
Dieser Aargauer «Lärmblitzer» zeigt es Ihnen, wenn Ihr Auto oder Töff zu laut ist – absichtlich oder nicht
Die Geschwindigkeitsmessgeräte auf Quartierstrassen oder in der Tempo-50-Zone kennen alle. Sie zeigen an, ob man die Tempolimite einhält oder nicht. Und wenn man zu laut ist?
Viele Anwohnerinnen und Anwohner, gerade an kleinen Passüberfahrten wie zum Beispiel der Staffelegg oder bei einer Klinik, nerven sich über zu viel Lärm. Etwa dann, wenn Töff- oder Autofahrer unnötig oder absichtlich beschleunigen und dabei den Motor aufheulen lassen. Dem will der Aargauer Grossrat Daniel Hölzle mit sogenannten Lärmblitzern zu Leibe rücken (siehe Box unten).
Doch so etwas gibt es in der Schweiz bisher nicht. Ab sofort gibt es aber ein Lärmmessgerät, das Verkehrsteilnehmern zeigt, wenn sie zu laut und/oder zu schnell unterwegs sind. Dieses Gerät (siehe Video oben) kann Personenwagen und Motorräder, aber auch einen Bus von einem Lastwagen und zudem die entsprechende Lärmkategorie unterscheiden. Generalimporteur des aus Deutschland stammenden und dort auch bereits erprobten Geräts ist die auf Verkehrszählungen spezialisierte Firma Innolutions in Villnachern.
Was verspricht sich das Unternehmen davon? Geschäftsführer Marco Suter: «Wir machen mit Verkehrsmessungen Präventionsarbeit. Es geht nicht darum, Bussen zu verteilen, sondern darum, die Verkehrsteilnehmenden für die Sicht der Anwohner zu sensibilisieren.» Deshalb habe man das seines Wissens erste solche Gerät in der Schweiz mit Erlaubnis der Gemeinde in Schinznach-Bad installiert, in der Nähe der Klinik.
Wie viel es nützt, dazu hat Suter aufgrund eigener Tests noch zu wenig Erfahrungswerte, wohl aber aus Todtmoos im deutschen Schwarzwald. Der Geschäftsführer sagt: «Die Patienten der dortigen Kurklinik beschwerten sich immer mehr über den gerade am Wochenende enormen Töfflärm. Deshalb wurde dort, wo der Lärm für die Klinik relevant ist, genau dieses Messgerät aufgestellt. Wer korrekt unterwegs war, sah auf dem Bildschirm ein Dankeschön, wer zu laut war, wurde gebeten, leiser zu fahren.»
Zahl der zu Lauten halbiert
Es zeigte sich, so Suter weiter, dass sich 95 Prozent der Verkehrsteilnehmenden an die Regeln hielten. «Fünf Prozent waren zu laut oder viel zu laut unterwegs. Dieser Wert hat sich seither halbiert. Das ist ein sehr guter Erfolg.» Genau um die wenigen Verkehrsteilnehmer, die sich nicht an die Regeln halten, gehe es hier, betont Suter.
Doch warum zeigt das Display nicht an, mit wie viel Dezibel oder km/h man unterwegs ist, wäre das nicht wirkungsvoller? Das könnte man, man wolle aber die Verkehrsteilnehmenden visuell abholen, sagt Suter, zumal diese ja nicht während der Fahrt hochrechnen sollen, wie laut eigentlich 73 oder 83 Dezibel genau sind. Das neue Gerät zeichne die gemessenen Werte jedoch exakt auf. Er setze damit bewusst «auf einen gutschweizerischen Mittelweg zwischen der Forderung nach Repression und der Forderung nach Verzicht auf jegliche Messung.»
Es habe dann einen Effekt, wenn das Gerät dort aufgestellt werde, wo man etwas bewirken könne. Wenn Verkehrsteilnehmer zum Beispiel am Ende einer 50er-Zone zu früh und zu stark beschleunigen, könne das viele Anwohner betreffen, erläutert Projektleiter Lukas Baumann: «Wenn man nur schon 100 oder 200 Meter später oder nicht so stark beschleunigt, kann das diese Anwohner stark entlasten.»
