Dieser Oltner Segelflugpilot besetzt mit seinen Panoramaaufnahmen eine Nische

Über den Fieschergletscher weitet sich der Blick in 3860 Meter Höhe Richtung südliches Wallis mit Matterhorn sowie nördlich in ungewohnter Perspektive auf Finsteraarhorn sowie Eiger, Mönch und Jungfrau. Um den 270-Grad-Rundumblick richtig zu würdigen, rollt Martin Hagmann sein Panoramafoto auf einen langen Tisch aus. Es besteht aus zwölf Einzelbildern mit einem 1/1000 Belichtungszeit, die er nach der Aufnahme im Juli 2018 durch das sogenannte Stitchen mit einer speziellen Software zu einem Ganzen zusammengefügt hat.

Entstanden ist ein Format, das sich für gedruckte Publikationen meist wenig eignet und eine aufwendige digitale Bildverarbeitung verlangt, die über die Ansprüche eines Selfie hinausgeht. Dabei hat der Oltner aus dem Cockpit des Segelflugzeugs auch schon mit dem Handy abgedrückt und ist durchaus beeindruckt, wie Smartphones diese Herausforderung dank integrierter Apps unterdessen meistern.

Sein Mass der Dinge ist jedoch weiterhin eine Kompaktkamera, die er meist im Brennweitenbereich von 40 bis 60 Millimetern einsetzt. «Eine Kamera mit Zoomobjektiv funktioniert wegen des kleinen Capotfensters nicht.» Trotz gegenteiliger Meinungen schwört der seit seiner Jugendzeit passionierte Fotograf auf feste Belichtungszeiten bei variabler Blende.

So scharf auch die Gipfel hervortreten und die Schneefelder glänzen, Martin Hagmann gibt sich mit seinen Werken nicht so schnell zufrieden. «Ich bin eigentlich immer am Optimieren. Es ist immer noch eine Entwicklung möglich.»

Ein Foto bleibe indes letztlich immer ein Abbild, welches das unmittelbare Erleben nicht ersetzen könne.

Naturphänomene physisch erleben

An der ETH Zürich lernte der mittlerweile pensionierte Apotheker, der am Montag seinen 66. Geburtstag feiert, die wissenschaftlichen Grundlagen der Fotografie kennen und absolvierte damals noch ein Praktikum im Schwarz-weiss-Labor. Es zog ihn früh auch zur Fliegerei; eine Karriere als Berufspilot blieb ihm wegen seiner Farbenfehlsichtigkeit allerdings verwehrt. Als er 2005 seinem Bubentraum mit dem Brevet als Segelflugpilot nachlebte, konnte Martin Hagmann zwei Hobbys vereinen.

Ihn reizten die beiderseits bestimmenden naturwissenschaftlichen Grundlagen, wie zum Beispiel das Wetter. Dass er sich selbst beim Segelfliegen den physikalischen Elementen und bei Minustemperaturen auch seine Kamera einem Stresstest aussetzt, ist Teil der Faszination. Das alljährliche Lager der Segelfluggruppe Olten in Zweisimmen war für ihn eine wichtige Basis, um auf ideale Bedingungen zu warten und sein Handwerk zu perfektionieren.

Hagmann hat seine Nische gefunden

«Während der Motorflieger die Turbulenzen nicht sucht, steigen wir darin auf», sagt der Streckenflieger, der mit einer Panorama-Idee im Kopf auf das ideale Thermikniveau gelangt, ehe er den Auslöser bedient. Im Jahr 2006 entstand das erste 360-Grad-Panorama im Kreisen. Martin Hagmann hatte so in der Schweiz seine fotografische Nische gefunden. Das Segelflugzeug ist als Plattform gewiss wackliger als ein Stativ am Boden, doch Schwankungen der Thermik lassen sich durch Korrekturen der Kamera in Richtung eines gedachten Kreismittelpunkts ausgleichen. «Die Thermik spürt man besser, als es die Instrumente anzeigen können.»

Während es andere Piloten auch in die Ferne zieht, muss ihn das Ausland nicht sonderlich locken, denn seiner Spezialität kann er hierzulande bestens nacheifern. Neben vielen Alpenpanoramen hat der Vater und Grossvater auch die Schönheiten des Juras festgehalten, darunter die Vogelperspektive von Olten Plus, der über die Planung nicht hinausgekommenen Fusionsgemeinde.

Verantwortung liegt beim Piloten

Lenkt das Fotografieren in dieser Höhe nicht zu stark vom Kontrollieren des Flugzeugs ab? Martin Hagmann, der bis auf zwei Aufnahmen bisher alle Panoramen im Einsitzer realisiert hat, verneint. «Jeder Pilot ist für sich verantwortlich und damit auch für das Risikomanagement.»

Mit dem Fotoapparat am Handgelenk könne man so schnell auf neue Situationen reagieren wie ohne Kamera. Zudem setze er diese nie ein, wenn er sich in einem Pulk mit anderen kreisenden Kollegen befinde. «Da gilt die volle Aufmerksamkeit der Fliegerei. Sobald man aber allein im Luftraum ist, lassen sich ohne Probleme wunderbare Bilder schiessen.»

Martin Hagmann gilt in der Segelfluggruppe Olten als eher vorsichtiger und langsamer Pilot. Dass er bei 700 Starts nur zwei Aussenlandungen in Kauf nehmen musste, zeugt von seiner guten Planung. Dass er Sicherheit grossschreibt, zeigt sich auch darin, dass er mit der neuen, am 20. März eröffneten Saison nur noch im Doppelsitzer starten will. So kann er sich mit einem Co-Piloten abwechseln, was vier- bis fünfstündige Einsätze weniger erschöpfend macht. Solche Überlegungen haben bei ihm auch deshalb Vorrang, weil er neuerdings auf eine stärkere Brille angewiesen ist.

Dass das Alter dereinst seinen fotografischen Abenteuern Grenzen setzt, gehört zum natürlichen Lauf der Dinge. Auch sonst ist die Freiheit über den Wolken nicht mehr grenzenlos. Die durch Corona zwar gebremste Kommerzialisierung des Luftraums führt zu immer neuen Regeln und Einschränkungen. Auch Segelflugpiloten droht eine stärkere Überwachung in kontrollierten Lufträumen. «Solange es noch geht, werde ich die zur Verfügung stehenden fliegerischen Freiheiten nutzen, um die schöne Schweiz aus solch einmaligen Perspektiven für die Nachwelt festzuhalten», sagt Martin Hagmann.

Wer Martin Hagmanns Panoramafotos betrachten will, findet sie unter www.alpen-panoramen.de

Panorama im Simmental nahe der Lenk über dem Giferspitz. Bild: zvg
Panorama im Simmental nahe der Lenk über dem Giferspitz. Bild: zvg