Deutsche hoffen auf Rückkehr der Schweizer Einkaufstouristen – doch es gibt auch Bedenken

Ohne Schweizer Kunden stehe eben als Einzugsgebiet nur ein Halbkreis zur Verfügung, erklären Gewerbeverbände und IHK übereinstimmend. Und das sei schlicht nicht ausreichend. Insofern musste selbst im Lebensmitteleinzelhandel das Mittel der Kurzarbeit eingeführt werden. Gerade im Non-Food-Einzelhandel kam erschwerend der zeitweise komplette Lockdown hinzu, verbunden mit Komplettausfällen auf der Einnahmeseite. Zwar gab es zwischenzeitlich etliche Lockerungen – auch im Hinblick auf die Grenzübertritte.

Seit 15. Mai wurden die Bestimmungen für die Einreise nach Deutschland erleichtert, seit dem 2. Juni werden sogar wieder Ausfuhrscheine abgestempelt. Doch aus Sicht der Geschäftswelt geht all dies nicht weit genug. Der Werbe- und Förderungskreis Waldshut wie auch der Stadtmarketingverein Pro Bad Säckingen registrieren bislang kaum nennenswerte Umsatzsteigerungen. Dass nach wie vor triftige Gründe für einen Grenzübertritt notwendig sind und allenthalben viel Verwirrung herrscht, weil Regelungen sich in gewissen Bereichen sogar widersprechen, sorgt auch von Beginn an für reichlich Kritik seitens der IHK Hochrhein-Bodensee.

Noch keine Normalität

Auch nach Wochen habe sich an der Gesamtproblematik nichts geändert, sagt deren Hauptgeschäftsführer Claudius Marx auf Anfrage: „Dass die tatsächliche Intensität der Kontrollen nachgelassen hat, mag zutreffen, kann aber keine Lösung sein. Ein Grenzübertritt „auf gut Glück“ schafft mehr Verwirrung als Klarheit.“ Wirtschaftliche und gesellschaftliche Normalität werden erst dann wieder vorherrschen, wenn die Grenzen beidseitig und ohne Einschränkung für Personen, Waren und Dienstleistungen geöffnet seien, so Marx.

Diese Ansicht teilen auch Elisabeth Vogt, Vorsitzende von Pro Bad Säckingen, und Jochen Seipp, Sprecher des Werbe- und Förderungskreises Waldshut: „Grenzen begrenzen. Wir freuen uns, mit einer vollständigen Öffnung der Grenzen wieder ein Stückweit zurück zur Normalität vor der Corona-Krise zu kommen“, so Seipp. Im Hinblick auf die Rückkehr der Schweizer Einkaufstouristen herrsche bei den Geschäftsleuten große Vorfreude, konstatieren die Handels- und Gewerbeverbände: „Dann sind wir wieder eine gemeinsame Region und nicht drei Staaten“, sagt Elisabeth Vogt auch im Hinblick auf die Grenzsituation zum benachbarten Frankreich. Dass die Wirtschaft erheblich unter dem Ausbleiben der Schweizer Kundschaft gelitten habe, sei kein Geheimnis, ergänzt Seipp: „Das ist von Warengruppe zu Warengruppe allerdings sehr unterschiedlich.“ Insofern sei allenthalben die Hoffnung gross, dass möglichst bald wieder eine Normalität einkehre.

IHK-Chef Marx bremst indes die Euphorie: „Wir rechnen nicht mit dem verschiedentlich befürchteten „Ansturm“ auf deutsche Geschäfte und Einkaufszentren, sondern gehen von einem eher langsam anlaufenden, stetigen Prozess aus.“ Es gebe generell eine Zurückhaltung der Kunden, die zum Teil auf der „verwirrenden Vielfalt und Änderungsgeschwindigkeit der Corona-Vorgaben beruht“, zum Teil auf der Vorsicht der Menschen, die vielfach noch immer zuhause bleiben, und zum Teil auf den Hygienekonzepten, die das Einkaufs- und Gastronomieerlebnis belasten.

Zugleich sehen viele Geschäftsleute wie Bruno Hall, Geschäftsführer von Expert Villringer mit Hauptsitz in Lörrach, eine gewisse Zurückhaltung: „Viele Menschen sind von Kurzarbeit betroffen oder haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Deswegen schieben sie größere Anschaffungen lieber auf.“ Wann und ob der Handel wieder das Umsatz-Niveau vor der Pandemie erreichen wird, ist ungewiss, zumal der Einkaufstourismus bereits vor Corona tendenziell rückläufig war, gibt Claudius Marx zu bedenken: „Bereits deshalb wird es keine vollständige Rückkehr zum status quo ante geben.“

Skepsis bei Gewerkschaften

Von Gewerkschaftsseite gibt es grosse Skepsis, dass mit der Rückkehr der Schweizer Kundschaft in den Geschäften ein Stück weit der Schlendrian Einzug halten könnte, weil plötzlich wieder deutlich mehr Kunden in die Innenstädte strömen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnt in einer Mitteilung gar vor chaotischen Verhältnissen.

„Wir teilen diese Bedenken nicht. Die Schutzmassnahmen gelten weiterhin für alle Kunden, egal woher diese kommen, das hat mit der Öffnung der Grenze erstmal nichts zu tun“, betont Elisabeth Vogt. Die Grenzöffnung sei ein wichtiger Faktor, der zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitrage. Dies sollte laut Vogt auch eine Gewerkschaft entsprechend würdigen.

Auch der Handel in Waldshut-Tiengen sieht sich bestens auf den erwartenden Zuwachs an Kunden vorbereitet, versichert Jochen Seipp. Und zugleich werde unvermindert an den geltenden Regelungen wie Mindestabstand und Maskenpflicht festgehalten. Denn am Ende sei es unerheblich, woher die Kundschaft komme: An die geltenden Vorschriften müssten sich alle halten. Claudius Marx hebt hervor, dass ein zweiter Lockdown für den Handel eine Katastrophe wäre.