sie und lachte. Das brauche man auch, wenn man als Frau führe. «Trotzdem verlasse ich die politische Bühne mit Wehmut. Ich habe mein Amt immer mit Leidenschaft ausgeführt.»