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Leben im Omikron-Hotspot Südafrika: Aargauer Gemeinderat erlebt hautnah die Folgen der neuen Virusvariante

Es war der vergangene Freitag, als auf Silvan Herzigs Handy eine Hiobsbotschaft nach der anderen eintraf. Der 23-jährige Mellinger befand sich mit Freunden auf einem Ausflug in der ­Karoo-Hochebene – und auf einmal kamen diese Meldungen von einer besorgniserregenden Corona-Mutante, die anfangs noch Ny und wenig später Omikron genannt wurde. Der Hotspot: Südafrika.

Seit August weilt der frisch gewählte Mellinger Gemeinderat und Student im Austauschsemester an der Universität Stellenbosch nahe der südafrikanischen Metropole Kapstadt. Herzig spricht von einer regelrechten «Eskalations-Spirale», die das Land erfasst hat. Die Meldungen rissen nicht ab, und am Abend war bereits klar, dass diverse Nationen mit Flugverboten, Einreisebeschränkungen und Quarantänepflicht reagieren würden.

«Die Impfbereitschaft ist noch tiefer als in der Schweiz»

«Viele Leute hier und auch die Regierung von Präsident Cyril Ramaphosa zeigen wenig Verständnis für die Massnahmen aus dem Ausland», sagt Herzig. Historisch bedingt seien die Südafrikaner sehr skeptisch gegenüber Eingriffen aus dem Westen und Bevormundung. Das zeige sich auch an der Impfquote. «Die Impfbereitschaft ist noch tiefer als in der Schweiz», sagt der Politik- und Geschichtsstudent.

Derzeit sind 25 Prozent der 60 Millionen Einwohner vollständig geimpft. Mit der Booster-Impfung hat das Land bereits begonnen, bevor Omikron auf der Landkarte erschien. Impfstoff wäre vorhanden, auch wenn er zu Beginn der Kampagne wie überall auf der Welt knapp war.

Südafrika sei nun von vielen neuen Massnahmen betroffen, schildert Herzig. «Einen erneuten Lockdown schliesst die Regierung aber aus.» Land und Leute könnten sich dies nicht leisten, «ein Lockdown geht hier im wahrsten Sinne des Wortes ans Lebendige». Der starke Anstieg der Fallzahlen kommt ohnehin zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: In Südafrika ist jetzt Sommer und Tourismus-Saison.

Herzigs Rückkehr in die Schweiz steht in den Sternen

Omikron betrifft Herzig auch ganz persönlich. Das Semester ist bereits zu Ende, er wollte seine letzten Wochen im Süden des Kontinents mit Reisen verbringen. Nächste Woche war ein Trip nach Namibia geplant. Das alles steht nun in den Sternen – wie auch seine Rückkehr in die Heimat.

Ab dem 1. Januar gehört Herzig offiziell dem Mellinger Gemeinderat an. Im September wurde er überraschend mit dem besten Ergebnis in die Exekutive gewählt. Den Wahlkampf bestritt er so gut wie möglich aus der Ferne. «Es war eine spezielle Situation», sagt er. Einerseits war er mittendrin im Mellinger Polit-Hotspot, andererseits war er doch weit weg.

An der neuen Verteilung der Ressorts, die am Montagabend verhandelt wurde, nahm er per Videokonferenz teil. Gut möglich, dass seine erste Gemeinderatssitzung ebenfalls virtuell stattfinden wird. Diese ist für den 10. Januar angekündigt. Ursprünglich wollte Herzig am 8. Januar wieder in der Schweiz sein. Doch nach derzeitigem Stand müsste er nach seiner Ankunft zehn Tage in Quarantäne.

Es droht ein Weihnachtsfest in Quarantäne

Herzig zieht es in Betracht, einen früheren Flug zu ergattern. Die Airlines Swiss und Edelweiss fliegen vorerst weiter. Der Grund: Schweizer Bürger sollen die Möglichkeit haben, ins Land zurückzukehren. Allerdings droht auch für diesen Fall ein unschönes Szenario: Herzig läuft Gefahr, Weihnachten in Quarantäne zu verbringen.

Silvan Herzig studiert an der Universität Stellenbosch Politik und Geschichte.

Freunde aus der Schweiz, die Herzig besuchen wollten, haben ihre Reise bereits abgesagt. Trotz aller Unbill wirkt der junge Mellinger, der in einem Wohnhaus für Studenten lebt, bedacht und unaufgeregt. Es gelte nun, das Beste aus der Situation zu machen. Die rigorosen Lockdowns, die Südafrika ergriffen hatte, fanden alle vor seiner Ankunft statt.

Sportanlässe ohne Zuschauer und keine Zertifikatspflicht

Als Herzig im August ankam, war er bereits doppelt geimpft. Damals galt von 20 bis 4 Uhr eine Ausgangssperre. Mittlerweile beginnt sie um Mitternacht. Sonst sei alles offen und vergleichbar mit der Schweiz. In den öffentlichen Verkehrsmitteln und in den Geschäften tragen die Leute Masken, auf den Strassen kaum. In Innenräumen sind Veranstaltungen mit bis zu 750 Personen erlaubt, aussen dürfen es maximal 2000 sein. Sportanlässe finden hingegen ganz ohne Zuschauer statt.

Eine Zertifikatspflicht kennt das Land nicht, stattdessen wird beim Betreten von Restaurants und Läden Fieber gemessen und man muss seine Kontaktdaten angeben. «Aber bisher wurde ich vom Contact-Tracing noch nie kontaktiert», sagt Herzig. Die steigenden Fallzahlen will das Land mit Impfen bekämpfen, dies gab der Präsident bei seiner Ansprache am Sonntag bekannt.

Massnahmen wie ein erneutes Verkaufsverbot für Alkohol und Tabak sind nicht vorgesehen. «Das hat seinerzeit zu regelrechten Aufständen geführt», erinnert sich Herzig. Dennoch: Das Land leidet, viele stehen vor dem Nichts. «Eine staatliche Unterstützung für Betroffene gibt es zwar», sagt Herzig, aber es sei unglaublich schwierig, an diese heranzukommen.