Den Befürwortern fehlten sieben Stimmen: Der Grosse Rat lehnte das Stimmrechtsalter 16 zum dritten Mal ab

Es war das mit am meisten Spannung erwartete Traktandum der gestrigen Grossratssitzung: die Einführung des Stimmrechts und aktiven Wahlrechts für 16-Jährige auf kantonaler und kommunaler Ebene. Am Morgen hatten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Jungparteien noch bei den Fraktionen Stimmung für ihr Anliegen gemacht. Selbst von der Jungen SVP war jemand mit dabei, obwohl die Partei Stimmrechtsalter 16 ablehnt. Die Prognosen im Vorfeld der Debatte waren schliesslich immer die gleichen: Es werde knapp, vernahm man in der Spreitenbacher Umweltarena allenthalben. Jede Stimme zähle, sogar jede Enthaltung könne diesmal entscheidend sein, hiess es.

Kurz nach halb vier, während der Nachmittagssitzung, war es dann so weit. Die Grossrätinnen und Grossräte blieben an ihren Plätzen, diese Abstimmung wollten und sollten sie anscheinend nicht verpassen.

Die Debatte war bereits mehrfach geführt worden. Im November 2014 lehnte der Grosse Rat die Motion von Grünen-Präsident Daniel Hölzle für die Einführung von Stimmrechtsalter 16 auf kommunaler Ebene, in Form eines Postulats, mit 61 zu 56 Stimmen ab. Ein gutes Jahr später wurde Maya Bally (damals BDP, heute Die Mitte) mit einer Motion für Stimmrecht 16 vorstellig, das wurde ebenfalls abgelehnt. Darauf wies der Regierungsrat in seiner Antwort auf die jetzige Motion um Alain Burger (SP) hin und lehnte das Anliegen erneut ab.

Aargau könnte mit gutem Beispiel vorangehen

Der Aargau könne jetzt mit gutem Beispiel vorangehen, meinte Alain Burger in der Debatte. Auf Bundesebene, wo die Diskussion längst in Gang ist, warte man auf diese Signale aus den Kantonen. Die SP-Fraktion sagte denn auch klar Ja zum Stimmrechtsalter 16. Ebenso die Grünen. Sie hätten keinen Zweifel, dass auch 16- und 17-Jährige politische Zusammenhänge verstehen und darum mitbestimmen können, sagte Maurus Kaufmann für die Fraktion. An ihrer Seite hatten Grüne und SP die EVP. Aus Sicht der Entwicklungspsychologie sei das Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige sinnvoll, sagte Therese Dietiker für die Fraktion. Man könne Jugendliche aber auch zur politischen Abstinenz erziehen, wenn man sie nicht mitbestimmen lasse. «Das wollen wir nicht», so Dietiker.

Nicht ganz einig waren sich die Grünliberalen, diese würden nur grossmehrheitlich zustimmen, so Dominik Peter. Für ihn zählte das Argument nicht, dass der Grosse Rat das Anliegen zuvor schon zweimal versenkt hat: «Seither fanden zweimal Wahlen statt.» Auch bei der Mitte war man sich uneins, man solle das Stimmrecht aber jenen geben, die es wahrnehmen würden, sagte Maya Bally für die Fraktion.

Abstimmen erst wenn man Steuern zahlt?

Gegen eine Herabsetzung des Stimmrechts und passiven Wahlrechts waren SVP und FDP. Da das Mündigkeitsalter bei 18 Jahren liegt, solle das auch beim Stimmrecht so bleiben, argumentierte Bruno Tüscher für die Freisinnigen. Titus Meier erinnerte daran, dass Volljährigkeit und das Stimmrecht zusammenfallen müssten. Der Aufwand für die Verwaltung stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen, da sowieso wenige Jugendliche vom Recht Gebrauch machen würden, sagte Erich Hunziker für die SVP. 16- und 17-Jährige bezahlten noch keine Steuern, sagte Tonja Kaufmann (ebenfalls SVP), sie sollten darum auch nicht wählen oder abstimmen. Zudem wäre es aus ihrer Sicht angebracht, zuerst für eine höhere Stimmbeteiligung zu sorgen, bevor man das Elektorat vergrössere.

Nur wenig zu sagen hatte schliesslich Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli. Er verteidigte zwar die regierungsrätliche Antwort, wonach sich derzeit sowieso der Bund mit der Frage befasse und der Grosse Rat das Anliegen bereits zweimal abgelehnt hat. Aber er schloss mit: «Der Entscheid liegt heute bei Ihnen, vielen Dank.»

Am Schluss trat ein, was alle erwarteten: Es wurde knapp, den Befürwortern fehlten sieben Stimmen, der Grosse Rat lehnte die Motion mit 69 Nein- zu 62 Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen ab.