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Coronamasken, dicke Mäntel und viel Kundschaft: Es ist die perfekte Zeit für Ladendiebe

Die Staatsanwaltschaft hat sich in den letzten Monaten mit mehreren Fällen beschäftigt, bei denen die Grossverteiler Coop, Migros und Denner von Delikten betroffen waren. So wurde etwa ein Strafbefehl gegen einen 25-jährigen Mann aus Küttigen rechtskräftig, der sowohl bei Denner als auch bei Coop ein Hausverbot erhielt und trotzdem in Filialen in der Region Aarau auftauchte – deshalb lautete der Vorwurf auf Hausfriedensbruch.

Zum Hausverbot kam es, weil er fünf Mal beim Klauen erwischt wurde – im Strafbefehl ist deshalb auch mehrfacher geringfügiger Diebstahl aufgeführt. Im Denner in Aarau entwendete er für knapp 24 Franken eine Flasche Redbull-Vodka. In der Migros für einen ähnlichen Betrag zwei Chicken-Sandwiches und Energydrinks, Spinatstrudel und Crèmeseifen, im Coop für 50 Franken Lose und Red Thai Chicken. Der Mann, der auch noch beim Schwarzfahren erwischt wurde, musste eine Busse von 1800 Franken und eine Strafbefehlsgebühr von 800 Franken bezahlen.

Mitarbeiter kennen ihre Kundschaft

Aber wie überwachen die Detailhändler, ob jemand mit Hausverbot ihre Filialen betritt? «Unsere Verkaufsflächen sind verhältnismässig klein, die Mitarbeitenden kennen somit die sehr wenigen Personen, die mit einem Hausverbot belegt wurden», erklärt Thomas Kaderli, Mediensprecher bei Denner. Aus sicherheitstechnischen Überlegungen möchte man zur genauen Vorgehensweise keine weiteren Angaben machen. Coop lehnt es aus demselben Grund ganz ab, irgendwelche Fragen zu beantworten, die «sicherheitsrelevante Aspekte» tangieren, und auch die Migros Aare gibt keine Auskunft darüber, wie sie sich vor Ladendieben schützt.

Klar ist, dass Überwachungskameras und Ladendetektive zum Einsatz kommen, allerdings nicht flächendeckend. Zu Hausverboten komme es nur sehr selten, melden alle drei Detailhändler, die Zahlen bewegten sich im Promillebereich. Ebenfalls offensichtlich ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotzdem nicht alle Leute kennen können, die mit einem Hausverbot belegt wurden – dieses gilt jeweils schweizweit. Es wird auch nicht einfach so ausgesprochen, dazu gehöre eine «Vorgeschichte», meist ist die Person den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon mehrfach negativ aufgefallen, erklärt ein Branchenkenner.

Aus dem Crispy Poulet wird eine Peperoni

Zwei weitere Fälle von Diebstahl trugen sich im Zusammenhang mit Self-Check-out-Kassen zu. Ein heute 47-Jähriger aus Strengelbach hat im Januar in der Migros Zofingen und Oftringen mehrfach diverse Lebensmittel im Gesamtwert von 75.80 Franken nicht bezahlt.

Dazu hat er zwei Tricks angewandt: Manchmal scannte er seine Einkäufe vorschriftsgemäss, stornierte dann aber einzelne Produkte, etwa Roastbeef, Clementinen oder Hackfleisch, und nahm sie trotzdem mit. Einmal hat er in der Gemüseabteilung eine Peperoni gewogen und den Preiskleber dann kurzerhand auf eine Packung Crispy Poulet geklebt. Dieses kostete dann statt 9.80 Franken nur noch 1.30 Franken.

Mehr Diebstähle wegen Self-Check-out?

Eine 29-jährige Frau aus Wohlen, die selbst im Detailhandel tätig ist, hat es mit der gleichen Masche probiert und innerhalb von vier Monaten mehrfach Artikel im Gesamtbetrag von über 280 Franken gescannt, storniert und trotzdem mitgenommen. In beiden Fällen belaufen sich Busse und Strafbefehlsgebühren zusammen auf zwischen 800 und 1000 Franken.

Ziehen die Self-Check-out-Kassen Ladendiebe an? «Im Grossen und Ganzen stellen wir keine Zunahme an Ladendiebstählen fest», sagt Raphaël Wyss, Mediensprecher der Genossenschaft Migros Aare. «Die allergrösste Mehrheit unserer Kundinnen und Kunden sind vertrauenswürdig und ehrlich.» Dennoch liege es auf der Hand, dass die Migros die diesbezüglichen Kontrollmechanismen zusammen mit den neuen Geschäftsmodellen und Technologien weiterentwickele.

Ideale Zeit für Ladendiebe dank Coronamasken

Florim Abazi, Inhaber und Geschäftsführer der Firma Prime Security, bietet Detektiv- und Sicherheitsdienste an und kennt sich daher mit dem Thema bestens aus. Er sagt, momentan sei die Zeit für Ladendiebe ideal:

«Mit Coronamaske und einer Mütze sind die Leute schwer zu erkennen, unter einer dicken Jacke lässt sich leicht etwas verstecken und in der Vorweihnachtszeit sind viele Kundinnen und Kunden im Laden – da ist das Personal abgelenkt.»

Die Masche mit der Self-Check-out-Kasse ist ihm bekannt. «Es ist schwierig zu unterscheiden, ob jemand etwas extra nicht scannt oder es einfach vergessen hat. Aber oft sind es halt die teureren Artikel, die nicht gescannt oder wieder storniert werden.» Bei Ladendieben beliebt seien flache Produkte, die etwas mehr kosten würden, etwa Fleischaufschnitt.

Unter den Ladendieben habe es Leute aus allen Schichten, erklärt Abazi. «Manchen geht es auch einfach nur um den Kick, etwas mitzunehmen. Es sind auch immer wieder Stammkunden und hochgebildete Leute darunter.» Dabei hat er es auch schon erlebt, dass ein Ehepaar gemeinsam einen Laden betreten hat, und einer der beiden etwas mitgehen liess. «Das ist dann etwas unangenehm, wenn man den Täter stellt und die andere Person völlig überrascht ist.»