Sie sind hier: Home > Sport > Der FC Aarau findet den Stolz wieder, aber nicht den Sieg: Was in Wil gut und was schlecht lief

Der FC Aarau findet den Stolz wieder, aber nicht den Sieg: Was in Wil gut und was schlecht lief

Am Ende überwiegt wieder die Enttäuschung – wie schon eine Woche zuvor nach dem 0:2 in Schaffhausen. Doch es gibt einen grossen Unterschied: Dieses Mal müssen sich die Aarauer nicht vorwerfen lassen, sowohl sportlich als auch kämpferisch versagt zu haben. Nein – in Wil leben die Spieler wieder die Basistugenden, so, wie man das in jedem Spiel von einem Berufsfussballer erwarten darf. «Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass wir wieder die richtige Einstellung haben», sagt Trainer Stephan Keller, der den Abend in Schaffhausen im Training nicht mehr ausgiebig thematisiert habe – die Mängel seien selbstredend gewesen und die Einsicht bei den Spielern vorhanden.

In Wil sind die Gründe für die Ernüchterung andere: Der FC Aarau hat sich nicht belohnt dafür, dass er spielerisch die dominante Mannschaft war sowie mehr und vor allem viel klarere Torchancen hatte als der Gegner. Dass am Ende auch äussere Einflüsse das Resultat entscheidend beeinflussten, nämlich ein falscher Penaltypfiff vom (Aargauer!) Schiedsrichter Tobias Thies zugunsten der Wiler, akzentuierte die Gefühlslage bei den Aarauern natürlich.

Es läuft die 80. Minute, als Wil-Stürmer Silvio in den Aarauer Strafraum drängt und es dort zum Zweikampf mit Leon Bergsma kommt. Der Holländer in den Diensten des FCA spitzelt Silvio den Ball vom Fuss, die Situation scheint geklärt, ehe Silvio wie vom Blitz getroffen zu Boden plumpst – und der Schiedsrichter das Ganze tatsächlich als penaltywürdiges Eingreifen von Bergsma taxiert. Der 24-Jährige nach Spielschluss gefrustet: «Ich treffe nur den Ball – und vor allem legt sich Silvio vor dem Zweikampf den Ball mit der Hand vor. Schade, dass es so enden muss, wir haben eine gute Reaktion auf das Schaffhausen-Spiel gezeigt, dort kam gar nichts von uns – wir haben hier in Wil mehr verdient als das Unentschieden.»

Der Penaltypfiff irritierte auch vor dem Hintergrund, dass Schiedsrichter Thies bis dahin eine grosszügige Linie fuhr und etliche grenzwertige Duelle ungeahndet liess – um dann nach einem harmlosen Zweikampf auf Elfmeter zu entscheiden.

FC Wil – FC Aarau 2:2 (0:1)

Bergholz. – 760 Zuschauer. – SR: Thies. – Tore: 45. Njie (Rrudhani) 0:1. 63. Zumberi 1:1. 70. Spadanuda (Kronig) 1:2. 80. Fazliu 2:2 (Foulpenalty).

Wil: Keller; Dickenmann (57. Frei), Izmirlioglu, Sauter, Brahimi; Muntwiler; Bahloul (71. Reichmuth), Fazliu, Zumberi (71. Ndau), Lukembila; Silvio.

Aarau: Enzler; Thaler (51. Hasani), Bunjaku, Bergsma; Giger, Jäckle, Schneider (62. Balaj), Njie (89. Schwegler), Kronig; Spadanuda (89. Almeida), Rrudhani.

Bemerkungen: Wil ohne Abazi (krank), Daniel, De Mol, Ismaili, Krunic, Malinowski (alle verletzt), Miranda und Rustemoski (beide nicht im Aufgebot). Aarau ohne Thiesson (verletzt), Aratore, Gouano, Qollaku und Senyurt (alle nicht im Aufgebot). – 16. Lattenschuss Schneider. 51. Thaler verletzt ausgeschieden. 71. Zumberi verletzt ausgeschieden. – Verwarnungen: 55. Silvio (Foulspiel), 80. Bunjaku (Reklamieren), 92. Muntwiler (Foulspiel).

Item: So bitter das Ende – bis dahin vergingen 80 Spielminuten, in denen der FC Aarau genügend Torchancen hatte, dass ein falscher Penaltypfiff nur noch den Wert von Resultatkosmetik zur Folge gehabt hätte. Vor dem 1:0 durch Allen Njie vergaben zwei Mal Randy Schneider, zwei Mal Kevin Spadanuda und Donat Rrudhani beste Möglichkeiten und verpassten es, eine starke erste FCA-Halbzeit zu veredeln: Viel Tiefe im Angriffsspiel, bissige Zweikampfführung in der Defensive und ein grosses Laufpensum – die Mannschaft machte richtig Freude.

Donat Rrudhani steigerte sich wie alle Teamkollegen, im Torabschluss aber sündigte der Kosovare, so dass es letztlich nicht zum Sieg reichte.

Nach der Pause gelang es den Aarauern nur noch selten, die Überlegenheit in Torchancen umzumünzen, weshalb dann in der 63. Minute der erst zweite gefährliche Abschluss der Wiler gleich zum 1:1 durch Zumberi führte. Der spielerische Höhepunkt folgte nach 70 Minuten: Njie lanciert auf der linken Seite Jan Kronig, dessen perfekt getimter Steilpass findet Spadanuda, der seinem Gegenspieler locker davonsprintet und überlegt ins entfernte Toreck zum 2:1 für Aarau abschliesst. Ein Tor wie am Faden aufgezogen.

Zum Sieg reichte es zwar nicht, Inspiration gesammelt haben für den ultimativen Härtetest am kommenden Freitag dürften die Aarauer indes schon: Tabellenführer Winterthur kommt ins Brügglifeld, mit drei Punkten Vorsprung. Heisst: Zwei Wochen nach dem bisherigen Tiefpunkt der Saison kann Aarau zum Leaderthron aufschliessen – schon verrückt. «Schuld» daran sind die historisch engen Punkteabstände in der Challenge League. Abgesehen vom inferioren Schlusslicht Kriens (zwölf Punkte Rückstand aufs rettende Ufer) liegen alle Teams innerhalb von acht Punkten, das gabs noch nie.

Saisontor Nummer 8: Auf seinen Topskorer Spadanuda kann sich Aarau wie auf die Inkonstanz der Konkurrenz verlassen – und damit weiter auf den Aufstieg schielen.

Die Ausgeglichenheit führt aus Aarauer Sicht zu gemischten Gefühlen: Trotz Inkonstanz und insgesamt zu vielen Aussetzern ist der FCA im Aufstiegsrennen mittendrin statt nur Zuschauer. Aber es ist auch schade, dass Aarau bislang nicht regelmässig sein Potenzial abgerufen und sich an der Tabellenspitze bereits einen Vorsprung auf die Konkurrenz verschafft hat.