
Der Dorfladen Roggliswil kämpft um seine Existenz
Es gab Zeiten, da verfügte die heute knapp 700 Einwohner zählende Gemeinde Roggliswil über mehrere Restaurants, eine Bäckerei, eine Metzgerei, zwei Käsereien, eine Bank und eine Poststelle. Die Dorfstrasse war gut frequentiert, es war «Leben» im Dorf. Tempi passati. Das Lädelisterben hat auch vor Roggliswil nicht Halt gemacht. Wer heute noch etwas einkaufen will im Dorf, hat mit Ausnahme von Hofläden noch genau eine Möglichkeit: den «Dorflade Roggliswil».
Dieser wird seit 2006 von drei Frauen im Rahmen einer GmbH betrieben; von Blanca Steinmann, Beatrice Luternauer und Geschäftsführerin Jolanda Leibundgut. Zwei Angestellte komplettieren das kleine Team. Seit 2011 befindet sich der Dorfladen mit Postagentur in einem unscheinbaren grauen Container mitten im Dorf. In jenem Jahr entschied die Post, die Poststelle in Roggliswil zu schliessen und ihre Dienstleistungen künftig in einer Postagentur anbieten zu lassen. Der bisherige Standort des Dorfladens war für das erweiterte Angebot aber zu klein.
Nun ist aber auch dessen Existenz gefährdet. Geschäftsführerin Leibundgut erklärt: «Wir haben uns gedacht: Die Leute kommen zu uns in den Laden, erledigen ihre Postgeschäfte und entdecken vielleicht gerade noch was in den Regalen. Dem war aber nicht unbedingt so.» Die Postkunden, die zum Beispiel Pakete abholten, nutzten das Angebot des Ladens kaum. Dazu werde auch das Angebot der Post aufgrund der Digitalisierung immer weniger nachgefragt.
Schreiben an die Bevölkerung
Der Umsatzrückgang des Geschäfts liess sich durch die integrierte Postagentur nicht stoppen. Nun sind Massnahmen gefragt. Das Ladenteam geht in die Offensive. Am Freitag vor knapp zwei Wochen wurde sämtlichen Roggliswiler Haushaltungen ein Schreiben zugestellt. Inhalt: ein wenig Rückblick, Schilderung der aktuellen Lage, Nennung von Massnahmen und Information, dass bei Nichterreichen der gesteckten Ziele die baldige Schliessung des letzten verbliebenen Dorfladens droht. Sie wollten, erklärt Jolanda Leibundgut, die Bevölkerung rechtzeitig über die Lage in Kenntnis setzen und nicht einfach irgendwann Knall auf Fall den Laden schliessen. «Die Leute sollen auch wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass dieser Laden existiert.»
An der Sparschraube drehen, lasse sich nicht. Die beiden wichtigsten Kostenfaktoren sind die Löhne und die Stromkosten. Dass bei gerade mal 18 Franken Stundenlohn die Löhne nicht gesenkt werden können, leuchtet ein. Und wenn ein Laden Tiefkühl- und Milchprodukte oder Fleisch im Angebot führt, lässt sich auch bei den Stromkosten nicht sparen.
Das Heil wird anderweitig gesucht: mit mehr und attraktiveren Angeboten. Ab Januar wird ein Aufbackofen zur Verfügung stehen, sodass man künftig nicht nur morgens, sondern auch abends frisches Brot anbieten kann. Auch wird das Sortiment um lokale Spezialitäten wie beispielsweise Dörrbohnen oder einheimisches Rapsöl erweitert. Und mittels Newsletter sollen Kunden monatlich über Angebote informiert werden. Auch wollten sie noch gezielter auf Kundenwünsche eingehen und vielleicht neue Produkte ins Sortiment aufnehmen.
Reaktionen stimmen positiv
Ob diese Massnahmen fruchten werden? Leibundgut ist selber gespannt. Sie weiss, dass die meisten der treuen Kunden ältere Leute sind. Und die gehen halt irgendwann ins Altersheim oder sterben – die Kundschaft nimmt ab. «Es kommen zu wenige Leute nach, die regelmässig ins ‹Lädeli› gehen», sagt die 49-jährige gelernte Gärtnerin.
Gelingt es nicht, Junge oder Neuzuzüger als Kunden zu gewinnen, kann der Abwärtstrend nicht gestoppt werden. Immerhin: Erste Reaktionen auf das im Dorf verteilte Schreiben stimmen die Frauen um Jolanda Leibundgut hoffnungsfroh. Zuspruch alleine hilft indes nicht weiter. Sonst droht das, was das «Dorflade»-Team unbedingt abwenden will. «Wenn es den ‹Dorflade› nicht mehr gibt, haben wir keine Post mehr, keine Bank mehr, keinen Laden mehr», so Leibundgut.
Die GmbH gibt sich Zeit bis 30. Juni 2019. Werden bis zum Stichtag die gesteckten Ziele nicht erreicht beziehungsweise ist keine Trendumkehr erkennbar, macht der «Dorflade Roggliswil» per Ende 2019 dicht. Der Vertrag mit der Schweizerischen Post sieht eine Kündigungsfrist von einem halben Jahr vor.
Sollte der Laden, in dem man sich in Gehdistanz mit allem Nötigem für den Alltag eindecken kann, in gut einem Jahr tatsächlich schliessen, ginge zweifellos mehr verloren als «nur» ein Ort, wo man Zahnpasta, Waschmittel oder Brot und Käse kaufen kann. Der «Dorflade Roggliswil» ist auch sozialer Treffpunkt. Treffen sich Männer vielleicht mal noch am Stammtisch im «Ochsen» oder in der «Pinte», ist der «Dorflade» für Frauen der Ort, wo News ausgetauscht werden. Die Roggliswilerinnen und Roggliswiler haben es selbst in der Hand, dass das so bleibt.