Keine Zertifikatspflicht für Lehrer, auch das repetitive Testen ist freiwillig: Müsste mehr getan werden?
Immer lauter wird der Ruf nach einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, etwa Pflegerinnen oder Altersheimbetreuer – und auch für Lehrpersonen. Eine im Kanton Zürich gegründete Elterngruppe mobilisiert seit Mai auf Twitter, wie die «Sonntags-Zeitung» schreibt.
Sie fordert für Lehrpersonen von Kindern unter zwölf Jahren eine 3G-Zertifikatspflicht. Ungeimpftes Lehrpersonal stecke sich leichter an und gefährde so die Kinder, begründen die Eltern ihr Anliegen.
Im Schulalltag unnötig
Für den Verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) ist eine Impf- oder Zertifikatspflicht für Lehrpersonen kein Thema. Und so sieht man das auch beim Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (ALV). «Eine Pflicht ist nicht angebracht», sagt Verbandspräsidentin Kathrin Scholl. Der Kontakt von Lehrpersonen zu Kindern sei nicht so nah und eng, im Alltag an einer Primar- oder Sekundarschule sei eine solche Anordnung unnötig.
Die Aargauer Lehrpersonen forderten, in eine priorisierte Impfkategorie aufgenommen zu werden. Das wurde den über 50-Jährigen gewährt. Laut Kathrin Scholl wurde das Angebot gut genutzt.
Jetzt die Lehrpersonen zum Schutz der Kinder zur Impfung oder zum Zertifikat zu drängen, macht ihrer Ansicht nach aber keinen Sinn, denn Kathrin Scholl ist überzeugt:
«In den wenigsten Fällen kam es bisher zu Ansteckungen von Lehrpersonen auf die Kinder.»
Lehrernetzwerk würde Pflicht bekämpfen
Die Befürchtung, dass für sie eine Zertifikats- oder Impfpflicht eingeführt wird, bestehe unter zahlreichen Lehrpersonen, welche sich beim massnahmekritischen Lehrernetzwerk Schweiz zusammengeschlossen haben, sagt Jérôme Schwyzer, Sekundarlehrer in Lenzburg und Präsident des Vereins. «Sollte sie eingeführt werden, prüfen wir alle möglichen Mittel, um sie zu bekämpfen», sagt er. Er begrüsst, dass der ALV sie ebenfalls ablehnt, und hofft, «dass dieser standhaft bleibt».
Per letzten Donnerstag waren 2300 Personen der Sekundarstufe II und rund 1300 der Sek I geimpft. Neue Zahlen werden heute veröffentlicht. Wie viele Lehrpersonen geimpft sind, lässt sich hingegen nicht sagen. Das wird für einzelne Berufsgruppen nicht erhoben. Auch eine kantonal vorgegebene Zertifikatspflicht für bestimmte Berufe gibt es nicht. «Die Umsetzung einer derartigen Massnahme wurde in den zuständigen Gremien des Kantons Aargau bisher nicht angedacht», schreibt das Gesundheitsdepartement. Weiter gebe es keine rechtliche Grundlage dafür, dass Lehrpersonen ihren Impfstatus offenlegen müssten.
Der Kanton empfiehlt aber allen Schulen, am repetitiven Testen teilzunehmen – das betrifft auch die Lehrerinnen und Lehrer, ist aber freiwillig. Laut Bildungsdepartement machen derzeit 200 Schuleinheiten beim repetitiven Testen mit.
Keine positiven Fälle mehr in Hotspot-Schulhaus
Darunter auch die Schule Angelrain in Lenzburg. Dort befand sich im vergangenen September einer der Hotspots für Corona-Ansteckungen an den Aargauer Schulen. Während zehn Tagen waren 29 Klassen der Lenzburger Schulen Angelrain, Mühlematt und Bleichenrain in Quarantäne, betroffen waren 607 Schülerinnen und Schüler.
Die Situation hat sich seither entspannt, auch wenn man nach den Herbstferien mit neuen Ansteckungen gerechnet habe, wie Schulleiterin Doris Lehmann sagt: «Wir machen immer noch beim repetitiven Testen mit, im Moment sieht die Lage sehr gut aus.» Zurzeit gebe es keine positiven Fälle oder Quarantäne-Anordnungen.
Seit 1. November keine Maskenpflicht mehr
Im ganzen Kanton befinden sich derzeit sechs Klassen in Quarantäne, seit dem 1. November waren es insgesamt zehn. Klassen-Quarantäne wird durch den Kanton nur noch in Ausnahmefällen angeordnet, etwa wenn sich in einer Klasse sehr viele Schülerinnen und Schüler angesteckt haben. Auch bei den Masken gilt seit Anfang November ein neues Regime, die Pflicht ab der 5. Klasse ist aufgehoben. Beim repetitiven Testen gab es seit dem 1. November kantonsweit 126 positive Mischproben an den Schulen.
«Mit den Tests hat man die Lage jetzt einigermassen im Griff», sagt Kathrin Scholl. Ihrer Meinung nach wäre es aber gut, es würden noch mehr Schulen beim Testen mitmachen. Doch die Lage sei jetzt, ein paar Wochen nach den Herbstferien, etwas entspannter als im August und September. Das liege aber auch daran, dass die Prozesse ständig optimiert würden, so Scholl:
«Der Kanton und die Schulen arbeiten eng zusammen, die Abläufe werden laufend den neuen Umständen angepasst, das funktioniert sehr gut.»
So würden auch wieder vereinzelt Lager durchgeführt, nachdem alle Teilnehmenden negativ getestet wurden. «Man ist natürlich vorsichtig, aber es ist wieder mehr möglich.»
Normalität zurück in Lenzburg
Auch in Lenzburg ist ein bisschen Normalität eingekehrt. Am Dienstag etwa fand in der Schule eine Lesenacht für die Kinder der 1. und 2. Klasse statt. «Es sind alle gekommen», freut sich Schulleiterin Lehmann.