
Corona vermiest den Kurztrip ins Ausland: Davon profitieren Campingplätze und Hotels im Aargau

Noch herrscht auf dem Campingplatz Sulz Ruhe vor dem grossen Sturm: Die eingefleischten Wohnwagenbesitzer dürften aktuell die letzten einsamen Tage geniessen. Der Campingplatz direkt an der Reuss wird über Ostern rappelvoll sein. «Für das schlechte Wetter, das am Wochenende erwartet wird, sind das überdurchschnittlich viele Buchungen», sagt Betreiber Hansjörg Kohler. Er führt das auf die begrenzten Möglichkeiten durch die Pandemie zurück.
Der Campingplatz hatte so viele Anfragen, dass er sogar Gäste abweisen musste. «Wegen dem schlechten Wetter im Tessin, hatten viele wohl keine Lust extra den weiten Weg auf sich zu nehmen und haben sich für eine regionale Alternative entschieden», sagt Kohler. Andere hätten wahrscheinlich in der südlichen Schweiz keinen Platz mehr gefunden und seien ausgewichen.
Das verlängerte Osterwochenende eignet sich in einem normalen Jahr perfekt, um einen Städtetrip ins Ausland zu buchen, oder gleich Ferien anzuhängen und am Strand die Sonne zu geniessen. Doch schon zum zweiten Mal ist an Ostern nichts normal. Die Fallzahlen steigen in vielen Ländern wieder und das BAG rät von nicht zwingenden Reisen ab.
Zwar kann man theoretisch trotzdem ins Ausland reisen, doch das gestaltet sich kompliziert: Viele Destinationen verlangen einen negativen PCR-Test, und steht das Land auf der Risikoliste des BAG muss man danach in Quarantäne. Ausserdem gelten in vielen Ländern auch Beschränkungen. Und ein Urlaub ohne Barbesuch und Shopping macht dann eben doch nur halb so viel Spass.
Auch für die Sommerferien wurden schon Campingplätze gebucht
Die Schweizer bleiben über die kommenden Ostertage also vermehrt im eigenen Land. Ganz auf das Feriengefühl wollen viele trotzdem nicht verzichten. Sie buchen Ferien in der Schweiz: Das Tessin rüstet sich bereits für die reisehungrigen Deutschschweizer. Viele Aargauer verzichten dieses Jahr aber auch auf grosse Sprünge in der Schweiz und bleiben über die Ostertage im eigenen Kanton. Weil die Campingplätze letztes Jahr gar nicht aufmachen konnten, dürften viele das Wohnwagen- oder Zelterlebnis dieses Jahr nachholen wollen.
Am Wochenende wird also einiges los sein auf dem Campingplatz Sulz. Coronabedingt achten die Betreiber auf mehr Abstand zwischen den Wohnwagen. Weil der Platz eine Fläche von drei Hektaren hat, stellt das für die Betreiber kein Problem dar. Auch für die Sommermonate kamen bereits Anfragen rein. Zwar hat es noch Platz, dass die Camper so früh buchen, sei aber auffällig und wohl eine Erscheinung der Pandemie.
Auch der Campingplatz in Frick war dieses Jahr schon sehr früh ausgebucht. Er bietet Platz für 20 Touristenplätze. «Die Ostertage sind zwar immer beliebt, doch dieses Jahr ging es besonders schnell», sagt Betreiber Fabian Benz.
Aargauer Hotels sind an den Wochenenden ausgebucht
Nicht nur die Campingplätze merken die spezielle Lage, auch Hotels mit attraktiver Lage sind im Aargau momentan beliebt. Im Seehotel Hallwil sind über die Ostertage alle Zimmer ausgebucht. «Nach den schlechten Wetterprognosen hatten wir zwar einige Stornierungen, doch die Zimmer füllten sich sehr schnell wieder», sagt Gastgeber Willy Nyffenegger. Dass das Hotel direkt am See über die Ostertage ausgebucht ist, sei nicht aussergewöhnlich. Doch anders als sonst, seien alle Gäste ausnahmslos aus der Schweiz, viele sogar aus der Umgebung selber:
«Wir spüren das Verlangen der Menschen nach regionalen Ausflügen während der Pandemie.»
Nyffenegger, der zusammen mit seiner Frau das Hotel betreibt, hat die Chance auf lokale Gäste genutzt und bietet spezielle «Wochenend-Packages» an. Das Angebot nutzten die Menschen: «Die Wochenenden sind schon länger immer ausgebucht, die Leute wollen einfach raus aus den eigenen vier Wänden.» Für Nyffenegger kommen die Buchungen gelegen: Über die ganze Pandemie gerechnet fehlte dem Hotel etwa 50 Prozent der Übernachtungen.
Auch das Seerose Resort am Hallwilersee spürt das Bedürfnis der Menschen, raus in die Natur zu kommen und etwas Abwechslung zu geniessen. Für das kommende lange Wochenende sind auch dort nahezu alle Zimmer belegt. Zwar sei das Wellness Hotel auch zu normalen Ostern beliebt, der Andrang sei dieses Jahr aber noch etwas grösser. Und an den übrigen Wochenenden sei das Hotel sogar besser gebucht als in einem coronafreien Jahr, sagt Besitzer Felix Suhner: «Durch den Gastronomielockdown ist die Zimmerbelegung überdurchschnittlich hoch. Die Menschen wollen wieder mal auswärts essen und einen Service geniessen.»
