Das Fischzucht-Drama geht ans Obergericht

Eigentlich wäre es eine grüne Idylle an der Reuss. Am Hang blühen Holunderbü- sche, aus den Tuffsteinfelsen sprudelt klares Quellwasser in die Teiche. Wenn da nicht die Autobahnbrücke wäre. 50 Meter über der Fischzucht von Roman Hufschmid rauscht der Verkehr über das Reusstalviadukt zwischen Birmenstorf und Mülligen. Hufschmid, der hier vor zwölf Jahren den Baustoffhandel Birmenstorf und die Fischzucht übernahm, ist wü- tend: «Es ist unglaublich, was hier passiert. Wir werden mit einem riesigen Schaden, für den wir nichts können, alleingelassen.»

Die Autobahnbrücke wurde im August 2015 saniert. Als Bauarbeiter die Brücke mit Hochdruck reinigten, geschah das Unglück: Giftige Zementreste fielen in die Fischteiche, Tausende Tiere starben. Die Staatsanwaltschaft Baden hat gegen die beteiligten Bauunternehmen wegen Sachbeschädigung, Übertretung gegen das Tierschutzgesetz sowie Übertretung gegen das Bundesumweltschutzgesetz ein Verfahren eröffnet. Mitte März wurde das Verfahren eingestellt, weil nicht ermittelt werden konnte, «wodurch es zur lecken Stelle am Baustellenentwässerungssystem und damit zum Abfluss von Abwasser gekommen ist». Die Verfahrenskosten trägt der Kanton. Jetzt zieht Hufschmid den Fall an das Obergericht weiter. Er will die Einstellung nicht akzeptieren. «Und wenn wir am Obergericht abblitzen, klagen wir auf dem zivilrechtlichen Weg», sagt er.

Im Bericht der kantonalen Lebensmittelkontrolle vom August 2015 heisst es: «Die Fischteiche und die Umgebung (Pflanzen, Bauteile, Tische usw.) waren mit Rückständen der zurzeit in Sanierung befindenden Brücke übersät.» Bruchteile der sandgestrahlten Brücke in der Grösse von Staubpartikeln bis mehrere Zentimeter grosse Stücke hätten das ganze Areal der Fischzucht bedeckt. Die Fische schluckten Teile des Zementmörtels. Laut Gutachten starben die Regenbogenforellen und Saiblinge durch Nitrit und Chromtrioxid. Dieses ist im Wasser gut löslich, wirkt stark verätzend und ist giftig. Die kantonale Lebensmittelkontrolle verfügte nach einem Augenschein vor Ort: «Sämtliche Fische sind fach- und tierschutzgerecht zu entsorgen. Bevor neue Fische eingesetzt werden, sind die Teiche gründlich zu reinigen.»

Viele Fische starben am giftigen Mörtel oder hatten starke Verätzungen. Die restlichen Fische, die noch lebten, musste Hufschmid mit Stromstössen töten. Am Ende waren es laut Waagschein 5,38 Tonnen toter Fische, die in der Sondermülldeponie entsorgt werden mussten. Die Lebensmittelkontrolle liess die Fischzucht schliessen, seither darf Hufschmid keine Fische mehr halten und verkaufen. Allein den jährlichen Ertragsausfall dadurch schätzt er auf 70000 Franken. Insgesamt schätzt er seinen Schaden aber auf gegen eine halbe Million Franken.

Hufschmid ärgert sich besonders über das Bundesamt für Strassen (Astra), das bei der Sanierung des Reusstalviadukts als Bauherr auftrat. Er fühlt sich im Stich gelassen und fragt sich, warum das Astra nicht für den Schaden aufkommt. Schliesslich müsse das Bundesamt doch auch eine Haftpflichtversicherung haben. Zudem habe er in den letzten Monaten nie mehr etwas vom Astra gehört. Das Astra ist allerdings gar nicht für den Fall zuständig, wie Mediensprecher Thomas Rohrbach erklärt: «Der Fall ist rechtlich glasklar, das Astra hat hier keine Haftbarkeit.» Das Bauunternehmen habe einen Fehler gemacht und diesen zugegeben. «Ich verstehe natürlich, dass das unschön ist», sagt Rohrbach. «Aber Herr Hufschmid muss das mit dem Bauunternehmen und dessen Versicherung klären.» Zudem hätten Hufschmids Anwalt und der Rechtsdienst des Astra immer wieder Kontakt gehabt.

«Eine Schweinerei»
Hufschmid versteht trotzdem nicht, warum das Astra nicht die Verantwortung übernimmt: «Das Astra ist Besitzer der Autobahn, ich finde, es müsste dafür geradestehen. Aus meiner Sicht ist das eine Schweinerei.» Das Astra hat nach dem Vorfall ein Reinigungskonzept erstellt. Im Konzept heisst es: «Wasseranalyse nach Reinigung und Freigabe der Fischzucht durch das Lebensmittelinspektorat.» Das ist bisher beides nicht passiert. Hufschmid hat vergangene Woche auf eigene Kosten eine Boden- und eine Wasseranalyse machen lassen. Auch die Reinigungsarbeiten musste Hufschmid selbst durchführen und bezahlen, wie er sagt. Von fünf Versicherungen der Bauunternehmen hat Hufschmid bisher insgesamt 150000 Franken Schadenersatz zugesprochen bekommen. Enttäuscht ist Hufschmid auch vom Tierschutz. Es habe furchtbar wehgetan, zusehen zu müssen, wie die Fische litten. Als die verletzten Fische getötet werden sollten, habe es eine Woche gedauert, bis die Versicherung ihr Einverständnis gab. «Das war ein grausamer Anblick», sagt Hufschmid. «Es entschuldigt sich bis heute niemand, wir hö- ren nichts.» Aber er will nicht aufgeben: «Mein Ziel ist es, die Fischzucht noch dieses Jahr wieder zu eröffnen.»