«Dieses Geld braucht es unbedingt»: Daniela Berger hat grosse Pläne für das Aargauer Kuratorium

Daniela Berger 

(*1956) trat 1997 der SP bei, von 2002 bis 2015 war sie Stadträtin von Baden und stand dem Ressort Kultur für 14 Amtsjahre vor. Seit 2020 ist sie Präsidentin im Aargauer Kuratorium.

Daniela Berger öffnet die Tür zu ihrem Badener Tanzcentrum, die wie so viele die letzten Monate fast immer verschlossen war. Langweilig sei ihr in den letzten Monaten dennoch nie gewesen, sagt die ehemalige Turniertänzerin gleich zu Beginn des Treffens. Schuld daran dürfte ihr neuer Posten als Präsidentin des wichtigsten Kulturgremiums im Aargau sein: Seit einem Jahr leitet sie das Aargauer Kuratorium.

Übernommen hat sie es in einer schwierigen Situation: In den Monaten davor war es zu einigen prominenten Rücktritten gekommen. So führte der Verdacht auf «Vetterliwirtschaft» zum Rücktritt von Stephan Diethelm, der zugleich als Kurator (Jazz) und Beitragsempfänger (Musiker) war. Und wäre dies zu Regeln nicht Aufgabe genug für die neue Präsidentin, fiel eine Pandemie über die Kulturbranche her.

Man sagt, man lernt sich ich Krisenzeiten am besten kennen. Wie haben Sie das Aargauer Kuratorium in diesem ersten Jahr kennengelernt?

Daniela Berger: Ich bin in einem schwierigen Umfeld mit einigen Altlasten gestartet. Die Vorjahre waren für das Kuratorium nicht leicht. Es gab die Medienkampagne, die zum Rücktritt von Stephan Diethelm, des ehemaligen Vizepräsidenten und Fachverantwortlichen für Jazz, führte. Auch darüber hinaus gab es zahlreiche personelle Wechsel und zeitweise keinen Geschäftsführer. Unter diesen turbulenten Umständen sind wir uns begegnet und haben gemeinsam gestartet.

Und welche Direktorin haben wiederum ihre Kolleginnen und Kollegen kennengelernt?

Rückblickend bin ich froh, habe ich kurz nach meiner Wahl angefangen. So gab es ein paar wenige Wochen vor dem Lockdown, in denen ich ein hoch motiviertes Team auf der Geschäftsstelle kennenlernen durfte. Ich bin auch vom Plenum offen empfangen worden. In diesem ersten Jahr war es mir ein Anliegen, alles Organisatorische und Strukturelle − die Rollenverteilungen und Aufgabenfelder − zu klären.

Sie begannen beim Kuratorium mit einer schwierigen Ausgangslage. Kurz nach Antritt der Stelle folgten zudem die ersten Covid-Meldungen und schliesslich der Shutdown. Woher nehmen Sie die Energie, um in einem solch turbulenten Jahr durchzuhalten?

Ich mag Herausforderungen, sonst hätte ich die Stelle auch ohne Pandemie erst gar nicht antreten dürfen! Turbulenzen finde ich spannend im Leben. Man braucht nur Mut, um durchzuhalten.

Die Pandemie hat Tanz, Theater − ihre Sparten − hart getroffen…

Die Gesuche sind generell leicht zurückgegangen. Es hat alle Sparten hart getroffen, vor allem die Musikbranche, Konzerte und Festivals mussten abgesagt werden. Für sie haben wir neue Eingabetermine festgelegt, mit denen auch kurzfristig Anträge gestellt werden können. Es bietet den Kulturschaffenden die Möglichkeit, schnell auf mögliche Lockerungen zu reagieren.

Mit der Krise sind neue Förderinstrumente entstanden wie etwa ein Beitrag, der für Recherchen beantragt werden kann. Sind die Förderinstrumente des Kuratoriums noch aktuell oder müssen sie auch über die Pandemie hinaus angepasst werden?

Der Recherchebeitrag liefert in einer Zeit, in der Kulturschaffende nicht auftreten und performen können, eine gute Grundlage für ihr Schaffen. Er bietet Raum, Ideen und Projekte in einem sehr frühen Stadium sorgfältig auszuarbeiten, zu recherchieren und an ihnen zu forschen – etwas das auch langfristig in jeder Sparte sinnvoll ist. Das Instrument entstand als intelligente Lösung in der Not, aber die Aktualisierung und Prüfung der Förderinstrumente und ihren Rahmenbedingungen ist natürlich ein laufender Prozess.

Auf der anderen Seite haben auch die Kulturschaffenden viel Kreativität im Umgang mit der Pandemie bewiesen. Was ist Ihnen in diesem ersten Förderjahr besonders aufgefallen?

Erst kürzlich sah ich die Produktion «Schleifpunkt» vom «Theater Marie», ein hochspannendes Transformationsprojekt. Eine solche innovative Reaktion auf den digitalen Wandel ist nicht nur technisch interessant, sondern macht auch etwas mit dem Publikum. Man wird emotional berührt und in das Stück involviert. Gewisse Ballettproduktionen werden zwar aufgenommen, aber nicht hergestellt für die Digitalität: Sie berühren einen weniger.

Ein Transformationsprojekt: Theater Marie mit der digitalen Produktion «Schleifpunkt».