13’500 Franken für mehr Ruhe
Das Gerät kostet 13’500 Franken, kann solar oder mit Akku betrieben, rasch installiert und wieder abmontiert werden. Auch eine Miete sei möglich, so Suter. Können alle, die sich über Lärm nerven, einfach so ein Gerät aufstellen? Baumann schüttelt den Kopf: «Private dürfen solche Messungen nicht vornehmen. Die öffentliche Hand aber, also Gemeinden oder der Kanton, können solche Geräte erwerben und ihren Polizeikorps zur Verfügung stellen.»
Der TCS hat eigene Geschwindigkeitsmessgeräte, setzt sie aber nicht selbst ein. Er vermietet sie je nach Sektion zu unterschiedlichen Preisen an die Gemeinden beziehungsweise stellt sie kostenlos zur Verfügung.
Das Gerät kann auch so eingestellt werden, sagt Baumann, dass es zum Beispiel an einer Passstrasse, wo Töfffahrer als Problem wahrgenommen werden, nur Motorräder misst: «Wichtig ist, Messungen dort vorzunehmen, wo Menschen gestört werden, etwa in einem Kurort, nahe einer Klinik, oder in einem Quartier mit starkem Durchgangsverkehr.
Es macht aber keinen Sinn, auf einer starken Steigung am Bözberg Lastwagen zu messen. Die sind bergauf einfach lauter, eine Messung würde das nicht ändern.»
Lärmmessung: Nicht so einfach, wie man von Fernsehberichten meinen könnte
Was kann die Polizei gegen übermässigen Lärm tun? Es gibt einen Lärmgrenzwert. Dieser liegt bei 80 Dezibel bei einem Tempo von 50 km/h. Aber wie und in welchem Abstand misst man, und wann kann man einen als überlaut empfundenen Motorradfahrer büssen? Urs Leibundgut, Einsatzleiter der Aargauer Kantonspolizei bei der Kontrolle auf dem Benkerjoch, sagt: «Das geht nicht so einfach, wie man aufgrund von Fernsehberichten meinen könnte.» Um das Motorengeräusch zu messen, muss man vieles berücksichtigen. Sogar die Beschaffenheit des Strassenbelags, das Tempo bei Beginn der Messung und in welchem Gang gefahren wird.
Gut kontrollieren kann man, ob ein Motorrad technisch in einwandfreiem Zustand ist, ob beim Auspuff manipuliert wurde. Leibundgut: «Wenn wir einen typengeprüften Auspuff vor uns haben, können wir nichts machen. Austauschanlagen, wie auch vom Hersteller verbaute Auspuffanlagen sind so konzipiert, dass bei der vorgeschriebenen Motorendrehzahl die gesetzlichen Lärmvorschriften eingehalten werden. Abweichungen der Dezibel-Werte bei höheren oder tieferen Drehzahlen sind somit möglich. Viele Töffs sind zu laut, aber zugelassen», meint Leibundgut. Bei fast allen sind die entsprechenden Dokumente denn auch in Ordnung.
Stein des Anstosses sind aus Sicht der Anwohnerinnen und Anwohner vorab Töffs mit einem sogenannten Klappenauspuff. Wenn die Klappe geöffnet ist, ist ein Motorrad viel lauter. Seit 2016 sind Auspuffklappensysteme verboten, die einzig und allein der Erhöhung der Schallemission dienen. Diese Systeme werden von den Herstellern oft als «Sportmodus» deklariert, bei dessen Aktivierung Klappen im Auspuffsystem öffnen und Motorenlärm ungedämpft freigeben. Das Verbot gilt allerdings nur für neue Fahrzeugtypen, nicht aber für solche, die vor dem Inkrafttreten zugelassen worden sind.
Lärmfreaks im Horentaltunnel
Die meisten Motorradfahrer nehmen Rücksicht, wenn es um Lärm geht. Es gibt aber solche, die bewusst möglichst viel «Sound» wollen. Beliebt ist bei diesen der Horentaltunnel am Fuss der Staffeleggstrasse. Wenn man dort möglichst den Motor aufdreht, hört man dies bis Biberstein und sogar in Küttigen. Entsprechend viele Klagen kommen zur Polizei, so Urs Leibundgut.
Der «Beobachter» liess im vergangenen Herbst vier verschiedene Motorräder testen. Dabei wurden die Fahrer angewiesen, zu versuchen, möglichst viel Lärm zu machen. Bei Tempo 50 wurden durchschnittlich zwischen 83 und 87 Dezibel gemessen. Bei Tempo 100 – wieder mit der Vorgabe, gewollt möglichst laut zu sein – betrug der höchstgemessene Wert 97 Dezibel. (MKU)