«Die meisten haben Angst, ihre Tiere könnten auch erkranken»

In Zeiten, in denen die sozialen Kontakte möglichst reduziert werden müssen, kann ein Haustier Menschen viel Halt geben. «Sich um ein Tier und seine Bedürfnisse kümmern zu müssen, bringt Struktur in den Alltag. Gerade wenn durch Homeoffice und Ausgangssperren alles andere auf den Kopf gestellt wird», sagt die Brugger Tierärztin Nadine Theis.

Ihre Praxis läuft während des Shutdowns weiter, wenn auch mit einigen Anpassungen: «Behandlungen, die nicht dringend nötig sind, haben wir weitgehendst verschoben.» Besitzer dürfen nach wie vor mit in die Sprechstunde: «Allerdings kann nur ein Besitzer das Tier begleiten.» Eine Abstandslinie am Boden des Behandlungszimmers markiert den Abstand, den die Tierhalter einhalten müssen.

Zwischenmenschliche Kontakte reduziert

Ein Aufeinandertreffen im Wartezimmer wird verhindert: «Wenn mehrere Besitzer gleichzeitig eintreffen, müssen die späteren draussen auf unserer Bank oder im Auto warten, bis die Praxis wieder frei ist.» Medikamente können Tierhalter kontaktlos aus dem Abholkasten beziehen. Die Ausbreitung von Corona hätte bei Tierhaltern Fragen ausgelöst, sagt Nadine Theis. «Vor allem haben die meisten Angst, ihre Tiere könnten auch erkranken.» Die Frage danach, ob vom Haustier eine Ansteckungsgefahr ausgeht, sei nicht so oft gestellt worden.

«Eine andere grosse Sorge der Besitzer war, ob unser Praxisbetrieb weiterläuft, ob wir Notfälle noch annehmen und ob die Versorgung mit Tierfutter und Medikamenten gewährleistet bleibt.»

Wochenlanges Warten auf Desinfektionsmittel

Die Richtlinien des Bundesamtes für Gesundheit werden in der Kleintierpraxis eingehalten. Doch Nadine Theis fühlt sich als Tierärztin vom Bund allein gelassen, wenn es um die Materialien zur Umsetzung geht: «Ich warte seit drei Wochen auf Desinfektionsmittellieferungen und bezüglich Schutzmasken stehen wir ziemlich im Regen.» Die Lieferzeit im Veterinärbereich betrage momentan mehr als drei Monate. Möglich seien nur sehr teure Kleinlieferungen, denn die Praxis wird bei anderen Anbietern Privatpersonen gleichgestellt. «Hier hätte ich mir etwas mehr Hilfe von offizieller Seite gewünscht», so Theis.

Trotzdem gewinnt Nadine Theis der Corona-Zeit auch Positives ab. Da ihre sportlichen Aktivitäten als Trainerin in Krav Maga und Reitunterricht eingeschränkt sind, hat sie mehr Zeit für anderes: «Ich verbringe mehr Abende entspannt zu Hause mit meinem Partner und meinen beiden Hunden.» Corona habe ihr Leben entschleunigt und auch wieder einmal klar gemacht, dass Gesundheit nicht einfach eine Selbstverständlichkeit sei, «sondern etwas, das von vielen gerade im Alltagsstress zu wenig wertgeschätzt wird».