Ein Transformationsprojekt: Theater Marie mit der digitalen Produktion «Schleifpunkt».

Zvg

Daniela Berger weiss sich nicht nur auf dem Tanzparkett richtig zu bewegen, auch auf dem politischen Parkett hat die neue Kuratoriumspräsidentin viel Erfahrung. Zwar war sie nie im Grossen Rat, aber als Stadträtin für Kultur in Baden hat sie von 2002 bis 2015 ein Netzwerk gesponnen, das ihr nun auch bei ihren neuen Aufgaben im Aargauer Kuratorium dienen wird. Sie kennt nicht nur die Abläufe, sondern auch die Protagonistinnen und Akteure der hiesigen Kulturpolitik.

Ein Grund für Ihre Wahl war sicher auch ihr Netzwerk. War dieses auch ein Grund, für die erste Budgeterhöhung, die dem Kuratorium seit 10 Jahren gesprochen wurde?

Das ist nicht nur mein Verdienst. Da wurde viel Vorarbeit geleistet, daher will ich mich nicht mit fremden Federn schmücken.

Die Budgeterhöhung ist in diesen Zeiten sicher ein schönes Zeichen für die Kultur – aber ist es auch ein nützliches Zeichen? Was kann man mit diesen 200 000 Franken konkret anfangen?

Gesamthaft ist das natürlich nicht besonders viel. Aber in den letzten Jahren ging ein Grossteil der Förderbeträge an Festinstitutionen. Beiträge für Projekte waren begrenzt vorhanden, sodass wir sie nicht immer in der angemessenen Höhe vergeben konnten. Durch die Budgeterhöhung haben wir etwas mehr Flexibilität. Ausserdem gibt sie uns ganz konkret die Möglichkeit, den Kunstpreis nun nach vier Jahren wieder vergeben zu können. Dafür fehlte die letzten Jahre schlicht das Geld. 2021 vergeben wir ihn nun an den Künstler*in Sabian Baumann.

Und doch könnte man einwerfen, dass die Coronakrise das kulturelle Überangebot berechtigterweise angegriffen hat. Braucht es dieses Geld denn überhaupt?

Das ist keine Frage: Dieses Geld braucht es unbedingt! Gerade in einer Krisenzeit, in der es allen Menschen schlecht geht und die Gefahr birgt, dass sich eine Gesellschaft aus lauter Unsicherheit und Ängsten auseinanderdividiert. Daher hat aus meiner Sicht die Kultur aktuell den noch viel grösseren Auftrag als in guten Zeiten. Und das gilt nicht nur für das Angebot, das man wie einen Film oder ein Konzert direkt konsumieren kann. Genauso wichtig ist das Kulturschaffen, das den Moment verarbeitet und vielleicht erst später an eine Öffentlichkeit getragen wird.

Welche Herausforderungen, die Sie, wie Sie zu Beginn sagten, zu schätzen wissen, stehen nun im zweiten Jahr an?

(lacht) Da darf ich jetzt nicht sagen, dass ich mir ein ganz normales Jahr wünsche! Ich hoffe, dass nach all den strukturellen Themen bald die Phase beginnt, in der sich das Kuratorium wieder vermehrt inhaltlich mit der Kulturförderung beschäftigen kann, so zum Beispiel über die Frage, ob die Förderinstrumente noch die richtigen sind. Zurzeit erstellt eine externe Firma einen Wirkungsbericht und thematisiert die kantonale Kulturförderung. Daraus werden sich wiederum neue Handlungsfelder generieren. Mein persönliches Anliegen ist aber die Nachhaltigkeit in der Kultur. Das Thema will ich in nächster Zeit im Kuratorium einbringen.

Und längerfristig gesehen: Was für ein Kuratorium streben Sie an?

Bei der Kulturförderung sollten immer auch kulturpolitische Überlegungen – welches Angebot, in welcher Form, an welchen Orten für die Bevölkerung das richtige ist – miteinbezogen werden. Insofern wünsche ich mir, dass das Kuratorium die rein fachliche Beurteilung auch in einem kulturpolitischen Zusammenhang sieht.

Und was bedeutet das konkret für die Arbeit des Aargauer Kuratoriums?

Die gesamte Kulturförderung ist im Kanton Aargau sehr verzahnt. Die vielen Player innerhalb der Kantonsförderung brauchen ein gemeinsames Dach, um gemeinsame Interessen auszuhandeln. Ein gemeinsames Ziel würde eine noch engere und effektivere Zusammenarbeit fördern.

Die Arbeit des Kuratoriums wird letztlich in den Programmheften und Bücherregalen sichtbar. Was für eine Kulturlandschaft legen Sie mit dem Aargauer Kuratorium an?

Der Kanton Aargau hat eine vielfältige Kultur. Wir haben wertvolle, auch grössere Institutionen, aber eben nicht solche Schwergewichte wie ein Opernhaus Zürich oder ein KKL in Luzern. Dieser Situation müssen wir Rechnung tragen und sie aufrechterhalten. Wir werden also sicher nicht nur noch die grossen Geschichten machen, sondern vor allem gute. Oder präziser: Das Kuratorium fördert gute Projekte − gemacht werden sie von den Aargauer Kulturschaffenden.