
Das Kulturgut aus dem Ofen
Das echte Willisauer Ringli gibt es seit Ende der 1850er-Jahre aus dem Luzerner Hinterland. Was jedoch die wenigsten wissen: Der erste Bäcker, der das Originalrezept in die Hände bekam, hiess Heinrich Maurer und stammte aus dem aargauischen Schmiedrued.
Zitronenschalen, Honig, Zucker, Backpulver, Mehl und Orangenpaste in Wasser aufgelöst: Das sind bis heute die wenigen einfachen Zutaten des Originalrezepts des Willisauer Ringlis. Dasurim Ajradini, einer von 25 Mitarbeitern in der Willisauer Produktion, gibt sie gerade in eine grosse Teigschüssel. Dort wird der Teig zu einer Masse geformt und gemixt. Dann fügt Ajradini Mehl hinzu – damit der Teig, der rund 120 Kilogramm wiegt, eine Zeit lang ruhen kann. «Dank dem Weizeneiweiss-‹Kleber› im Mehl kann sich der Teig in der Ruhephase optimal entwickeln», erklärt Andreas Zemp, langjähriger Produktionsleiter in Willisau. Und Firmenchef Andreas Hug ergänzt: «Das Gute am Willisauer Ringli ist, dass wir kein Fett benötigen.» So gesehen ist das alte Rezept heute in Zeiten, in denen das Gesundheitsbewusstsein grossgeschrieben wird, moderner denn je. In den Anfängen des Kultguetzlis, das heute jedes Kind kennt, war das sicher noch weniger ein Verkaufsargument …
Rückblende: Heinrich Maurer (1819–1876), Sohn einer Bauernfamilie im aargauischen Schmiedrued, erlernte in Kulm den Bäckerberuf. Nach sieben Wanderjahren als Geselle liess sich der junge Berufsmann im Städtchen Willisau nieder. Damals wurde er wegen seiner Herkunft «Berner Beck» genannt (ein Teil Schmiedrueds war damals in Berner Besitz). Heinrich Maurer fand im Städtchen Willisau nicht nur Arbeit, sondern auch seine grosse Liebe. 1846 heiratete er Anna Peyer. Doch das Glück dauerte nicht lange – nach zehn Jahren verstarb seine erste Frau, die ihm zwei Töchter und einen Sohn geschenkt hatte. Der Zufall aber wollte es, dass Heinrich Maurer mit Martha Peyer, die aus derselben Familie stammte wie seine erste Frau, also eine Cousine von Anna war, 1858 zum zweiten Mal heiratete. Damit zog der damals 39-jährige Bäckermeister das grosse Los. Denn seine zweite Ehefrau Martha Peyer war mit der Familie Pfyffer vom Schloss Heidegg im luzernischen Seetal verwandt. Martha Peyer verbrachte einen langjährigen Aufenthalt dort und lernte die Ringli als eine Art Hausgebäck der Familie Pfyffer kennen.
Und durch die Pfyffers gelangte Heinrich Maurer an das Originalrezept der Willisauer Ringli. Seine zweite Frau brachte damals also quasi als Mitgift ein leckeres Hausrezept vom Schloss Heidegg in die Ehe. Das Gebäck mauserte sich alsbald zum beliebten Willisauer Ringli. Heute, mittlerweile unter der Firma Hug AG, werden im Jahr 154 Millionen Stück Ringli produziert. Und das Guetzli aus dem Luzerner Hinterland ist in der ganzen Schweiz und teilweise sogar im Ausland bekannt. Andreas Hug, Geschäftsleiter der Hug AG: «Das Willisauer Ringli ist nicht nur eines der wichtigsten Biscuits in unserem Sortiment – es ist ein Kulturgut, das eng mit der Geschichte des Städtlis Willisau verbunden ist.»
Nicht ganz in der Mitte
Zurück zur Produktionsstrasse und Dasurim Ajradini. Der weiss gekleidete Hug-Mitarbeiter gibt die Teigmasse in eine Maschine, die den Teig über eine Walze in Spritzdüsen füllt. Diese formen aus einer Teigwurst einen Ring direkt aufs Backblech. So entstehen dann die typische Form und das Loch als Markenzeichen des Guetzlis. Letzteres soll nicht ganz in der Mitte sein, weil das beim Original auch nicht der Fall war, sind sich die beiden Experten Andreas Zemp und Andreas Hug einig. Mitarbeiter Ajradini überprüft die Ringli auf ihr Gewicht, bevor sie in den fast 40 Meter langen Ofen geschoben werden. Dabei verrät Produktionsleiter Andreas Zemp noch ein kleines Betriebsgeheimnis: «Wir bespritzen die Ringlis vor dem Backen mit feinem Wasserdampf – so bekommen sie ihren unverwechselbaren Glanz.»
Das Backen dauert dann rund eine halbe Stunde. Danach kommen die fein duftenden Guetzli aufs Förderband zum Auskühlen. Täglich gehen so in Willisau 1,7 Tonnen Ringli vom Band. Im nahen Malters werden sie maschinell verpackt. Und von dort treten dann die altbekannten und doch so modernen Willisauer Ringli ihre Reise in die verschiedenen Läden im In- und Ausland an.