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3000 Seemeilen über den Atlantik: Vier Freunde rudern am härtesten Rennen der Welt mit – und wollen Weltrekord brechen

Starke Strömungen, heftige Winde oder gar Orkane mit bis zu 20 Fuss hohen Wellen: Die Talisker Whisky Atlantik Challenge gilt als das härteste Ruderrennen der Welt. Zwischen 30 bis 70 Tage dauert es jeweils, bis Einer- bis Fünferteams die fast 5000 Kilometer von der Kanareninsel La Gomera über den Atlantik in die Karibik nach Antigua überwinden. Am 12. Dezember stechen die rund 30 Ruderboote wieder in See. Mittendrin: der Döttinger Samuel Widmer und seine Teamkollegen Jan Hurni, Roman Möckli und Ingvar Groza.

Das Material und das Boot sind bereits unterwegs nach La Gomera, die vier Freunde folgen in knapp einer Woche. «Wir sind parat», sagt Samuel Widmer. Noch vor etwas über zwei Jahren wussten sie noch nicht viel über Rudern. Das haben die vier Freunde, die sich in der Rekrutenschule im Tessin während ihrer Ausbildung zum Grenadier kennen gelernt hatten, unterdessen mehr als wettgemacht.

Samuel Widmer von ‹Rudern Döttingen›.

Seit 2019 trainieren sie täglich zwei Stunden. Ein- bis zweimal pro Monat haben sie sich auf dem Hallwilersee getroffen, um im Boot an Ausdauer und Technik zu feilen – betreut von einer Trainerin. In diesem Jahr haben sie das Training nochmals intensiviert, und es kamen vier grosse Trainings dazu − 50 Stunden auf dem Zürichsee, 72 Stunden auf dem Vierwaldstättersee und zwei mehrtägige Mittelmeertrainings.

Den aussergewöhnlichen Wettkampf hat das Team um Samuel Widmer durch Crowdfunding, Sponsoren und aus der eigenen Tasche finanziert. Ein weiteres Crowdfunding lancieren sie zum Startschuss des Rennes. Was danach übrig bleibt, soll Kovive zufliessen, einem Schweizer Kinderhilfswerk, das benachteiligte Kinder und Jugendliche im Land unterstützt.

Für einen guten Zweck rudert auch Sandro Detig aus Lenzburg als Einmannteam mit – er möchte auf die Krankheit Cystische Fibrose aufmerksam machen. Zu viert sind die Wettinger Brüder Georg, Sebastian und Peider Stocker und deren Cousin Matthias Odermatt unterwegs. Ausserdem rudern zwei Frauen aus Luzern mit.

«Es ist kein einfacher Sport», sagt Samuel Widmer. «Koordinativ ist Rudern anspruchsvoll. Auch muss man das richtige Material wählen oder auf dem Meer navigieren können.» Auf dem Atlantik sind die vier zudem extremen Bedingungen ausgesetzt − nicht nur, was das Wetter betrifft: Während zwei Teammitglieder zwei Stunden rudern, haben die anderen beiden Zeit, ihre Astronautennahrung zu essen, sich um die eigene Hygiene oder Verletzungen zu kümmern, das Boot instand zu halten und etwa rund eine Stunde zu schlafen.

6000 Kalorien müssen die Ruderer pro Tag zu sich nehmen, um die körperlichen Strapazen zu überstehen. Auch so rechnet Samuel Widmer damit, rund zwölf Kilogramm an Körpergewicht zu verlieren.

Samuel Widmer mit Jan Hurni, Roman Möckli und Ingvar Groza haben auf Schweizer Seen und zweimal auf dem Mittelmeer trainiert.
Sie rudern an der Talisker Whisky Atlantic Challenge mit.
DIe Route führt von den Kanaren in die Karibik nach Antigua. 
Mit diesem Boot nehmen sie das Abenteuer in Angriff.
Es ist das härteste Ruderrennen der Welt.
Die Aussicht ist atemberaubend.
Die vier Freunde vor ihrem Boot.

Mögliche Seekrankheit beschäftigt das Team am meisten

Am meisten Sorgen bereitet dem 27-Jährigen aber weder die kurzen Schlafzeiten noch Blattern an Händen und Füssen oder Platzwunden, wie er sich bereits eine auf dem Mittelmeer zugezogen hat. Auch nicht die Stürme − würde das Team «Swiss Raw» auf dem Atlantik in Seenot geraten, könnte es bis zu sechs Tage dauern, bis Hilfe eintreffen würde.

«Stürme sind beim ersten Mal zwar beängstigend, vor allem in der Nacht», sagt Samuel Widmer. Aber die vier hätten bei ihrer Bewährungsprobe schnell gemerkt, dass sie damit umgehen könnten. Am meisten beschäftigt den gelernten Zimmermann, der in Leuggern aufgewachsen ist, eine mögliche Seekrankheit.

«Eine akute Seekrankheit, ist zwar heftig, aber nach wenigen Tagen vorbei», sagt Samuel Widmer. Bei ihm selbst dauerte es beim ersten Meerestraining gerade Mal einen halben Tag. «Ich konnte trotzdem rudern, wenn auch weniger effizient.»

Das Schwierigste sei jedoch, in dieser Situation genügend zu essen und zu trinken, was vor allem bei der chronischen Seekrankheit zum Problem werden könnte. Diese sei zwar nicht so stark wie die akute, würde aber nicht vorbeigehen. «Und dagegen gibt es keine Medikamente.» Angst hätten er und seine drei Teamkollegen nicht. «Wir haben aber grossen Respekt.»

Trotz allen Herausforderungen: Der 1,90 Meter grosse Athlet und sein Team wollen nicht nur einfach über den Atlantik rudern, sondern die 3000 Seemeilen in 29 Tagen zurücklegen und somit den aktuellen Weltrekord brechen. «Mit etwas Wetterglück schaffen wir das», ist der 27-Jährige überzeugt. Dafür brauchen die vier Freunde vor allem Rückenwind.