
Damit es etwas gerechter wird: 70 Millionen Franken mehr Lohn für Aargauer Lehrer
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Löhne der Lehrpersonen an der Aargauer Volksschule sind im interkantonalen Vergleich mit den Nachbarkantonen und Basel-Stadt nicht mehr konkurrenzfähig.
So verdient im Aargau eine Lehrperson an der Sekundarstufe I im 11. Dienstjahr 93’372 Franken; im Schnitt der Nachbarkantone beträgt der Lohn für die gleiche Tätigkeit aber 105’491 Franken; eine Differenz also von über 1000 Franken im Monat.
Zudem mussten die Lehrpersonen im Aargau durch die rigiden Sparmassnahmen des Grossen Rates seit 2013 eine faktische Lohnsenkung hinnehmen. So verdient heute eine 36-jährige Lehrperson Sekundarstufe I rund 6650 Franken weniger, als eine 36-jährige Lehrperson im Jahr 2013 verdiente.
In der politischen Diskussion ist unbestritten, dass diese markanten Lohnunterschiede ein Grund für den akuten Lehrermangel im Aargau sind. Denn viele, vor allem junge Lehrpersonen, ziehen es vor, in einem Nachbarkanton zu unterrichten, wo sie deutlich mehr verdienen. Will der Aargau seine Lehrerinnen und Lehrer an den Aargauer Schulen halten, muss er sie besser bezahlen. Auch das gilt als unbestritten.
Zudem hat sich das Verwaltungsgericht das Lohnsystem nach einer Klage der Primalehrerinnen genauer angeschaut und ist zum Schluss gekommen, dass eine Revision angebracht ist, weil nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden kann, dass das aktuelle Lohnsystem diskriminierungsfrei sei.
Im Oktober 2018 nahm deshalb das Bildungsdepartment BKS das Projekt Arcus in Angriff mit dem Ziel, das Lohnsystem für Lehrpersonen und Schulleitungen wieder auf eine solide Basis zu stellen.
Angestrebt werde ein System, das die Lohnpolitik transparent mache, juristischen Massstäben genüge, konkurrenzfähig im Vergleich mit den Nachbarkantonen sei und die Berufserfahrung der Lehrpersonen berücksichtige, erklärte Projektleiterin Christine Fricker am Montag am Zurzibieter Gemeindeseminar zum Thema Bildung.
Quereinsteiger werden zurückgestuft
Im Unterschied zum bisherigen System soll das Lohnsystem künftig auf einer Funktionsbewertung basieren und neben dem Lebensalter auch die Berufserfahrung berücksichtigen. Zudem soll das Lohnmaximum nicht mehr nach rund 40 Jahren erreicht werden, sondern nach rund 30 Erfahrungsstufen.
Und die Kurve der Lohnentwicklung soll stärker ansteigen: Erreichte eine Lehrperson bisher nach 11 Dienstjahren 120 Prozent des Anfangslohns, sollen es künftig rund 130 Prozent sein. Damit bewegt man sich im Bereich der Nachbarkantone.
Dass nicht mehr allein das Lebensalter die Höhe des Lohnes definiert, werden vor allem Quereinsteiger zu spüren bekommen. Denn bisher erhielten sie, egal ob sie Berufserfahrung als Lehrperson mitbringen oder nicht, praktisch den gleichen Lohn wie die gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen, die schon jahrelang unterrichten. Eine Regelung, die oft als ungerecht und einseitig als Bevorteilung der Quereinsteiger kritisiert worden war – und wie es sie sonst in keinem anderen Beruf gibt. Damit soll nun Schluss sein.
Lohnrelevant sind neu aber auch weitere Kriterien. Geplant ist die Einstufung nach Funktionen. Diese berücksichtigt Aus- und Weiterbildung, Verantwortung und weitere Kriterien.
Das neue Lohnsystem für Lehrerinen und Lehrer bringt aber neben der besseren Bezahlung auch Laufbahnoptionen. Das sei eine sinnvolle Komponente, sagte kürzlich Philipp Grolimund, Co-Präsident des Verbands der Aargauer Schulleitenden. «Denn dadurch wird der Lehrberuf auch bei den Männern wieder an Attraktivität gewinnen.»
Gemeinden zahlen über 20 Millionen
Beim BKS habe man gründlich evaluiert, Benchmarking betrieben, zahlreiche Gespräche mit Schulleitungen und Lehrpersonen geführt und schliesslich Hochrechnungen angestellt, die verraten, was das neue Lohnsystem, das die genannten Anforderungen erfüllen will, ungefähr kosten wird.
Man rechne mit zusätzlichen jährlichen Kosten von rund 70 Millionen Franken, sagte Christine Fricker. Die Kosten werden nach dem üblichen Schlüssel für Lohnkosten der Lehrpersonen verteilt.: Der Kanton übernimmt zwei Drittel, die Gemeinden einen Drittel.
So sind im Aufgaben- und Finanzplan 2020–2023 pauschal 50 Millionen für den Kantonsteil aufgeführt, dazu kommen gut 20 Millionen für die Gemeinden. Bei rund 850 Millionen Franken Lohnkosten pro Jahr für die Volksschule wäre das eine Zunahme von knapp 8 Prozent.
Am Zurzibieter Gemeindeseminar 2019 zum Thema Bildung vom 23. September erklärte Bildungsdirektor Alex Hürzeler, dass der Regierungsrat die Eckwerte des neuen Lohnsystems beschlossen habe. Anfang 2020 können sich die Parteien und andere Interessierte im Rahmen der Anhörung zum neuen Lohnsystem äussern.
Entscheiden wird der Grosse Rat dann im Herbst 2020. Vorausschauend hat der Regierungsrat den Gemeinden bereits mitgeteilt, dass ab 2021 Mehrkosten von gut 20 Millionen Franken auf sie zukommen könnten.
Ob der Grosse Rat in einem Jahr den Vorschlägen der Regierung folgt und das neue Lohnsystem gutheisst, ob er grosszügiger oder knausriger entscheidet; inwieweit dieses Lohnsystem tatsächlich in der Lage ist, den Lehrermangel zu entschärfen – diese Fragen werden im nächsten Jahr die bildungspolitische Diskussion im Aargau dominieren.