Einige wenige, bei denen das Fernweh zu stark ist, buchen trotzdem Ferien im Ausland. Beim Reisebüro Globetrotter in Aarau sind aber nicht viele Buchungen zu verzeichnen. «Auch wenn ein Land momentan keine Beschränkungen hat, kann sich die Situation sehr rasch verändern», sagt Sandra Studer von Globetrotter. Vielen ist das zu unsicher und sie bleiben lieber im Inland.
Buchen die Leute trotzdem, seien vor allem Ägypten, Mexico, Costa Rica oder Portugal beliebt. Diese Länder stehen nicht auf der Risikoliste des BAG, man muss danach also nicht in Quarantäne. Mexico verlangt ausserdem keinen Coronatest bei der Einreise. Wer eine Reise antritt sei komplett unterschiedlich, von Jung bis Alt sei alles dabei, erklärt Suter: «Es sind all jene, die es nicht mehr aushalten in der Schweiz.»
Ein Jahr zum Vergessen für die Aargauer Hotellerie
Bereits vergangenes Jahr verunmöglichte die Pandemie grössere Reisen. Und auch damals machten die Aargauerinnen und Aargauer deswegen eher Ferien in der Region. Doch auch dieser Umstand vermochte das Jahr für die Aargauer Beherbergungsbetriebe nicht zu retten. Die Bilanz fällt katastrophal aus. Die Anzahl Logiernächte halbierte sich fast im Vergleich zum Vorjahr. Statt 750’000 waren es noch 410’000.
Dieser Rückgang sucht seinesgleichen. Seit Erhebung der Daten 1970 verzeichnete der Aargau noch nie so wenige Logiernächte.
Der grösste Brocken, der wegfiel, waren dabei die ausländischen Gäste. 360’000 Logiernächte buchten ausländische Gäste noch 2019. Vergangenes Jahr waren es dann gerade noch 140’000. Das sind fast zwei Drittel weniger.
Aber auch bei den inländischen Gästen zeigt sich: Zwar war hier der Rückgang nicht ganz so dramatisch. Dennoch buchten auch Schweizerinnen und Schweizer etwa 120’000 Logiernächte weniger im Aargau als noch im Vorjahr. Ein Rückgang von knapp 30 Prozent.
Besonders bitter war die Situation für die Aargauer Beherbergungsbetriebe in der ersten Welle, vom März bis und mit Juni. In diesen Monaten verzeichneten sie gerade Mal einen Bruchteil der sonstigen Logiernächte. Im Sommer erholte sich die Situation zwar ein wenig, doch in keinem einzigen Monat wurde das Vorjahresniveau erreicht. Und ab November ging es wieder bergab. Im Januar diesen Jahres wurden etwa ein Drittel der Nächte vom Januar 2019 gebucht.
Trotz dieser Zahlen: Ein Massensterben der Aargauer Beherbergungsbetriebe befürchtet Andrea Portmann, Direktorin von Aargau Tourismus, nicht. Dies vor allem deshalb, weil die Betriebe in den vergangenen Jahren gut gearbeitet hätten. Und weil der Kanton, gerade für die Gastronomie-Betriebe, schnelle und einfache Hilfszahlungen aufgegleist habe. «Ich glaube aber auch nicht, dass Ende 2021 wieder alles gut sein wird. Wir werden mehr Zeit brauchen», sagt Portmann.
Denn die Prognosen sind schwierig. Die Pandemie wird auch dieses Jahr wieder ihre Spuren hinterlassen. Doch wie schlimm wird es? Ab wann sind Reisen wieder möglich? Werden die inländischen Gäste in den Aargau kommen? Solche Fragen sind alle noch offen. «Wir hoffen natürlich, dass es nicht ganz so schlimm wird wie vergangenes Jahr», sagt Portmann.
Eine weitere Unbekannte: Was passiert mit den Geschäftsreisen? Gerade für den Aargau sind sie eine wichtige Einnahmequelle. Macht die Digitalisierung solche Reisen hinfällig? Es gebe Kreise, die davon ausgehen, sagt Portmann. Sie selbst glaubt aber nicht daran: «Die Digitalisierung löst nicht alle Probleme. Es geht auch viel an Wissen, Austausch oder Kreativität verloren.» Ausserdem sei gerade bei internationalen Geschäften eine Vertrauensbasis sehr wichtig. Wird diese künftig ausschliesslich digital aufgebaut? Portmann: «Ich wage es zu bezweifeln.»
So oder so: Für Aargau Tourismus gilt es aktuell, dort zu helfen, wo es möglich ist. Und das heisst im Moment vor allem: Inländische Gäste anlocken. Vergangenes Jahr arbeitete der Kanton dazu mit dem Thurgau zusammen, um Gäste aus der Ostschweiz anzulocken. Solche Kooperationen sollen auch dieses Jahr wieder stattfinden. Und sogar noch ausgebaut werden.
Doch das Problem bei den inländischen Gästen ist: Auch die anderen Kantone kämpfen um sie. Auch solche, mit einem stärker ausgebauten Tourismus-Sektor, etwa das Tessin. Der Aargau habe aber einen Vorteil:
«Der Aargau gilt als touristisch noch nicht so entdeckt. Das müssen wir positiv werten.»