
«Dass diese Technologie den Alltag einst so verändern würde – für uns unvorstellbar»
Vor drei Wochen ist für Bernhard Plattner mit der Pensionierung eine über 30 Jahre lange erfolgreiche Karriere an der ETH zu Ende gegangen. Der Bibersteiner Elektroingenieur gilt nicht nur an der Hochschule als Koryphäe. Er hat unter anderem im Auftrag des Bunds herausgefunden, wie man den ersten Supercomputer der Schweiz mit den Hochschulen verbinden kann. Dabei war die damalige Kabeltechnologie lediglich dafür gedacht, benachbarte Gebäude miteinander zu verbinden. Plattner fand trotzdem einen Weg und verlegte sie kurzerhand durch den Gotthard – die mittlerweile zahlreichen Supercomputer der Schweiz stehen auch heute noch im Tessin.
Da ahnte noch keiner, dass Jahre später ein Forscher am Cern eine Weltrevolution entfachen würde: In den frühen Neunzigerjahren entwickelte Tim Berners-Lee in Genf das World Wide Web: Browser, Übertragungsprotokolle, eine Darstellungssprache für die Visualisierung von Inhalten – alles, was es brauchte, um das Internet den Massen zugänglich zu machen. «Wir dachten damals noch, dass das Internet einzig für den Austausch zwischen Forschern interessant ist», so Plattner. Er war auch mitverantwortlich für den Aufbau der Internetverbindung zwischen der ETH und der EPFL (L’Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne), dem ersten Internetkabel der Schweiz. Auch das mit einer Technologie, die eigentlich für Nachbarhäuser gedacht war: Alle paar Meter mussten sie an den Kabeln Geräte zwischenschalten, die das Signal verstärkten, um es über das damals wahrscheinlich längste Internetkabel der Welt übertragen zu können.
«Dass diese Technologie dereinst den Alltag so vieler Menschen verändern würde; für uns unvorstellbar», so Plattner. «Wie spät ich selbst die Bedeutung des World Wide Webs erkannt habe, zeigt auch, dass ich die Domain plattner.ch nicht besitze», sagt der Internetpionier und muss lachen. «Als ich sie nachgeschlagen habe, war sie schon seit Jahren vergeben.» Dabei ist Bernhard Plattner die Person schlechthin, die es hätte wissen müssen. Die Registrierung seines eigenen Namens hat er zwar verpasst, dafür hat der Forscher eine viel wichtigere Adresse ins erste Domainregister der Welt eingetragen. Es ist nichts Geringeres als die Adresse der Schweiz selbst. Plattner hat im Namen des Bundes bei Tim Berners-Lee die Domainendung .ch beantragt und zugewiesen erhalten. «Weil ich es war, der damals auf den Knopf gedrückt hat, nennen mich manche ‹Vater des Schweizer Internets›», sagt Plattner. Dabei geht seine Bedeutung auch in dieser Beziehung noch viel weiter: Nachdem die meisten Hochschulen der Schweiz miteinander verbunden worden waren, war er mitverantwortlich für die Demokratisierung des Internets. Weil sich die kleineren Hochschulen vor dem Einfluss der grossen Technischen Hochschulen fürchteten, war das eine wichtige Forderung von ihnen: Strukturen, die bei Verwendung und Weiterentwicklung der neuen Technologie Gleichberechtigung garantieren.
Internationales Renommee
Gemeinsam mit weiteren Forschern gründete Plattner zu diesem Zweck die Stiftung Switch, die viele als Domainverwalter kennen. Dabei ist das nur ein kleines Nebengeschäft der Stiftung: Bis heute ist sie für das Schweizer Hochschulnetzwerk verantwortlich. Verlegt die schnellsten Kabel der Welt, verbindet einige der schnellsten Supercomputer überhaupt mit Hochschulen oder dem Bund. Stellt sicher, dass Meteo Schweiz eine der exaktesten Wetterprognosen der Welt berechnen und Forscher an der ersten digitalen Nachbildung des menschlichen Gehirns arbeiten können. Da kommen Datenmengen zusammen, die jegliche Vorstellungskraft übersteigen.
2015 verabschiedete die Stiftung Switch Plattner als ersten Geschäftsführer mit Grussbotschaften von Persönlichkeiten aus aller Welt. Eine kam von niemand geringerem als Vint Cerf, Turing-Preisträger und tatsächlicher Vater des Internets an sich. An Plattner gewandt meinte er: «Du hast einen wundervollen Beitrag an das Internet in Europa und besonders der Schweiz geleistet.» Jetzt geht der Schweizer Pionier in den Ruhestand. Was er nun machen wird, möchte er noch nicht verraten. Nur so viel: «Langweilig wird mir ganz bestimmt nicht.»